Einmal pro Monat werde ich mich in meinen Fernsehsessel setzen und mir für euch einen Musicalfilm ansehen. Da werden bekannte Streifen dabei sein, aber auch Unbekanntes oder Vergessenes.
Es ist Zeit für ein bisschen „Es war einmal“. Und was gibt es da Besseres als einen guten alten Disney-Animationsfilm? Ich habe mich für „Die Schöne und das Biest“ entschieden. Den habe ich nicht mehr gesehen, seit ich mir die DVD gekauft habe – und das muss 2002 gewesen sein. Funktioniert der Zauber von damals auch heute noch? Ein ganz klares Ja!
Allerdings bin ich schon etwas überrascht, wie großflächig die Zeichnungen sind. Ich habe natürlich nicht erwartet, dass bei einem Film von 1991 das Haar des Biests so fotorealistisch wie bei einer heutigen Computeranimation ist, aber beispielsweise sein Jackett wirft erstaunlich wenig Falten. Auch wenn Gesichter klein im Bild sind, scheinen sie mir etwas hurtig hingezeichnet – sogar das von Belle. Da sind Bilder aus älteren Disney-Filmen viel detaillierter. Vielleicht ist zur Zeit von „Die Schöne und das Biest“ mehr Geld statt in Zeichner in die damals noch in den Kinderschuhen steckenden Computeranimationen geflossen, mit der etwa die Ballsaal-Szene mit dem Flug dem Kronleuchter veredelt wurde. Daran war übrigens eine gewisse Firma namens „Pixar“ beteiligt.
Aber zurück zum Zauber. Auch wenn manches Bild nicht gut gealtert ist: Der Film ist ein zeitloser Klassiker. Das liegt zum einen an dem gut gestrickten Buch mit der perfekten Mischung aus Romantik, Magie, einem kinderverträglichen Schuss Gothic-Horror-Grusel, lustigen Sidekicks und einem ekelhaft unsympathischen Bösewicht – und natürlich an der wunderbaren Musik von Alan Menken! Den genau wie Menkens Score ebenfalls Oscar-prämierten Titelsong mochte ich nie besonders. Ich finde die Melodie arg simpel. „Belle“ ist dagegen ein Musterbeispiel, wie man durch ein Lied Figuren und das soziale Umfeld einführt. „Tod dem Biest“ hat eine bedrohliche, aufwiegelnde Wut und „Sei hier Gast“ ist zusammen mit der Animation, die Choreografien früher Tonfilm-Musicals zitiert, ein Meisterwerk.
Auch das Charakter-Design ist sehr gelungen: das Schlosspersonal, deren Physiognomie sich in die Form der Gegenstände einfügt, in die sie verzaubert werden – Lumières Nase, die einem heruntergelaufenen Wachstropfen gleicht, die rundliche Teekanne Madame Pottine, der in einen Fußschemel verwandelte Hund, der sogar ohne Gesicht auskommen muss, oder das kantige Gesicht von Gaston, das eigentlich recht attraktiv ist, wären da nicht die böse funkelnden Augen. Augen spielen generell eine wichtige Rolle in der Handlung. An ihnen erkennt Belle, dass der Mann auf dem zerfetzten Portrait jetzt das Biest ist. Und wie großartig, dass es nicht im Dialog angesprochen wird, sondern man sieht es an ihrem Blick in sein Gesicht.
Für mich ist das Biest an sich eine Sternstunde der Animation. Es kann sich bedrohlich lauernd wie ein Raubtier bewegen und macht im Anzug eine gute Figur, schließlich ist es ja ein Prinz und ist entsprechend erzogen. Man spürt seine Unsicherheit im Umgang mit Belle. Wer in der Szene, wenn es Belle zu ihrem Vater gehen lässt und damit glaubt, sein Schicksal besiegelt zu haben, nicht mit dem Biest mitleidet, der hat kein Herz.
Nicht so gelungen finde ich dagegen Lefou. Alles an ihm ist übertrieben. Die gedrungene Statur, die Knollennase – und dann stolpert er auch noch ständig rum, torkelt oder fällt hin.
Bei Lumière und den Staubwedel-Hausmädchen finde ich seltsam, dass sie die einzigen Figuren sind, die (als Franzosen in einer in Frankreich angesiedelten Handlung) mit französischem Akzent sprechen. Sowas begegnet mir immer wieder und ich finde es immer wieder seltsam. Allerdings hat es auch einen gewissen Charme, besonders in der deutschen Version, wo Joachim Kemmer seine Stimme leiht. Ich finde ihn sogar besser als Jerry Orbach im Original. Dafür ist mir in der deutschen Synchronisation der Unterschied zwischen Gastons Sprechstimme (Engelbert von Nordhausen) und Singstimme (Peter Edelmann) zu krass.
Verwirrend finde ich auch, dass zu Beginn des Films Spätsommer oder sonniger Herbst ist und urplötzlich liegt meterhoher Schnee – nicht nur im verzauberten Wald, sondern auch im Dorf.
Zur DVD-Edition wurde ein Lied neu eingefügt, das man schon in einem recht frühen Stadium der Produktion gestrichen hatte. Die Regisseure Gary Trousdale und Kirk Wise fanden, es bremse die Handlung aus. „Mensch wieder sein“ wurde nachträglich animiert und hat in der deutschen Fassung auch andere Sprecher, weil Manfred Lichtenfeld (Von Unruh) und Joachim Kemmer (Lumière) schon verstorben waren. Das Lied ist ganz nett, bremst die Handlung nicht zu dolle aus, aber richtig weiter bringt es niemanden. Dass die verzauberten Schlossbewohner durch Belle hoffen, wieder Menschen zu werden, hat man vorher schon mitbekommen. Der Song wurde später auch in die Broadway-Fassung aufgenommen.
„Die Schöne und das Biest“ nimmt im Disney-Kanon einen besonderen Stellenwert ein. Es war der erste Animationsfilm, der jemals als „Bester Film“ für einen Oscar nominiert wurde. Die Kategorie „Bester Animationsfilm“ gab es damals nämlich noch nicht. Wobei auch nach der Einführung der Kategorie ja trotzdem jeder Film, egal ob real oder animiert, in der Hauptkategorie nominiert werden kann. „Oben“ war 2010 beispielsweise in beiden Kategorien im Rennen.
Mehr noch als bei „Arielle, die Meerjungfrau“ sind die Songs aus „Die Schöne und das Biest“ handlungstreibend und nicht nur Intermezzi, die entweder einfach Laune machen („Probier’s mal mit Gemütlichkeit“ im „Dschungelbuch“) oder Figuren charakterisieren („Ein Mensch zu sein“ in „Arielle“). Deswegen ist „Die Schöne und das Biest“ für mich mehr ein Filmmusical als andere Disney-Filme. Und eins mit richtig viel Märchenzauber.
Bericht | Galerie | ||||||||
GALERIE |
---|