Al Knott (Greaseball) © Pamela Raith
Al Knott (Greaseball) © Pamela Raith

Starlight Express (seit 06/2024)
Troubadour Wembley Park Theatre, London

Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
 

Keine Show von Andrew Lloyd Webber hat dermaßen viele Überarbeitungen erfahren wie „Starlight Express“. Immer wieder wurden in den vierzig Jahren seit der Uraufführung Songs umgestellt, gestrichen oder durch andere ergänzt. Für die Londoner Neuinszenierung im Wembley Park Theater blieb bei „Starlight Express“ allerdings nun kein Stein mehr auf dem anderen: Figuren wurden großflächig gestrichen, neue hinzugefügt, Geschlechter gewechselt und somit die Story beinahe komplett neu erzählt. Fans der bisherigen Fassung(en) können – so sie sich denn darauf einlassen – ganz neue Aspekte an „Starlight“ entdecken und eine neue Generation von Theatergängern erlebt ein modernes und zeitgemäßes neues Musical.

Bereits beim Betreten des Auditoriums vor der Show fällt eine der größten Änderungen der Neuinszenierung auf: Auf der Hauptbühne ist mit einem Kinderbett und einem darüber hängenden Planeten-Mobile ein Kinderzimmer angedeutet. Das Kind, das in seinem Traum als „Control“ den Wettkampf der Züge veranstaltet, und seine Mutter sind in dieser Fassung nicht mehr nur Stimmen vom Band, sondern stehen tatsächlich auch auf der Bühne. Wie gewohnt beginnt „Starlight Express“ damit, dass die Mutter ihr Kind zu Bett bringt. Jetzt hebt sie allerdings eine Spielzeuglokomotive vom Boden auf, auf der „Rusty“ steht, und stellt diese verschmitzt lächelnd auf eine Spielzeugkiste. Diese kurze Szene erlangt im Verlauf der Show nochmal eine größere Bedeutung, denn wenn die alte Dampflok Momma in der Show auftritt, ist dies die Mutter des Kindes. Bei „Starlight Sequence“, dem Song in dem Momma Rusty daran erinnert, dass er an sich glauben muss, steht sie mit Blick auf Rusty, die Hände allerdings auf die Schulter des Kindes gelegt, auf der Bühne. Der eigentlich für die Bochumer Inszenierung eingebaute Geschlechterwechsel der alten Dampflok „Papa“ zu „Mama“ ergibt in der neuen Londoner Fassung damit auch inhaltlich einen Sinn.

Auch sonst haben haben Arlene Phillips, die Original-Choreographin von „Starlight Express“, und Regisseur Luke Sheppard an die Figuren und Handlungssträngen deutlich Hand angelegt. Das Grundgerüst der Show, dass sich verschiedene Züge in immer neuen Konstellationen Wettrennen leisten, Allianzen und Komplotte schmieden, ist freilich gleichgeblieben. Doch treten die Züge jetzt nicht mehr für bestimmte Nationen an, sondern symbolisieren ihren jeweiligen Antrieb. Neu hinzugekommen ist – dem Zeitgeist geschuldet – ein Zug mit Wasserstoffantrieb, genannt Hydra, der mit „Hydrogen“ auch einen neuen Song aus der Feder Andrew Lloyd Webbers abstaubt. Zum ersten Mal in einer nicht-deutschsprachigen Inszenierung wurde auch der aus Bochum bekannte Song „I Do“ in die Neuinszenierung eingebaut. Spannend ist, dass sich Lloyd Webber – ähnlich wie in der im letzten Jahr im Londoner Lyric Theatre zu sehenden Neuninszenierung von „Aspects of Love“ – auch bei „Starlight Express“ musikalisch selbst zitiert: Jetzt hat er bei „I Am Me“ einige Takte aus „Tire Tracks and Broken Hearts“ aus „Whistle Down the Wind“ eingewoben.

Mit dem Umbau der gesamten Show gehen auch einige textliche Änderungen in den bekannten Songs einher. Dem Vorwurf, den sich „Starlight Express“ oft gefallen lassen musste, ein ziemlich sexistisches Weltbild darzustellen (alle Loks waren in der ursprünglichen Fassung männlich, die für die Show wichtigen Wagons überwiegend weiblich) begegnet die Neuinszenierung nicht nur mit dem bereits erwähnten Wechsel von Papa zu Momma, sondern auch damit, dass Greaseball, eine der wichtigsten Lokomotiven der Show, jetzt weiblich und beispielsweise der Wagon Tassita (in der Urfassung der Show Ashley, der Raucherwagon) nun männlich ist.

Das Bühnenbild der neuen Londoner Fassung besteht aus einer Hauptbühne in der Mitte mit zwei Bahnrunden in den Publikumsraum, wovon eine Bahn auf eine höhere Ebene der Hauptbühne verläuft. Auf die Brücke aus der Urinszenierung, die sich in den verschiedensten Konstellationen hebt und senkt und die in Bochum immer noch vorhanden ist, verzichtet das neue Bühnenbild von Tim Hatley. Die Lichteffekte (Howard Hudson) sind sehr schön anzusehend und geben der Show einen futuristischen Touch. So zum Beispiel, wenn Pearl oder Dinah von Elektra als Partner ausgewählt werden und in einem sich drehenden Laserstrahl stehen, der sehr an Science-Fiction-Filme erinnert, in denen Menschen von Aliens auf ein UFO entführt werden.

Durch die Anordnung des Publikumsraums und die Ausleuchtung der gesamten Show entsteht etwas der Eindruck, in einem Fernsehstudio zu sitzen. Verstärkt wird dies dadurch, dass der Hintergrund der Hauptbühne eine große LED-Wand ist, auf der unter anderem die Zusammenstellung der Züge in den jeweiligen Rennen bzw. deren Rangfolge angezeigt wird. Links und rechts neben der Hauptbühne hängen jeweils noch weitere Bildschirme, auf denen die Rennen der Züge zu beobachten sind, ohne dass sich das Publikum ständig drehen muss.

Beim Kostümbild hat sich Gabriella Slade offenbar stark an ihren eigenen Entwürfen zu „Six“ orientiert. Die Kostüme sehen denen des Musicals über die Ehefrauen Heinrichs VIII enorm ähnlich. Hin- und wieder hat Slade noch einen Touch von „Transformers“ hinzugefügt. Wäre diese Inszenierung von „Starlight“ zeitlich vor der Uraufführung von „Six“ gelegen, ließen sich die Kostüme als ‚innovativ‘ beschreiben. So sind sie allerdings leider – obwohl einfallsreich gestaltet und zum Beispiel bei Elektras Outfit durchaus auch mit dem einen oder anderen interessanten Gimmick ausgestattet – eine bloße Kopie einer anderen Show.

Besetzt ist der Londoner „Starlight Express“ überwiegend mit Darstellerinnen und Darsteller, die hier ihr professionelles Debüt in einer großen Show geben. Allen gemein ist, dass sie ihre Rollen und die teils waghalsigen Choreografien auf Rollschuhen hervorragend ausfüllen und genießen. Die Wettrennen wirken in der besuchten ersten Preview zwar teilweise noch etwas träge, mit zunehmender Routine löst sich dieses kleine Manko allerdings sicherlich noch auf.

Jeevan Braich ist ein gewohnt sympathischer Rusty, der mit seiner etwas rauen Stimme seinen Songs – besonders dem Titelsong der Show – einen schönen Soul gibt. Kayna Montecillo, die als Pearl ebenfalls ihr professionelles Debüt gibt, darf ein wunderschön neu arrangiertes und sehr gefühlvolles „Make Up My Heart“ singen. Gemeinsam harmonieren die beiden sowohl stimmlich als auch darstellerisch ganz hervorragend. Al Knott als Greaseball muss ihre Rolle komplett neu erfinden. Die bisher der Rolle zugeschriebenen Elvis-Vibes funktionieren natürlich nicht mehr, wenn Greaseball jetzt weiblich ist. Knott legt die Rolle zwar immer noch als Rockstar aus, wirkt dabei nun aber eher wie Pink – enorm modern und beinahe direkt aus der heutigen Zeit entsprungen. Mit ihrer harten – aber nicht unschönen – Stimmfarbe sticht sie aus dem gesamten Ensemble hervor. Eve Humphrey ist eine sympathisch Dinah, die ihre witzigen Momente sehr gut ausspielt, Tom Pigran als Electra wirkt sehr androgyn und an Lady Gaga erinnernd, und Jade Marvin ist eine Momma mit großer Stimme. Die gesamte Besetzung ist auf gewohnt hohem Londoner Profi-Niveau. Hervorzuheben ist allerdings auf alle Fälle Mimi Soetan in der Rolle von Control. Die junge Darstellerin spielt ihre Rolle bereits in der ersten Preview mit einer dermaßen großen Selbstverständlichkeit und Selbstsicherheit, als hätte sie noch nie etwas anderes gemacht. Obwohl noch nicht einmal zehn Jahre alt, wirkt sie zu jedem Zeitpunkt der Show so, als habe sie alle Züge tatsächlich unter ihrer Kontrolle.

Die Musik von „Starlight Express“ wird hinter der Bühne von einer siebenköpfigen Band unter der Leitung von Laura Bangay gespielt. Die neuen und von beinahe jedem 80er-Jahre Synthesizer-Sound entschlackten Arrangements klingen kräftig treibend und voll. Die Soundqualität im Wembley Park Theatre ist hervorragend.

„Starlight Express“ in dieser neuen Fassung macht enorm Spaß. Es bringt jede Menge positive Energie über die Rampe und das Publikum verlässt das Theater mit einem Lächeln auf den Lippen. Die neue Erzählung der Geschichte, die talentierte Cast und die gelungenen Arrangements überzeugen – und ganz nebenbei vermittelt „Starlight Express“ auch plötzlich ein Weltbild, in dem es genauso normal ist, dass eine Dinah eine Greaseball liebt, wie ein Rusty eine Pearl. 

Hinweis: Unsere Review entstand im Rahmen der ersten Preview vor der offiziellen Premiere.

 
Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
KREATIVTEAM
MusikAndrew Lloyd Webber
TextRichard Stilgoe
InszenierungLuke Sheppard
BühnenbildTim Hatley
Video DesignAndrzej Goulding
KostümeGabriella Slade
Licht DesignHoward Hudson
Sound DesignGareth Owen
Orchestrierung / Musical SupervisionMatthew Brind
Creative DramaturgArlene Phillips
ChoreographieAshley Nottingham
 
Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
CAST (AKTUELL)
RustyJeevan Braich,
(Scott Hayward
Asher Forth
Pablo Gómez Jones)

PearlKayna Montecillo,
(Ashlyn Weekes
Marianthe Panas
Lilianna Hendy)

Momma McCoyJade Marvin,
(Deearna McLean
Jessica Vaux)

GreaseballAl Knott,
(Jessica Vaux
Catherine Cornwall
Lara Vina Uzcatia)

DinahEve Humphrey,
(Lilianna Hendy
Deearna McLean)

ElectraTom Pigram,
(Asher Forth
Oscar Kong)

Belle / EnsembleAshlyn Weekes,
(Marianthe Panas
Lara Vina Uzcatia)

Tassita / EnsembleRenz Cardenas,
(Pablo Gómez Jones
Charles Butcher)

Porter / EnsembleLewis Kidd,
(Sam Gallacher
Scott Hayward
Charles Butcher)

Golden Eagle / EnsembleDavid Brown
Slick Oil / EnsembleEmily Martinez,
(Lara Vina Uzcatia
Catherine Cornwall)

Lumber / EnsembleN.N.
(Sam Gallacher
Pablo Gómez Jones)

Hydra / EnsembleN.N.
Orange Flash / EnsembleMarianthe Panas
Blue Lightning / EnsembleJessica Vaux
Silver Bullet / EnsembleOscar Kong
Green Arrow / EnsembleAsher Forth
Killerwatt / EnsemblePablo Gómez Jones
Wrench / EnsembleLilianna Hendy
Joule / EnsembleCatherine Cornwall
Volta / EnsembleOllie Augustin
EnsembleIsaac Edwards
RED
Bethany Rose-Lythgoe
Ashley Rowe
Gary Sheridan
Jaydon Vijn
Sharon Wattis
SwingsCharles Butcher
Jamie Cruttenden
Kelly Downing
Sam Gallacher
Lucy Glover
Scott Hayward
Hannah Kiss
Deearna McLean
Elly Shaw
Lara Vina Uzcatia
  
Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
TERMINE
Do, 21.11.2024 14:30Troubadour Wembley Park Theatre, London
Do, 21.11.2024 19:30Troubadour Wembley Park Theatre, London
Sa, 23.11.2024 14:30Troubadour Wembley Park Theatre, London
Sa, 23.11.2024 19:30Troubadour Wembley Park Theatre, London
So, 24.11.2024 13:00Troubadour Wembley Park Theatre, London
So, 24.11.2024 17:30Troubadour Wembley Park Theatre, London
Mi, 27.11.2024 19:30Troubadour Wembley Park Theatre, London
Do, 28.11.2024 14:30Troubadour Wembley Park Theatre, London
Do, 28.11.2024 19:30Troubadour Wembley Park Theatre, London
Fr, 29.11.2024 19:30Troubadour Wembley Park Theatre, London
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Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
TERMINE (HISTORY)
Sa, 08.06.2024 19:30Troubadour Wembley Park Theatre, LondonPreview
So, 09.06.2024 17:30Troubadour Wembley Park Theatre, LondonPreview
Mi, 12.06.2024 19:30Troubadour Wembley Park Theatre, LondonPreview
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