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Ein Klassiker der Weltliteratur findet in Gestalt eines Musicals den Weg auf die Bühne des Lüneburger Stadttheaters: „Der Graf von Monte Christo“ überstrahlt mit opulenter Orchestrierung, eindrucksvollen Bildern und einer hochkarätigen wie stimmgewaltigen Besetzung die buchbedingten Wirrungen und Längen.
Alexandre Dumas‘ Abenteuerroman wird – mit Ausnahme der Konfliktauflösung am Ende – vorlagengetreu von Jack Murphy und Frank Wildhorn als Musical verpackt auf die Bretter, die die Welt bedeuten, geschickt. Dabei hat der Komponist die Rolle des um sein Glück betrogenen und nach Rache dürstenden Edmond Dantès auf die Stimmbänder von Thomas Borchert geschrieben. Dieser hat „seine“ Rolle bei der Uraufführung in St. Gallen verkörpert und bekommt in Lüneburg die Gelegenheit, den Grafen wieder aufleben zu lassen – mit seiner Ehefrau Navina Heyne als Mercédès an seiner Seite. Wildhorns Stärke sind seine großen, episch klingenden Melodien und Songs, die sich von zurückhaltender Stille zu wahren Belting-Salven entwickeln. Was bei „Dracula“ und „Jekyll und Hyde“ die großen Opener und Aktfinale sind, zieht sich bei „Graf von Monte Christo“ nahezu durchgängig durch die Partitur: Ein Wuchtsong jagt den nächsten, ein kraftvoller Endton reiht sich an den anderen. Dabei wirkt Jack Murphys Buch stellenweise sehr gehetzt – so räumt das Stück der prägenden und langen Freundschaft zwischen Dantès und dem Abbé im Gefängnis nicht genügend Zeit ein und auch die Rache an Edmonds Übeltätern geht mehr oder weniger innerhalb eines Songs über die Bühne. Auch Edmonds Wandlung vom verbitterten Vergeltungsengel zu seinem geläuterten Selbst verläuft am Ende sehr rasch. An anderen Stellen zeigt die Musical-Adaption wiederum für die Dramaturgie nicht notwendige und zum Teil kontraproduktive Längen, die sich vor allem im zweiten Akt häufen, wozu die wenig Plot-relevanten und etwas albernen Szenen und Songs mit den Piratinnen zählen. Diese Schwächen werden aber durch die schiere Macht von Wildhorns Musik und der Stimmstärke der Lüneburger Darsteller deutlich überstrahlt.
Wolfgang Bertholds Inszenierung punktet außerdem durch das visuell zurückhaltende, aber dennoch ausdrucksstarke Bühnenbild von Cornelia Brunn. Es braucht kein üppiges Renaissance-Mobiliar aus einem Historienstreifen für dieses tief menschliche und emotionale Stück. Ein durch weiße Vorhänge dargestelltes, kaltes und karges Zimmer der Familie Mondego unterstreicht die innere Leere von Mercédès. Eine große eiserne Wand, die das Gefängnis darstellt, zeigt Edmonds aussichtslose und verzweifelte Lage, die kein Entkommen erlaubt. Als diese Wand durch eine kreisrunde Öffnung gebrochen wird, die im Verlauf der Handlung immer größer wird, dringt zunächst nur ein Lichtstrahl in seine Zelle und später das strahlend blaue Meer, das Dantès die Freiheit bringt. Hier wirkt die Inszenierung besonders eindrucksvoll und emotional.
So beeindruckend wie dramatisch sind auch die Fechtchoreographien von Axel Hambach am Ende des zweiten Aktes, die an Historienfilm-Klassiker erinnern . Olaf Schmidts Choreographien funktionieren vor allem in den intimeren Szenen, in denen Dantès und Mercédès innerhalb einer Menschengruppe interagieren, während die tänzerischen Abläufe in den Songs der Piratinnen aufgrund der Ähnlichkeit zu Tänzen wie dem „Macarena“ eher für erheiterte Irritation sorgen.
Das Orchester der Lüneburger Symphoniker vertont Wildhorns epische Melodien mit Weltklasse-Niveau – die Wucht der Orchestrierung überträgt sich unmittelbar ins Auditorium. Der eigentlich laut Programmheft gut besetzte Opernchor plus Extrachor, der Backstage singt, klingt an diesem Abend etwas dünn – oftmals hört man jeweils nur eine oder zwei Stimmen heraus, diese klingen aber hervorragend. Es mag der zu leisen Tontechnik-Abmischung des Chor geschuldet sein, dass dieser letztendlich etwas untergeht. Ansonsten ist der Sound aber wohlklingend austariert, sodass – trotz der zum Teil sehr lauten Lieder – jedes Wort gut verständlich ist.
Steffen Neutze in der kleinen antagonistischen Rolle des Anwalts Villefort begeistert durch virtuose Stimmführung, von der es rollenbedingt leider zu wenig zu hören gibt. Sascha Littig gibt einen sympathischen Abbé Faria, der sein Bestes gibt, den vom Buch etwas stiefmütterlich behandelten Freund von Dantès mit Plastizität und Menschlichkeit zu versehen. Andrea Marchetti macht in seiner Rolle des Jacopo im wahrsten Sinne des Wortes eine vortreffliche Figur – seine Kampfszenen im ersten Akt auf dem Piratenschiff gehören zu den inszenatorischen Highlights des Stücks. Franziska Ringe als Kapitänin Luisa Vampa, die von der Romanvorlage des Luigi Vampa umkonzipiert wurde, erinnert in ihren Mannierismen deutlich an die schrulligen Piraten aus den „Fluch der Karibik“-Filmen und bringt so etwas Leichtigkeit in die düstere Handlung.
Gerd Achilles ähnelt von seiner Optik her so sehr seiner Figur Fernand Montego, dass er wie aus dem Buch entsprungen wirkt. Er verkörpert den durch und durch verkommenen Antagonisten so überzeugend, dass ihn beim Schlussapplaus Jubelrufe für seine Leistung und Buhrufe für seine Rolle gleichzeitig erreichen. Gänzlich entzückt zeigte sich das Publikum von Anton Frederik von Mansberg und Pia Naegeli, die das unschuldige, naive junge Liebespaar Albert und Valentine überzeugend geben.
Die Stars des Abends sind das Ehepaar Navina Heyne und Thomas Borchert. Nicht nur versprühen sie die perfekte Bühnenchemie in ihren gemeinsamen Szenen, durch ihr intensives und hochemotionales Schauspiel ist eine energetische Verbindung auch in den Momenten, wenn nur einer von beiden auf der Bühne steht, spürbar. Die Duette ihrer Rollen im ersten Akt „Ein Leben lang“ und „Niemals allein“ sind nicht nur ein Feuerwerk an Gefühlen, sondern auch stimmlich überragend vorgetragen. Geradezu erschütternd spielen die beiden ihre gebrochenen und von Einsamkeit zerfressenen Figuren im Lied „Jeder Tag ein kleiner Tod“. Von ‚himmelhoch jauchzend‘ bis ‚zu Tode betrübt‘ lassen sich Heyne und Borchert in jegliche Emotion fallen und brillieren dadurch.
Das Finale des ersten Aktes „Hölle auf Erden“ wird zu einem absoluten Höhepunkt, da hier das Ensemble, der Hauptdarsteller sowie Orchester, Chor und Licht zu einer bedrohlichen Einheit verschmelzen – ein unvergessliches Bild! Im zweiten Akt sind die beiden Solo-Songs von Borchert „Der Mann, der ich einst war“ bzw. Heyne mit „All die Zeit“ stimmlich herausragend kraftvoll interpretiert und ernten zurecht die größten Applaus-Intermezzi des Abends. Ein inszenatorisches Highlight des zweiten Teils ist das sehr plakativ aufgestellte Lied „Zuviel ist nie genug“, in dem die drei Übeltäter auf dem Boden einer Spur aus Geldscheinen nachkriechen, während Dantès sie buchstäblich wie Hunde an der Leine führt – spätestens hier versteht das Publikum, dass das Stück als ein großes Leitthema nicht nur die Gier, sondern die Macht des Geldes beinhaltet.
Das Theater Lüneburg hat mit der Wahl des Stückes und seiner Besetzung alles richtig gemacht. Klug inszeniert und herausragend orchestriert verspricht diese Version von „Der Graf von Monte Christo“ einen eindrucksreichen Abend, der in Erinnerung bleiben wird.
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KREATIVTEAM |
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Musik | Frank Wildhorn |
Buch / Text | Jack Murphy |
Inszenierung | Wolfgang Berthold |
Musikalische Leitung | Gaudens Bieri |
Bühne / Kostüme | Cornelia Brunn |
Kampfchoreographie | Axel Hambach |
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CAST (AKTUELL) |
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Edmond Dantès | Thomas Borchert |
Mercédès | Navina Heyne |
Abbe Faria | Sascha Littig |
Fernand Mondego | Gerd Achilles |
Gérard von Villefort | Steffen Neutze |
Baron Danglars | Oliver Hennes |
Jacopo | Andrea Marchetti |
Albert von Morcerf | Anton Frederik von Mansberg |
Valentine | Pia Naegeli |
Luisa Vampa | Franziska Ringe |
Morrel | Eric Keller |
Chor | Damen Herren des Haus- Extra-Chores |
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GALERIE |
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TERMINE |
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TERMINE (HISTORY) |
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Sa, 11.11.2023 20:00 | Theater, Lüneburg | Premiere | |||||||
So, 19.11.2023 18:00 | Theater, Lüneburg | ||||||||
So, 26.11.2023 18:00 | Theater, Lüneburg | ||||||||
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Di, 28.11.2023 20:00 | Theater, Lüneburg | ||||||||
Do, 07.12.2023 20:00 | Theater, Lüneburg | ||||||||
Di, 26.12.2023 18:00 | Theater, Lüneburg | ||||||||
Fr, 29.12.2023 20:00 | Theater, Lüneburg | ||||||||
So, 31.12.2023 18:00 | Theater, Lüneburg | ||||||||
Mi, 24.01.2024 20:00 | Theater, Lüneburg | ||||||||
So, 04.02.2024 18:00 | Theater, Lüneburg | ||||||||
Sa, 24.02.2024 20:00 | Theater, Lüneburg | ||||||||
So, 25.02.2024 15:00 | Theater, Lüneburg | ||||||||
Fr, 01.03.2024 20:00 | Theater, Lüneburg | ||||||||
Do, 28.03.2024 20:00 | Theater, Lüneburg | Dernière | |||||||
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