Beatrice Reece (© Jessica Kessler)
Beatrice Reece (© Jessica Kessler)

3 Fragen an... Beatrice Reece

Beatrice Reece, die aus einer britisch-amerikanischen Familie stammt und in Deutschland aufgewachsen ist, erhielt ihre Schauspiel- und Musicalausbildung in London und steht seit 2011 in deutschen Theatern auf der Bühne, u.a. in „49 ½ Shades! Die Musical-Parodie“ oder „Sister Act“. In der aktuellen Saison hat sie mit „Saturday Night Fever“, „Anatevka“, „Hairspray“, „The Last Five Years“ und „Jack the Ripper“ fünf unterschiedliche Rollen in vier verschiedenen Städten übernommen. Unser Redakteur traf sie im Rahmen ihres Engagements bei „The Last Five Years“ am Staatstheater Darmstadt. Ein Interview mit ihrem Bühnenpartner Enrico de Pieri folgt in der kommenden Woche.

Liebe Beatrice, du warst bisher oft in komödiantischen Rollen zu erleben – was dir offensichtlich auch sehr liegt. Beispielsweise hast du die Norma bei „Victor/Victoria“ in Mainz oder die Disco Queen bei „Saturday Night Fever“ im Staatstheater Darmstadt gegeben. Jetzt hast du dich mit Cathy in „The Last Five Years“ einer eher dramatisch ausgelegten Figur verschrieben. Wie ist der Wechsel von Comedy zu Drama für dich und was gibt dir dieses Stück?

Ich habe mich über das Angebot, diese Rolle zu spielen, wirklich extrem gefreut, denn ich habe mich von einer anderen Seite wahrgenommen und gesehen gefühlt. Klar, die komödiantische Seite bin ich auf jeden Fall auch – und das auch im Privaten – aber dass mir nun die Möglichkeit gegeben wird, diese realere Facette von mir zu zeigen, hat mich sehr dankbar gemacht. Am Anfang war ich sehr nervös und fragte mich „Kann ich dieses Rollenbild überhaupt bedienen?“, aber je mehr ich mich mit diesem Stück auseinandergesetzt habe, desto mehr habe ich gemerkt, wie nah es mir doch ist. Und nicht nur mir, jeder Mensch hat genau solche Situationen, wie sie in „The Last Five Years“ vorkommen, schon einmal erlebt. Dadurch habe ich mich sehr schnell in dieser neuen Rolle wohl gefühlt.
Das wurde aber auch durch meinen tollen Spielpartner Enrico de Pieri total begünstigt – wir sind privat schon seit langer Zeit Freunde. Dass ich bei ihm die Emotionen und das Schauspiel so ausleben darf, hat mir viel Sicherheit gegeben und Nervosität genommen. So konnte ich mich in der Rolle fallen lassen und mir die Rolle selbst glauben – damit mir auch die Zuschauer glauben können. Die Rolle der Cathy ist auch deswegen für mich nahbar, weil sie durch ähnliche Situationen gehen muss wie ich als Schauspielerin. Sie hetzt im Stück durch eine Audition und ist unglaublich angespannt, ihre Sinne sind geschärft, sie ist selbstkritisch und lässt sich leicht ablenken – die Bewegungen der Hände werden plötzlich unnatürlich für sie, wie eine Out-of-Body-Experience. Das ist eine Szene, in der ich mich 1:1 selbst wahrgenommen habe, und das wird auch vielen KollegInnen so gehen.
Für mich zeigt das Stück, dass Beziehungen, egal ob mit Mann oder Frau oder FreundInnen, eine Menge Arbeit sind. Man muss konstant am Ball bleiben, aufeinander aufpassen, kommunizieren, zuhören, immer etwas von sich hergeben, füreinander da sein – auch diese Momente kenne ich sehr gut. Und alles, womit ich mich bei Cathy nicht ganz identifizieren kann, hole ich aus meiner Trickkiste: andere, ähnliche Emotionen nehme ich her und nutze sie, um Cathys Gefühlen zu entsprechen.
Ich hoffe, es geht auch zukünftig für mich weiter in die dramatische Richtung– nicht, dass ich komödiantische Rollen nicht mehr machen möchte, aber man wird oft wegen einem Body-Image als Comedian gecastet, weil man nicht der Beauty-Norm entspricht. Auf übergewichtige Darsteller werden dann viele Rollen abgeschoben, die quirky, weird oder funny sind. Das nervt mich total. In kaum einer Kritik wird das nicht erwähnt, obwohl es doch überhaupt nichts über die Qualität der Darbietung oder des Gesangs aussagt. Ein längerer Arm oder eine große Nase werden doch auch nicht kommentiert! Und deswegen ist es ein toller Schritt, dass ich komplett unabhängig von Äußerlichkeiten diese tolle Rolle spielen kann und Körpermaße überhaupt keine Rolle spielen. So können wir das Schubladen-Denken der Leute aufbrechen. Das ist mir in meinen Rollen ein großes Anliegen.

In letzter Zeit hast du sehr viele Produktionen gleichzeitig gespielt und warst viel am Hin- und Herfahren. Wie bekommt man mehrere Engagements unter einen Hut, ohne mit Rollen, Texten und Stücken komplett durcheinander zu kommen – und wie verträgt sich so ein intensives Bühnenleben mit dem privaten Umfeld?

Ja, das Privatleben … ich habe in der letzten Zeit davon zum Glück viel nachholen können, denn ich war bis zuletzt neun Wochen am Stück nicht zuhause. Es erfordert extrem viel Kommunikation und immer wieder die Bereitschaft, mit deiner Umgebung alles zu besprechen und zu planen. Das war nicht ideal, aber es war so viel Schönes dabei, sodass es für mich trotzdem funktioniert hat – zum Beispiel die tolle Unterstützung und die Liebe von meinen Kollegen. Die Nachtfahrten aber waren das härteste daran.
Ich möchte die Zeit auch nicht schönreden, denn sie war sehr emotional – bei diesem Stück sowieso noch zusätzlich! Texte habe ich ehrlicherweise hier und da immer mal wieder vergessen, das hat mir aber jeder nachgesehen. Es wussten ja alle, dass ich sie rechtzeitig wieder draufhabe. Im Endeffekt war es eine gute Erfahrung, mehrere Stücke in einer so kurzen Zeit zu spielen. Diese Zeit hat aber auch geschlaucht; bis vor Kurzem hatte ich eine krasse Bronchitis – ich bin auch immer noch nur am Räuspern. Wenigstens war das sich Versetzen in die anderen Rollen in kurzer Zeit weniger das Problem, dafür waren sie alle zu unterschiedlich. Eine Cathy kann man nicht mit einer Tracy vergleichen oder „Saturday Night Fever“ mit „Jack The Ripper“. Und zum Glück kamen die Probenphasen versetzt zueinander, sodass ich einige Rollen schon konnte. Außerdem liebe ich jedes der Stücke, sonst hätte ich mich nicht darauf eingelassen. Dadurch merke ich immer wieder, wie viel mir dieser Beruf bedeutet.

Wenn du träumen könntest: Welche Rollen und in welchem Musical-Umfeld würdest du gerne in deiner Karriere noch spielen, ungeachtet von Type-Casting?

Oh Boy! Ich habe ja auch schon wirklich schöne Sachen gespielt, aber: Wenn ich mal groß bin, möchte ich auf jeden Fall noch eine Kate (aus „Kiss me, Kate“) sein – eine unfassbar tolle Rolle. Ich würde mich auch über makabre Rollen freuen, zum Beispiel bei „Sweeney Todd“. Ein bisschen „Les Mis“ würde mich auch nicht stören … Aber ehrlich gesagt, da ich mich selber eine lange Zeit auf mein Aussehen limitiert habe, hätte ich zum Beispiel auch nie gewagt zu träumen, mal eine Cathy zu spielen. Da habe ich mich immer sofort im Vorneherein schon aus der Gleichung rausgenommen. Dass ich diese Rolle jetzt verkörpern darf, hat mir erstmals Gefühle und Gedanken in andere Richtungen geöffnet und mir mehr Mut gegeben, mich für andere Rollen zu bewerben.
Mir als Engländerin liegt natürlich die Musical-Szene in Großbritannien am Herzen, genau wie die deutsche, in der ich vor allem arbeite und unterwegs bin. Musical ist in England viel traditioneller und jeder hat damit ganz alltägliche Berührungspunkte schon von frühester Kindheit an – das ist in Deutschland nicht so, finde ich. Auch wenn die Deutschen ein ebenso großes Herz für Musical haben, wird das hier oft unterkategorisiert und nicht so ernst genommen wie beispielsweise Oper, was ich schade finde. Schockiert hat mich aber dagegen in England – wo ich jetzt schon lange nicht mehr war wegen der vielen Arbeit – wie das Publikum sich dort mittlerweile teilweise gibt. Da habe ich letztens ein Mädchen gesehen, das seine Füße auf die Lehne gepackt und laut Nachos gegessen hat. Das gehört gar nicht ins Theater. Dafür sind Karten zu teuer und das Erlebnis zu besonders. Zum Glück bekomme ich sowas in Deutschland auf der Bühne noch nicht mit.

 
Overlay