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Die Hochschulgruppe Musical Inc. aus Mainz hat sich als erste Amateurtheatergruppe die Aufführungsrechte zum Broadway-Stück „Anastasia“ vom Autorenduo Lynn Ahrens und Stephen Flaherty („Ragtime“, „Rocky“) gesichert und bringt das Musical somit erstmals nach den Profi-Versionen in Stuttgart und Linz auf die Bühne. In einigen Aspekten kann diese Produktion auf beeindruckende Weise mit den Ensuite-Inszenierungen der Geschichte um die verlorene Zarentochter durchaus mithalten!
Das auf Don Bluths gleichnamigem, als Konkurrenzwerk zu Disney konzipierten Zeichentrickfilm von 1997 basierende Bühnenmusical wurde nach knapp einem Jahr Laufzeit in Stuttgart von Stage Entertainment hierzulande wieder eingestampft. Andernorts hatte das Stück mehr Erfolg, so neben den USA beispielsweise auch in Spanien und Japan. Die ausverkauften Vorstellungen der Musical Inc. zeugen vom Reiz des Stoffes und der überregionalen Beliebtheit des Vereins, der mit dieser Produktion nach bekannten Stücken wie „Rent“ oder „In The Heights“ bereits sein 16. abendfüllendes Musical bestreitet. Für eine Laiengruppe ist ein opulentes Werk wie „Anastasia“ durchaus ein Wagnis, lebt es in den Originalinszenierungen doch von großen Bildern und ausufernden Choreographien. Doch den hohen Anforderungen, die das Musical an den Verein stellt, wird er auch gerecht:
Zu den Highlights der Inszenierung gehören zweifelsohne die Choreographien von Clara Eckert. Sie versteht es, in die tänzerischen Abläufe die Einflüsse zeitgenössischer Stilrichtungen einfließen zu lassen. Ihre Tanzschrift spiegelt die unterschiedlichen Zeiten der Geschichte vortrefflich wieder, ebenso vereint sie durch Bewegungen Elemente verschiedener sozialer Schichten und Kulturen in sich. Von klassischen Hoftänzen der Zarendynastie bis zu beschwingten Charleston-Schritten der Pariser Haute-Couture, russischen Volkstanz-Elementen und Ballett-Anteilen bis hin zu klassischen Musical-Showcase-Tänzen ist in Eckerts Choreographie alles gegeben. Das Ensemble setzt die anspruchsvollen Tanzabläufe erstaunlich sicher, virtuos und mit energetischer Spielfreude um. Besonders stimmig sind die Choreos in den großen Gruppennummern „Was man redet in St. Petersburg“ im ersten Akt sowie „Paris hält die Lösung bereit“ und „Land, das einmal war“ im zweiten Akt, die allesamt Broadway-Magie versprühen. Außerdem erweist sich die Szene „Quartett beim Ballett“ als ein wahrer Showstopper, nicht zuletzt durch die wunderbare „Schwanensee“-Einlage des Ensembles. Volle Punktzahl für die Choreographien!
Die stimmigen und zeitgenössischen Kostüme von Alba d’Alesio und Emily Rohrbach warten mit einigen Hinguckern auf: Vor allem die wunderschönen royalen Roben der Adelsfamilie Romanov wissen zu beeindrucken. Alle Kostüme wirken darüber hinaus wertig und umrahmen die erzählte Geschichte mit ihren unterschiedlich situierten und geprägten Charakteren authentisch. Christian Hubers Lichtdesign unterstützt den visuell ansprechenden Eindruck der Produktion durch nuancierte Ausleuchtung und zahlreiche Lichtwechsel, die die variierende Stimmung sowie Dramatik unterstreichen und zudem auch gekonnt dafür genutzt werden, einzelne Figuren in monologischen Episoden in den Fokus zu setzen. Auch bei der in vielen Theatern oftmals gefürchteten Tontechnik muss sich die Musical Inc. nicht verstecken: Moritz Mahringer beweist als technischer Leiter des Stücks Präzision. Der Ton ist optimal und mit einem mutigen Griff zur höheren Lautstärke austariert, sodass weder Solisten noch Orchester oder Ensemble untergehen.
Elien Terelles Bühnenbild und Kira Hirchs Requisite sind im besten Sinne funktional, vermitteln zudem einen wertigen Eindruck. Bühnenhohe, in Aquarelloptik designte Hintergrundleinwände zeigen die Palastkulisse Sankt Petersburgs im ersten, sowie die Silhouette von Paris im zweiten Akt. Alle Mikroschauplätze von Ballsaal über Zugabteil bis zum Separee der Pariser Oper werden über nuanciert eingesetzte Requisiten vor dem großen Hintergrund der jeweiligen Stadt effektvoll dargestellt. Einzig bei den langen Reisepassagen im ersten Akt, in dem das Trio von Russland über Ungarn und Deutschland nach Frankreich gelangt, wirkt das statische Bild von Petersburg etwas verwirrend. Jonas Daniels und Vidhya Pfeifer schaffen es als Regie-Team, das große Ensemble in stimmigen Szenenbildern zu vereinen. Aufgrund der Größe der Truppe wirken einige Szenen vielleicht ungewollt etwas zu trubelig, sodass der Fokus zeitweise verloren geht. Zuweilen ziehen sich die Szenenübergänge außerdem etwas: Bis die neu aufgebaute Szene an Momentum gewinnt, vergehen nicht nur durch den nötigen Umbau wertvolle Sekunden und Minuten, sondern auch durch reichlich dramaturgisch nicht notwendige, stille Momente und in die Länge gezogene Szenenaufgänge. Die Stärke der Inszenierung von Daniels und Pfeifer liegt aber ohnehin in den gewollt ruhigeren und intimeren Szenen zwischen zumeist zwei Charakteren, in denen die Regie durch die richtigen Impulse und Präzision einige bewegende Momente kreieren kann, zu denen „Unter all den Menschen“ und die Reprise von „Im Dezember vor Jahren“ gehören.
Die Riege an Hauptdarstellern liefert eine solide Performance ab und es gelingt ihnen, souverän durch die Geschichte zu führen. Alternierend gibt es zwei Besetzungsgruppen – in der besuchten Vorstellung stand die Gruppe „Schwanenweiß“ auf der Bühne (die Hauptbesetzungen der Gruppe „Perlenglanz“ war in Ensemblerollen ebenfalls vertreten). Erik Aepfelbach als Dimitri überzeugt darstellerisch wie gesanglich auf ganzer Linie. Emotional facettenreich und mit professionellem Sprechduktus füllt er seine Rolle aus, der er stimmlich bei „Mein Petersburg“ besonders eindrucksvoll begegnet. Sebastian Killinger weiß in seiner gleichermaßen verhärmten wie zerrissenen Darstellung des sowjetischen Kommissars Gleb zu gefallen. Bei Ria Bess als Gräfin Lily kommt eine beeindruckende Kombination aus Bühnencharisma und Stimmgewalt zusammen, die in ihrem großen Solo „Land, das einmal war“ kulminiert. Die Momente, in denen Bess in ihrer Rolle agiert, stehlen allesamt die Show, im besten Sinne. Auch Finn O’Donnel-Hönow als Wlad und Helen Graffert als Zarenmutter füllen ihre Rolle trotz nicht immer einfach zu mimendem Altersunterschied zwischen Darsteller und Figur souverän aus. Graffert brilliert insbesondere im emotionalen Zusammenspiel mit Anya, die grundsympathisch von Sascha Hartmann gegeben wird, im zweiten Akt, durch welches das Publikum tief berührt wird, während O’Donnel-Hönow vor allem in den Szenen mit Bess im Duo eine wunderbar ulkige Chemie beweist, die in Form des Duetts „Die Gräfin und der Bürgersmann“ im Showstopper des Abends gipfelt. Hartmann gelingt es als Anya/Anastasia, die als Protagonistin durch die Geschichte begleitet wird, mit einer klaren Gesangstimme die großen Soli ihrer Rolle „Im Dezember vor Jahren“, „Im Traum“ und „Reise durch die Zeit“ schön zu präsentieren.
Zu Gänsehautmomenten und akustischem Hochgenuss ist die Gruppe aber vor allem in den Chorpassagen fähig. Das gesamte Ensemble klingt stimmgewaltig wie harmonisch in sämtlichen mehrstimmigen Nummern, wobei vor allem die neu arrangierte Version des Aktfinales in bleibender Erinnerung ist: „Reise durch die Zeit“ wird in dieser Inszenierung zu einem Lied umkonzipiert, das vom leisen Solo graduell in eine große Chornummer ausufert und das Publikum auf beeindruckende Weise in die Pause zum zweiten Akt entlässt, in dem das Ensemble direkt am Anfang mit „Paris“ bereits einen weiteren stimmlichen Höhepunkt kreiert.
Wenn die Choreographie und der Chor die Stärken der Musical Inc. sind, dann ist das Orchester die Geheimwaffe des Vereins. Selten wird die Partitur von „Anastasia“ so differenziert und nuancenhaft vertont wie unter der Leitung von Laurin Hess, der seinem 14-köpfigen Orchester Höchstleistung abverlangt. Und das zahlt sich aus: Allein die musikalische Untermalung der in bester Broadway-Manier komponierten Melodien lohnt schon den Besuch von „Anastasia“ in Mainz. Mal wuchtig-episch, mal leise und zart, mal mit lockerem Swing: Die Musiker entlocken den Liedern alles – und dabei nicht selten auch mehr als es beispielsweise die Stage-Produktion von „Anastasia“ vermochte.
Abschließend lässt sich also konstatieren: Was Musical Inc. hier auf die Beine gestellt hat, lässt abermals die Grenzen zwischen Laien- und Profitheater auf einigen Ebenen verschwimmen.
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KREATIVTEAM |
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Inszenierung | Jonas Daniels Vidhya Pfeifer |
Musikalische Leitung | Laurin Hess |
Choreografie | Clara Eckert |
Bühnenbild / Requisite | Elian Terelle Kira Hirch |
Kostüm / Maske | Alba D'Alesio Emily Rohrbach |
Technik / Lichtdesign | Moritz Mahringer Christian Huber |
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CAST (AKTUELL) |
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GALERIE |
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TERMINE |
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TERMINE (HISTORY) |
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Fr, 07.06.2024 20:00 | Theater im P 1, Mainz | Premiere | |||||||
Sa, 08.06.2024 20:00 | Theater im P 1, Mainz | ||||||||
Di, 11.06.2024 20:00 | Theater im P 1, Mainz | ||||||||
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Do, 13.06.2024 20:00 | Theater im P 1, Mainz | ||||||||
Fr, 14.06.2024 20:00 | Theater im P 1, Mainz | ||||||||
Sa, 15.06.2024 20:00 | Theater im P 1, Mainz | ||||||||
So, 16.06.2024 14:00 | Theater im P 1, Mainz | ||||||||
Mi, 19.06.2024 20:00 | Theater im P 1, Mainz | ||||||||
Do, 20.06.2024 20:00 | Theater im P 1, Mainz | ||||||||
Sa, 22.06.2024 20:00 | Theater im P 1, Mainz | ||||||||
So, 23.06.2024 14:00 | Theater im P 1, Mainz | ||||||||
Mi, 26.06.2024 20:00 | Theater im P 1, Mainz | ||||||||
Do, 27.06.2024 20:00 | Theater im P 1, Mainz | ||||||||
Fr, 28.06.2024 20:00 | Theater im P 1, Mainz | ||||||||
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