Maricel © Maricel Wölk
Maricel © Maricel Wölk

"Menschen mit meiner Kunst zu erreichen, ist für mich keine Selbstverständlichkeit." - Maricel im Interview

Musicaldarstellerin, Singer-Songwriterin, Regisseurin, Autorin, Weltenbummlerin und Hobby-Gärtnerin – Maricel ist so facettenreich wie die Rollen, die sie auf den deutschen Bühnen kreiert hat. In einem ausführlichen Interview erlaubt uns die Ausnahmekünstlerin einen ganz privaten Blick in ihre Seelenwelt. Wir erfahren nicht nur über ihren Werdegang, sondern auch von ihren Herzensprojekten und all dem, was Maricel im Leben und bei ihrer Arbeit fasziniert und vorantreibt. Außerdem verrät sie uns, wie es zu ihrem Treffen mit der japanischen Kronprinzessin kam, welche ihre lustigsten Bühnenpannen waren und warum sie von multiplen Persönlichkeiten fasziniert ist!

Ab wann war für dich klar, dass du Sängerin werden möchtest? Gab es ein Schlüsselereignis?

Als ich noch klein war, habe ich bemerkt, dass es bei uns im Hausflur durch den Hall einen wirklich schönen Klang gab. Das habe ich als Kind schon genutzt, um dort viele Lieder zu üben, die mir gefallen haben. Da habe ich damals schon ein bisschen meine Nachbarn terrorisiert! Es grenzt an ein Wunder, dass wir – oder vor allem ich – nicht rausgeworfen wurde! [lacht] Der bewusste Spaß am Singen war also schon sehr früh da. Der Gedanke: „Vielleicht werde ich eines Tages ja mal Sängerin!“ kam in der Zeit schon auf.

Maricel als Lucy in „Jekyll & Hyde“
© Maricel Wölk

Wann kam dann der Wunsch für Musicals dazu, oder war das eher Zufall?

Tatsächlich bin ich damals mit meiner Single „Still Waiting“ und einem Vertrag bei Universal Music in die Popmusik eingestiegen. Da war ich erst einmal mit meinen eigenen Songs beschäftigt. Musicals hatte ich da noch gar nicht so auf dem Schirm. Aber als ich „Jekyll und Hyde“ in Bremen gesehen habe, war ich komplett von den Socken! Trotz Plattenvertrags bin ich dann, weil mich das Ganze so geflasht und fasziniert hatte, nach Bremen zum Casting gegangen und habe mich – einfach mal aus Spaß – auf die Rolle der Lucy beworben, und wurde angenommen! Als das tatsächlich geklappt hat, wäre ich ehrlich gesagt fast vom Stuhl gefallen! [lacht] Ich war fast wie high vor Freude, diese Rolle bekommen zu haben und so euphorisch und extrem dankbar. So bin ich also erstmals in die Musicalwelt eingetaucht. Ich bin meiner Popmusik immer treu geblieben, aber ich bin dann immer mal wieder bei Musicals gelandet. Im Herzen bin ich Singer-Songwriterin. Meine eigenen Texte und Songs zu schreiben – das ist tief in mir verankert. Aber es treibt mich einfach auch immer wieder auf die Bühne, denn mein Herz schlägt auch für Musicals!

Du hattest das Glück, direkt mehrere Rollen in den deutschsprachigen Erstaufführungen zu prägen, u.a. Lucy in „Jekyll & Hyde“, Constanze in „Mozart!“ und Amneris in „Aida“. Was ist dir davon die liebste Figur und warum?

Ich finde, dass jeder Charakter ihr ganz Eigenes hat. Eigene Vorzüge, eigene Schwierigkeiten, aber vor allem eine eigene Berechtigung. Das ist so wie mit Musik: Ich finde viele Musikrichtungen und Songs gut und kann mich da gar nicht auf etwas Spezifisches festlegen. Aber natürlich ist Lucy meine erste große Rolle gewesen. Dafür war die Constanze erfrischend und frech. Amneris war vielleicht mein zu dieser Zeit größter Erfolg. Ich erinnere mich zum Beispiel noch an den Auftritt bei „Wetten, dass…?“ Es war einfach fantastisch, die Deutschlandpremiere von „Aida“ zu spielen und die deutsche Amneris prägen zu dürfen, den Charakter noch einmal formen zu können, und natürlich auch auf der deutschen CD gesungen zu haben! Diese Rolle fühlt sich mehr wie meine eigene an, da ich sie so prägen durfte.

Du hast in deiner Biographie allerlei bemerkenswerte Stationen gehabt. Beispielsweise hast du für die japanische Kronprinzessin gesungen. Wie kam es dazu und wie war das für dich?

Maricel als Amneris in „Aida“ © Maricel Wölk

Ich war extrem übermüdet und hatte den übelsten Jetlag, denn ich war zu der Zeit als Model und Sängerin auf Tour mit einer Firma, die Werbeauftritte für Schmuck gemacht hat. Diesen Schmuck habe ich damals musikalisch als kleines Konzert-Musical beworben. Damit wurden wir dann auch in Japan gebucht – und da war dann eben plötzlich die Kronprinzessin! Ich kannte mich damals überhaupt nicht in der Welt des Adels aus und hätte sie ehrlichweise niemals erkannt. Ich wäre garantiert an ihr vorbeigelaufen, hätte man mir nicht gesagt, wer sie ist. Dann war ich hellauf begeistert und ich habe direkt ein Foto mit ihr gemacht! Solche Leute trifft man ja auch wirklich nicht jeden Tag. Und sehr sympathisch war sie obendrein! [lacht]

Als Songwriterin bist du ebenfalls seit vielen Jahren aktiv. Was ist für dich dein Herzenssong deines bisherigen Oeuvres?

Das ist auch schwer zu sagen, denn jeder Song hat seine Berechtigung: Für die Zeit, in der er entstanden ist und für die Gefühle, die ich in den Momenten hatte. Jedes Lied hat mir zu seiner Zeit aus der Seele gesprochen oder Wünsche zum Ausdruck gebracht. Und – das habe ich erst später peu à peu bemerkt und auch für mich in den Musicals, die ich selbst geschrieben habe, entdeckt – sie tragen immer eine gewisse Botschaft in sich, die mich bewegt, was mir oft aber erst hinterher bewusst wird. Ich setze mich ja nicht mit dem Ziel an ein Lied, große Kunstwerke zu erschaffen oder tiefenpsychologische Texte zu schreiben – und doch merke ich oft hinterher, dass die Songs dann zu einem wesentlichen Baustein meiner Persönlichkeit oder Psychologie geworden sind. Sie beschreiben dann am Ende zum Beispiel etwas, was ich mir ersehnt habe, was mich als Menschen ausmacht oder was mich belastet hat. So hat jedes Lied für seine Phase seine Wichtigkeit, auch wenn man sich als Mensch vielleicht von dem im Song beschriebenen früheren Ich weiter entwickelt hat. Lieder sind letztlich wie Kinder für mich. Man kann sich als Mutter ja auch eigentlich nicht für ein Lieblingskind entscheiden! Letztendlich sind alle meine Lieder aus Liebe entstanden.

Aber vielleicht ist es schon so, dass der erste und der letzte Song einem im Gedächtnis besonders nahe sind. Den ersten vergisst man natürlich nie, das war „Still Waiting“. Und mein neuester Song „Musik im Blut“ ist mir natürlich auch besonders präsent, aber Herzenssongs sind sie alle!

Du kreierst auch bildende Kunst, heißt es auf deiner Homepage. Welchem Kunstgenre hast du dich verschrieben? Wie würdest du „deine“ Kunst beschreiben? Was gibt dir diese Art von Kunst, im Gegensatz zu Musik?

Maricel © M. Bosche

Ich persönlich empfinde Kunst, in welcher Form auch immer, als eine Handschrift. Alle Kunstformen sind im wahrsten Sinne ‚art-verwandt‘. Sie haben immer den gleichen Auslöser, die gleiche Wirkung und auch das gleiche Gefühl. Nur das Material ist anders. Bei Songs benutze ich die Stimme, beim Malen einen Pinsel, bei Texten bediene ich mich Wörtern und Sätzen. Letztlich ist der Auslöser und das Ziel das Gleiche: Etwas ist in mir und bewegt mich, das ich irgendwie sichtbar oder hörbar machen möchte. Klar kann ich einiges besser als anderes – Singen wahrscheinlich besser als Malen – aber die Hingabe ist die Gleiche. Ich kann mit jeder Kunst meine Persönlichkeit reflektieren und mich in gewisser Weise selbst finden. Wenn dabei dann etwas herauskommt, das Leute interessiert, freue ich mich natürlich sehr.

Gesang und das Vorstellen von Songs betreibe ich im Vergleich zu anderer Kunst viel öfter und bekomme direktes Feedback, was es besonders schön macht. Menschen mit meiner Kunst zu erreichen und ihnen etwas zu geben, ist für mich keine Selbstverständlichkeit. Es ist ein großer Antrieb und eine große Inspiration für mich, das tun zu dürfen. Trotzdem stehe ich auch zu einem großen Teil für mich selbst auf der Bühne. Die Kunst ist der Motor, der mich antreibt. Und nicht zuletzt finde ich nicht nur mich selbst, sondern auch sehr, sehr viel Spaß in jeglicher Art von Kunst!

Du warst auch schon regieführend hinter der Bühne für einige Projekte tätig. Was ist dir da besonders in Erinnerung geblieben?

Als Regisseur hat man eine sehr große Verantwortung, weil man im Gegensatz zum Darsteller alle Departments bedienen muss. Ich möchte damit die Verantwortung der Darsteller überhaupt nicht kleinreden – im Live-Moment auf der Bühne im direkten Kontakt mit dem Zuschauer zu stehen und nicht zurückspulen zu können, wenn etwas schiefgeht, ist eine große Verantwortung. Beim Regisseur läuft alles zusammen, was unglaublich fordernd ist. So todmüde bin ich noch nie ins Bett gefallen. [lacht]

Gleichzeitig ist es aber so, dass man auch fast unendlich viel Spielraum hat, der eigenen Fantasie sehr viele Möglichkeiten zuzugestehen. Natürlich ist nicht alles umsetzbar – Machbarkeit und Budget sowie das Theater limitieren selbstverständlich – aber gerade wenn man eingeschränkte Möglichkeiten hat, kann man die Fantasie umso mehr entfalten und ihr Ausdruck verleihen: Wege zu finden, trotzdem möglich zu machen, was man sich vorgestellt hat, beflügelt die Gedanken. Von den unterschiedlichen Departments werden einem als Regisseur viele Wünsche erfüllt, beispielsweise wenn der Bühnenbildner mit dir gemeinsam die Bühne kreiert. So wird das, was man im Kopf hat, lebendig. Der Austausch mit all den Departments schafft es außerdem auch, dass man sich selbst lebendig fühlt – und dieses Gefühl ist das, was ich mit der Arbeit als Regisseurin verbinde.

Und dann wäre da noch deine Tätigkeit als Musicalautorin – zum Beispiel für Dein Musical „Jeanne D’Arc“. Ist das Projekt für dich noch ausstehend? Kommt es noch auf die große Bühne oder ist das erstmal ad acta gelegt?

Maricel als Donna in „Mamma Mia!“ © Morric Mac Matzen

Natürlich ist es mir ein Ziel und großes Anliegen, mein Stück auf die Bühne zu bekommen, da ich sehr viele Jahre in dieses Stück investiert habe. „Jeanne D’Arc“ ist ein wirklich großes Herzensprojekt. Und gemessen an der begeisterten Reaktion des Publikums auf den Lesungen und Showcases in Lüneburg, kann ich gar nicht anders als mir dieses Stück auf die Bühne zu wünschen. Aber leider bin ich ja ’nur‘ die Autorin. Das heißt, da sind Produzenten und Theater gefragt, es auf die Bühne zu bringen. Man benötigt eine große Cast und ein tolles Orchester, ein historisches Bühnenbild, das der Größe des Stücks Rechnung trägt. Da ist das Budget zu groß, als dass ich es selbst auf die Bühne stellen könnte, wie es zum Beispiel jetzt bei meinem neuen Stück „Mörder unter sich“ der Fall ist. Das ist als Einpersonenstück deutlich einfacher zu realisieren.

Bisher hatte ich einen Verlag, dem ich „Jeanne D’Arc“ anvertraut hatte, aber leider hat er mich, um es milde zu sagen, da sehr enttäuscht. Nach einigen Jahren bin ich nun endlich wieder ‚frei‘, sodass es mir wieder zusteht, das Stück auch mit anderen Menschen realisieren zu können. Nun hatte ich in der Zwischenzeit „Mörder unter sich“ geschrieben, das jetzt erstmal gespielt werden wird. Im Januar 2025 wird es Premiere haben. Da mussten der Vertrieb und die Promotion für „Jeanne D’Arc“ erst einmal ruhen, aber danach werde ich mich nun wieder darum bemühen, auch dieses Stück auf die Bühne zu bringen. Also, ad acta wird da nichts gelegt, ganz im Gegenteil! Es ist so ein tolles Stück und die Leute, die es in Teilen erleben konnten haben mir gezeigt, dass es auf die Bühne muss!

Was inspirierte dich zum Schreiben dieses Musicals?

Als ich die Geschichte von Johanna von Orléans gelesen habe, sind mir die Bilder aus der Erzählung so im Kopf geblieben, dass sie mich nie mehr losgelassen hat. Ich habe mich da schon gefragt: Warum in Herrgotts Namen gibt es dazu noch kein Musical? Es schreit doch förmlich danach! So sind mir, als ich mich an das Stück gesetzt habe, die Szenen förmlich zugeflogen und die Songs quasi aus mir herausgeflossen. Ich konnte gar nicht mehr aufhören! Das war pure Leidenschaft, die mich vorangetrieben hat.

Natürlich war trotz allem viel strukturelle Arbeit und Recherche dabei, und die Arbeit am Stück hat mehrere Jahre beansprucht. Ich bin an alle historischen Orte gefahren – von Johannas Geburtsort in Domrémy-la-Pucelle über Orléans bis zum Vieux Marché in Rouen, wo sie letztlich auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde. Ich habe versucht, den Geist der Geschichte zu spüren und bin dabei meiner inneren Stimme gefolgt. Und das war spannend zu erleben: Die Idee, dass eine innere Stimme zur Jeanne D’Arc spricht, die trifft doch irgendwie auf uns alle zu, oder? Wir alle haben irgendwo auch eine innere Stimme, der wir folgen und der wir manchmal nicht vertrauen. Ganz unabhängig davon, ob wir diese innere Stimme jetzt religiös deuten oder nicht, kennt das doch jeder von uns! Die Leidenschaft, die diese unglaublich starke Frau vorantreibt, hat sich beim Schreiben auf mich transportiert, und ich glaube, dass man es dem Stück auch anmerkt.

Kit de Luca aus „Pretty Woman“ ist eine weitere Rolle, die du für eine deutschsprachige Erstaufführung übernommen hast. Leider war „Pretty Woman“ in Deutschland durch Corona ja kein allzu langer Lauf gewährt. Wie viel Kit steckt in Maricel oder wie viel Maricel steckt in Kit?

Ganz getreu nach der Hauptfigur in meinem neuen Musical „Mörder unter sich“, in dem es um eine Person geht, die verschiedene Persönlichkeiten in sich vereint, glaube ich, dass das bei mir und eigentlich allen anderen Menschen da draußen genauso sein dürfte: In jedem von uns stecken unterschiedliche Persönlichkeiten. Manchem ist es bewusst und manchem nicht so sehr. Ich zeige unterschiedliche Facetten einer Persönlichkeit, ob ich zum Beispiel meine Oma besuche oder in der Disco feiere – da gibt es schon Unterschiede! Insofern steckt sicher ein bisschen Kit auch in mir. Gerade was den Humor betrifft. Durch Kits humorvolle und freche Art ist sie zum Publikumsliebling geworden. Und diese Art steckt auf jeden Fall auch in mir, würde ich meinen! Was uns vielleicht eher unterscheidet: Kit hat eine ganz harte Schale und einen butterweichen Kern. Ich meine, dass man mir eher ansieht, dass ich ein künstlerischer und empathischer Mensch bin, der sich gar nicht die Mühe macht, eine harte Schale aufzubauen. Auf der Bühne wird man ja oftmals als eher unnahbar oder vielleicht sogar arrogant wahrgenommen. Aber ich für meinen Teil habe definitiv ein nicht so dickes Fell wie Kit!

Maricel als Kit de Luca in „Pretty Woman“ © Maricel Wölk

Tatsächlich war ich mir gar nicht so sicher, ob ich auf die Rolle passen würde, weswegen ich eigentlich auch gar nicht zum Casting gegangen bin. Durch ihre rockige Stimmauslegung bin ich an ihrer Figur auch noch einmal sehr musikalisch und stimmlich gewachsen und habe etwas geschafft, was mich selbst total überrascht hat!

Wie nah ist dir die Rolle der Donna in „Mamma Mia“?

Ähnlich wie mit Kit in „Pretty Woman“ habe ich mich als Donna in „Mamma Mia“ eigentlich erstmal gar nicht gesehen und hatte das Stück auch gar nicht auf dem Schirm. Ursprünglich hatte ich mein Musical „Mörder unter sich“ nämlich schon mit der Premiere 2024 angesetzt – und dann wurde ich für Donna angefragt, habe meine Musical-Premiere verschoben und auch erst dann angefangen, mich intensiv mit der Rolle zu beschäftigen. Die intensive Bindung zu einer erwachsen werdenden Tochter habe ich nie erlebt. Und doch war ich letztendlich immens überrascht, wie viel diese Figur doch mit mir zu tun hat: Das Gefühl, loslassen zu müssen. Das Gefühl, dass einem die Zeit davon rinnt. Dass die Zeit vor niemandem Halt macht. Wahnsinnig emotional und voller echtem Leben und Authentizität!

Du sagst öfters, dass du ziemlich orientierungslos bist. Bringt dich das manchmal in prekäre Situationen? Was ist die lustigste oder schwierigste Bredouille, in die du dich bisher manövriert hast?

[lacht] Das ist wirklich böse!

Ja, Orientierung ist wirklich nicht meine Stärke! Du kennst das sicher aus Filmen: Ein Paar streitet sich ganz aufbrausend, und die Frau haut wutentbrannt ab – und rennt dabei nicht zur Tür heraus, sondern versehentlich in den Kleiderschrank. Das bin ich! [kichert] Ein Kleiderschrank war es bisher bei mir noch nicht, aber definitiv schon oft die falsche Richtung. Das ist natürlich schon ziemlich peinlich in den Momenten. Aber da ich ein Mensch bin, der über seine Fehler herzhaft lachen kann, ist das auch immer wieder lustig. Ich nehme das also gar nicht so ernst.

Aber es ist schon schwierig, wenn man in großen Theatern unterwegs ist. Wie gerade bei der Tour „This is the Greatest Show“, die durch die größten Theater getourt ist. Da war der Aufbau bei dem einen oder anderen Haus gar nicht mal so leicht zu verstehen. In meinen Insta-Stories habe ich da Scherzvideos gemacht, dass die Backstage aufgeklebten Orientierungspfeile nur für mich dorthin geklebt wurden. Das stimmt natürlich nicht, aber sagen wir es mal so: Ich war sehr froh, dass sie da waren!

Was ist deine bisherige, lustigste Bühnenpanne?

Da gibt es so einiges! [lacht] Das Schlimmste daran ist, wenn die Kollegen die Pannen mitbekommen und sich dann über dich amüsieren – da muss ich mich sehr zusammennehmen, nicht mitzulachen!

Als Amneris ist mir bei „Mein Sinn für Stil“ das Kleid gerissen und der Reißverschluss hinten aufgeplatzt. Das wäre nicht so schlimm, wenn es nicht ein trägerfreies Kleid gewesen wäre! Da musste ich während des Songs und der Laufstegszene ganz unauffällig mein Kleid festhalten, damit da nichts rausfällt! Ebenfalls bei „Mein Sinn für Stil“ habe ich mal eine der zahllosen Federn verschluckt und durfte den Song mit einem halben Vogel im Hals singen. Das war auch sehr spektakulär!

Oder bei „Mozart!“ in der Neuen Flora: Da ist einmal der gesamte Webersche Wohnküchenwagen komplett nach hinten umgekippt und hat einen Abflug gemacht. Diese Panne konnte man nun wirklich nicht vertuschen! Wir als Webersche haben dann vorne rumgetanzt, während die Techniker hinten fieberhaft versucht haben, unseren Wohnküchenwagen wieder aufzustellen. Bei unserer Improvisationseinlage haben wir gemeinsam mit dem Publikum herzhaft gelacht – und das sind doch die schönsten Momente, die ehrlich gesagt unbezahlbar sind!

Wenn es keine Gender-, Geschlechts-, und Altersgrenzen für eine Rolle gäbe – welche Figur würdest du gerne mal verkörpern und warum?

Das merkt man bei meinem neuen Stück. „Mörder unter sich“ ist so geschrieben, dass eine Person mehrere unterschiedliche Rollen gleichzeitig darstellt. Das finde ich unheimlich spannend. Wie zum Beispiel „Jekyll und Hyde“. Immer wieder faszinierend, wie diese unterschiedlichen Persönlichkeiten funktionieren! Und auch „Jeanne D’Arc“ hat eine Nuance diese Thematik. Rollen, die die psychologischen Möglichkeiten des menschlichen Geistes erkunden, finde ich extrem faszinierend. Daher wäre es bei mir wahrscheinlich die Doppelrolle von Dr. Jekyll und Mr. Hyde, in die ich gerne mal schlüpfen würde!

Was war das schwierigste Lied, das du je auf einer Bühne gesungen hast?

Gesang und Songs sind auf unterschiedliche Art für mich „schwierig“. Wenn Maria aus „West Side Story“ hohe, klassische Töne singt, sind die für mich anspruchsvoll, ebenso wie ruhige Töne wie bei „Tightrope“ oder das Rockig-Roughe bei Kit in „Pretty Woman“. Wenn ich mir die CD von „Aida“ anhöre und da das Lied „Mein Sinn für Stil“ rekapituliere, muss man aber schon sagen, wie ich da rumgerifft habe, und diese hohen Töne am Ende schreie – das war auch anspruchsvoll!

Maricel als Mrs. Lovett in „Sweeney Todd“ © Maricel Wölk

Was machst du, wenn du frei hast – keine Lieder komponierst und auch sonst nichts Künstlerisches tust? Maricel auf der Couch beim Netflix schauen – gibt es dieses Bild, oder bist du einfach zu aktiv für sowas?

Ja, ich liebe Netflix! Ich wünschte mir zwar, Netflix wäre etwas unabhängiger, aber ich gucke es trotzdem ziemlich oft. Fernsehen schaue ich sonst gar nicht. Man findet mich eher in der Natur. Im Garten oder im Wald. Seit ungefähr sechs Jahren bin ich plötzlich ein Landei geworden. Davor habe ich mich aufgrund meines Berufes und der Wohnlage in der Nähe der Theater immer für ein Stadtkind gehalten. Ich hatte meistens Zwei-Zimmer-Wohnungen ohne Balkon und Pflanzen. Wenn ich mal einen Kaktus hatte, ist selbst der gestorben. Bei mir hat da wirklich nichts überlebt! [lacht]

Mein jetziges Haus ist deutlich ländlicher gelegen und ich genieße das sehr! Ich bin ein richtiger Dreckspatz – ich wühle in der Erde, pflanze Tomaten, Salate und Gurken an. Meine Leidenschaft für den Garten ist groß – und für eigenes Gemüse! Es ist schon extrem beeindruckend, wie aus einem Mini-Samen Pflanzen entstehen, die mir Essbares schenken. Das grenzt an – nein, das IST – ein Wunder, das ich für mich erst spät entdeckt habe.

Welches Land, das du bisher besucht hast, gefällt dir am besten?

Ich bin privat ziemlich viel rumgekommen und war ja auch als Sängerin viel unterwegs. Länder wie Australien oder Thailand haben eine unglaubliche Natur. Auch naheliegende Ziele wie die Schweiz oder Österreich sind, was Natur angeht, wirklich umwerfend. In Städten bin ich zwar auch gerne immer mal wieder für kurze Zeit, aber Länder mit schönen Landschaften beeindrucken mich am meisten. Wenn man das mit Begegnungen mit den Menschen, die dort leben, kombinieren kann, entstehen Momentaufnahmen, die die Erinnerungen prägen. Da gab es einige Zufallsbegegnungen in Australien, die mir sehr im Herzen geblieben sind. Oder die Erinnerung, wie ich dort mit Kängurus am Strand Fotos geknippst habe und ich dachte, ich träume. Das hat mich besonders bewegt.

Aber ich muss auch sagen, dass ich auch immer wieder gerne nach Hause komme! Deutschland hat so wundervolle Ecken, schöne Natur, tolle Ortschaften und auch wunderbare Menschen! Wir müssen uns mal ein bisschen selbstbewusster zeigen! Ich reise auch innerhalb von Deutschland gerne – zum Beispiel liebe ich den Schwarzwald oder das Allgäu!

Wenn du eine Botschaft in die Welt senden könntest, welche wäre sie?

Etwas pathetisch, aber aus dem Herzen gesprochen, ganz einfach das, was „Miss Undercover“ sich wünscht: den Weltfrieden! Ich wünschte mir, dass die Menschen die Liebe in den Vordergrund stellen und sich selbst nicht so ernst nehmen. Und das geht auch im ganz Kleinen. Kriege werden auf der großen Weltbühne ausgetragen, aber entstehen doch auch oft im Kleinen. Und wir alle, finde ich, können damit anfangen, miteinander besser auszukommen, wenn man sich selbst weniger wichtig nimmt. Wir können versuchen, die anderen Perspektiven mehr zu verstehen. Und wenn dem so wäre, dann hätten wir alle viel mehr Spaß und Möglichkeiten miteinander. Ich wünsche mir sehr, dass wir mehr ‚miteinander‘ als ‚gegeneinander‘ sind!

Liebe Maricel, diesem Wunsch schließen wir uns gerne an. Wir danken dir für dieses authentische und sympathische Interview, durch das wir und unsere Leser mit Sicherheit noch mehr Facetten deiner Persönlichkeit kennen gelernt haben! Für dein neues Musical wünschen wir dir „Toi Toi Toi“ und wir hoffen, dich bald wieder auf der Bühne zu sehen!

 
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