Thomas Hüstermann (Aramis), Kai Ruppek (Athos), Floran Lake (Porthos), Jörn Tallen (D'Artagnan) © Emsländische Freilichtbühne Meppen
Thomas Hüstermann (Aramis), Kai Ruppek (Athos), Floran Lake (Porthos), Jörn Tallen (D'Artagnan) © Emsländische Freilichtbühne Meppen

3 Musketiere (2024)
Emsländische Freilichtbühne e. V., Meppen

Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
 

Die Emsländischen Freilichtbühnen in Meppen unter der Intendanz von Iris Limbarth haben spätestens vergangene Spielzeit mit ihrer opulenten Version von „Sister Act“ bewiesen, dass sie in der Musical-Freilichtszene durchaus oben mitspielen können. Auch bei „3 Musketiere“ macht die Inszenierung vieles richtig und verbucht nur wenige Abstriche.

Hierzulande viel und gerne gespielt, ist das Bolland-und-Bolland-Stück beim eher traditionell orientierten Musicalpublikum in Deutschland eigentlich immer eine sichere Bank. Dabei hat André Breedlands Buch wirklich seine Längen und auch die Songs von Rob und Ferdi Bolland gehören durch den etwas zu bunt gemischten Score nicht zu den harmonischsten Kompositionen der Musicallandschaft. Aber Iris Limbarth holt das Beste aus der Vorlage heraus, wenngleich es auch ihr nicht gelingt, sämtliche Schwächen des Originals zu übertünchen.

Auf der Haben-Seite dieser Inszenierung steht zweifelsohne das opulente Bühnenbild von Britta Lammers, das die sehr breite Open-Air-Bühne in Meppen vollends ausfüllt. Eine beeindruckend kunst- und fantasievoll designte, spätmittelalterlich anmutende Häuserkulisse mit leuchtenden Fenstern und Türen stellt Paris und die Hafenstadt La Rochelle dar. Schätzungsweise über vier Meter hohe, mehrseitig mit Motiven bedruckte, säulenartige Versatzelemente bringen Dynamik in den Szenenwechsel und können – lückenlos zusammengesetzt – einen Theatervorhang abbilden, vor dem das Gauklertheater von D’Artagnans Heldenreise berichtet. Um 180 Grad gedreht, zeigen die Elemente sakrale Ikonographie und kunstvoll abstrahierte Architektur der französischen Hauptstadt, um Szenen mit Kardinal Richelieu optisch zu umrahmen. Leuchtende, aufgebrochene Bilderrahmen ragen aus dem Bühnenbild, was den eher fiktiven als historischen Ursprung der Geschichte suggeriert. Eine große, verschiebbare Bühnentreppe, auf deren Mauerseite die Fleur-de-Lys prangt, wird für dramatische Szenen im Königsschloss genutzt.

Auch Heike Korns Kostümbild ist ein visueller Genuss: Die gerade bei den Hauptfiguren äußerst detailgenau, opulent und liebevoll gestalteten Gewänder beeindrucken. Dabei stechen vor allem die schneeweißen Roben des Königspaares, Miladys ikonische Trachten und das leuchtend rote Gewand des Kardinals hervor, doch auch die Musketiere und Constanze sind mit viel Liebe zum Detail eingekleidet. Das Ensemble sorgt beim Ballauftritt ebenfalls für Staunen im Publikum, so prachtvoll und farbenfroh sind auch die weniger detailliert ausgearbeiteten Kostüme. Besonderen Szenenapplaus erhält zudem das Kostüm der etwas ranzigen Mähre ‚Pomme de Terre‘, das absichtlich etwas abgewrackt daherkommt. Die Requisite ist gespickt mit starken Bildern von lodernden Fackeln an den Schlosswänden bis zu authentischen Musketen und einer großen Feldkanone, die durch eindrucksvolle Pyrotechnik zum Zug kommen.

Das Lichttechnik-Team liefert grandiose Arbeit und unterstützt die Szenenstimmungen durch sehr dominantes Licht mit schöner Theatralik. Neben den dramatisch ausgeleuchteten, in Rot getauchten Szenen des Kardinals und dem eiskalten Blau bei Athos‘ Solo „Engel aus Kristall“ wirkt vor allem die Lichtgestaltung des Feuerwerks zum Königsball durch die optische Einbindung des Forsts hinter der Bühne sehr erinnerungswürdig. Die insgesamt visuell eindringlichste Szene, in der die Arbeit aller Ressorts grandios ineinander greift, ist die Überfahrtszene im zweiten Akt, bei der das eindrucksvoll konzipierte Schiff in gespenstisches Licht, Blitzeffekte und Bühnennebel gehüllt wird.

Die Soundtechnik sorgt für einwandfrei klaren sowie satten und angenehm lauten Klang, bei dem Musik und Darsteller in perfektem Verhältnis abgemischt sind. Fairerweise muss dazu gesagt werden, dass die Musik hier voraufgenommen wurde und daher die vielen Soundkanäle, die für ein Live-Orchester zur Mischung dazu kämen, hier nicht ins Gewicht fallen und das Abmischen erleichtert. Die leider nur eingespielte Orchestrierung wurde vom Staatstheater Wiesbaden vorgenommen und klingt hochwertig, kraftvoll und nuanciert, was ein tröstender Kompromiss ist.

Mit den Tanzchoreographien, die Limbarth zweifelsohne schon metierbedingt virtuos zu stellen weiß, hat man es in dieser Inszenierung stellenweise zudem etwas zu gut gemeint. Szenen wie „Milady ist zurück“ oder „Nicht aus Stein“ sind mit vielen freudig tanzenden Hintergrunddarstellern gespickt, die vom Ernst der Botschaften, der Dramatik der Lieder und dem Fokus auf die Hauptfiguren ablenken. In den Ensemblenummern wirken die Tänze allerdings immer passend und die Stimmung unterstreichend.

Die eigentlich ausgesprochen facettenreichen, abenteuerlichen und dynamischen Fecht- und Kampfchoreographien von Jan-Philip Hilger dagegen werden vom Ensemble oftmals zu bedacht und zurückhaltend ausgeführt, sodass vor allem bei den ersten Kampfszenen wenig Zug entsteht. So wird durch die Vorsicht aller Beteiligten der eigentlich sehr handlungsrelevante Fechtkampf, in dem sich D’Artagnan als überaus begabter Kombattant entpuppt, fast schon langweilig dargeboten. Zum Glück wird vor allem im zweiten Akt dann doch hingebungsvoller gekämpft und gerade im Endkampf und den Fechtszenen mit Milady entstehen echte Wow-Momente.

Die Umbauten erfolgen trotz vieler Requisiten und schierer Bühnengröße zwar erfreulich schnell und vor allem fließend und werden durch Umbaumusiken begleitet, was andernorts oftmals nicht genutzt wird, aber die hierfür gewählten Melodien passen zumeist so gar nicht in die Intermezzi der Geschichte und wirken der Stimmung des Erzählflusses oftmals zugegen. Den Meppener Zuschauer wird das nicht weiter stören – ohnehin ist das Publikum hier bemerkenswert redselig und laut, weswegen jede volltönende Musik Balsam für die Konzentration derjenigen Zuschauern sein wird, die sich ernsthaft auf das Stück konzentrieren wollen. So viele krachende Bierdosen, zerschellende Weingläser, ploppende Sektflaschen, knisternde Chipstüten und wandernde Publikumsteilnehmer gibt es wohl sonst nur im Fußballstadion. Die wackeren Darsteller, die gegen diese nicht respektlos gemeinte, aber durchaus so interpretierbare Geräuschkulisse ohne Theateretikette ankämpfen und konzentriert bleiben müssen, ohne aus der Rolle zu fallen, haben ein besonderes Lob verdient.

Die sehr theatralischen Lieder fordern eine starke performative Präsenz, sowohl stimmlich als auch schauspielerisch. Dem wird die männliche Darstellerriege zum Teil wegen zu zurückhaltendem Spiel oder nicht ganz ausreichender stimmlicher Bandbreite nicht vollends gerecht, sodass sich einige Szenen und Lieder insgesamt etwas wie Fremdkörper anfühlen. Auch wenn sie als Titelhelden etwas blass zurückbleiben, machen Florian Lake (Porthos), Thomas Hüstermann (Aramis) und Kai Rupek (Athos) ihre Sache als Musketiere solide und bestechen durch ihre freundschaftliche Bühnenchemie zueinander, die ihnen die Sympathien des Publikums einbringen. Oliver Schulte gibt mit Rochefort einen ernstzunehmenden Antagonisten, während Thomas Lake als König Ludwig royale Erhabenheit ausstrahlt. Jay Kampmeier als Butler James und Wiebke Billek als Conférencier tragen eine ähnliche schauspielerische Präsenz zutage, die ihren kleinen Comedy-Rollen perfekt zu Gesicht steht und ihnen zurecht einen großen Beifall beim Schlussapplaus einbringt. Leonard Linzer überzeugt trotz seines jungen Alters in der reifen Charakterrolle des erhabenen Kardinals Richelieu besonders schauspielerisch. Jörn Tallen gibt D’Artagnan mit schöner Singstimme und viel Leidenschaft im Schauspiel, vor allem in den düsteren Szenen, zum Besten.

Den drei weiblichen Hauptdarstellerinnen gebührt an diesem Abend allerdings das Rampenlicht besonders. Deborah Pante interpretiert ihre Constanze leidenschaftlich und mädchenhaft. Und – auch wenn das nach einem ominösen Kompliment klingt – stirbt sie sehr überzeugend, was nicht allen DarstellerInnen gelingt. Darüber hinaus singt sie mit starkem Sopran gefühlvoll und anrührend. Auch Jana Schnöing als Königin Anna ist ein Highlight dieser Inszenierung: Schauspielerisch facettenreich trägt sie die innere Anspannung der Herrscherin nach Außen und überzeugt auch in den leidenschaftlich getriebenen Szenen ihrer Figur.

Die Krönung der Meppener „3 Musketiere“ kommt in Gestalt von Julia Felthaus als Milady de Winter daher. Stimmgewaltig und die Bühne mit jedem Auftritt beherrschend, brilliert sie vor allem in den tragischen Momenten der Geschichte. Sie füllt ihre Milady mit Selbstironie, Verdruss auf die Welt und schlummernder Leidenschaft. Ihre Soli „Milady ist zurück“ und „Männer“ sind mächtig, während sie „Wo ist der Sommer?“ sehr berührend interpretiert. Der gesangliche Höhepunkt des Abends ist „Wer kann schon ohne Liebe sein“, das Terzett von Constanze, Anna und Milady, in dem ein Funken Broadway-Magie die Emsländische Freilichtbühne erhellt. Meppen ist auch in dieser Open-Air-Saison einen Besuch wert!

 
Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
KREATIVTEAM
MusikRob Bolland
Ferdi Bolland
BuchAndré Breedland
Inszenierung, ChoreografieIris Limbarth
Musikalische LeitungJason Weaver
KostümbildHeike Korn
BühnenbildBritta Lammers
 
Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
CAST (AKTUELL)
D’ArtagnanJörn Tallen
D’Artagnans Vater / Chabrol, der Wirt / GastwirtThomas Kemper
PorthosFlorian Lake
AramisThomas Hüstermann
AthosKai Rupek
Cardinal RichelieuUlrich Kaßburg
Leonard Linzer
Milady de WinterJulia Felthaus
Königin Anna von ÖsterreichJana Schnöing
Heike Wösten
Constanze BonacieuxDeborah Pante
RochefortOliver Schulte
Lord BuckinghamFrank Hildebrandt
König LudwigThomas Lake
BootsmannHelge Drosten
1.Gardist / BonacieuxStefan Over
JamesJay Kampmeier
ConférencierWiebke Billek
D’Artagnans Mutter / GardistSonja Kaßburg
SängerinInge Tibben
Gräfin du Bout, Hofdame des KönigsHeidi Drenger
Hure 1 / SchauspielerinJohanna Westrup
Hure 2 / ArtistinMaja Pater
Hure 3 / GardistLena Hüser
Hure 4Ina Streeck
SchauspielerinCarolin Devermann
GardistJulia Hüer
3 Damen im HafenMiriam Dojan
Fabia Jansen
Daniela Strodt
Junge Dame in ParisAyleen Wolters
Schauspieler / GardistJannik Thole
Pommes de TerresNiko Hüser
Max Egbers
Freund D’Artagnans / Pommes de Terres / GardistFalk Strecker
Freund D’Artagnans / GardistHenry Niesing
Freund D’Artagnans / GardistFlorian Janssen
Maarten Kaßburg
Freund D’ArtagnansMax Brümmer
Freund D’ArtagnansJohannes Platt
3 MöncheNiklas Berentzen
Max Egbers
Niko Hüser
EnsembleJay Kampmeier
Wiebke Billek
Sonja Kaßburg
Inge Tibben
Heidi Drenger
Johanna Westrup
Maja Pater
Lena Hüser
Ina Streeck
Carolin Devermann
Julia Hüer
Miriam Dojan
Fabia Jansen
Daniela Strodt
Susanne Voskuhl
Ayleen Wolters
Jessica Rolfes
Marina Kiltau
Thomas Kemper
Frank Hildebrandt
Thomas Lake
Helge Drosten
Stefan Over
Jannik Thole
Niko Hüser
Max Egbers
Falk Strecker
Henry Niesing
Florian Janssen
Maarten Kaßburg
Max Brümmer
Johannes Platt
Niklas Berentzen
  
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TERMINE
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TERMINE (HISTORY)
Sa, 22.06.2024 20:00Emsländische Freilichtbühne, MeppenPremiere
Fr, 28.06.2024 20:00Emsländische Freilichtbühne, Meppen
Sa, 29.06.2024 20:00Emsländische Freilichtbühne, Meppen
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