Tobias Steffen (Seymour) und Carina Krämer (Audrey) © Nico Kleemann
Tobias Steffen (Seymour) und Carina Krämer (Audrey) © Nico Kleemann

Der kleine Horrorladen (2024)
Das Da Theater, Aachen

Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
 

Maren Dupont und Tom Hirtz bringen den Klassiker „Der Kleine Horrorladen“ mit modernem Anstrich auf die Freilichtbühne in die Burg Wilhelmstein in Würselen. Mit einem enorm hohen Bühnenbild über mehrere Ebenen erreicht das Spiel des starken Ensembles auch das Publikum in den oberen Sitzrängen mühelos. Audrey II, frech, fordernd und zunehmend bedrohlich (grandios in Stimme und Bewegung von Matthias Boeryd bzw. Dennis Papst bespielt), sowie die Tiefe der verlorenen Seelen Seymour (Tobias Steffen) und Audrey (Carina Krämer) führen den Zuschauer an eigene Abgründe und die Lebensfragen: Wie weit bist du bereit zu gehen, um deine Träume zu verwirklichen? Und: Wer willst du sein?

Seymour scheint den verwahrlosten Blumenladen seines Ziehvaters Mr. Mushnik mithilfe einer mysteriösen Pflanze doch noch retten zu können. Das schindet Eindruck bei der von ihm umschwärmten Angestellten Audrey. Der gute Wille schwindet jedoch unter dem anschwellenden Blutdurst der Pflanze und die Geschichte nimmt einen mörderischen Verlauf. 

Dupont und Hirtz lassen die drei Musen Johanna Kuhlmann, Nina Rehn, und Celina Höbel, dauerhaft optisch präsent die Geschichte erzählen und begleiten. So zieht sich eine gewisse Mystik durch die gesamte Story: Keine der anderen Figuren nehmen die Musen wahr, sodass sie als Verbündete des Publikums einerseits und des Schicksals andererseits in Aktion treten. Die allwissenden Musen geben jedoch von Anfang an zu, dass sie das Ende nicht verraten werden, womit sie ihre Mystik unterstreichen. Genussvoll gehen Kuhlmann, Rehn und Höbel in diesem Part auf: Als einzige Figuren eine zeitlose Ästhetik bedienend und entsprechend gestylt sowie in Gesang und Choreographien heben sie sich enorm – vor allem optisch – von allen anderen Figuren ab, die z.T. hart um ihr (Über-) Leben im Alltag kämpfen.

Billig und heruntergekommen, jedoch modern und den Rollen entsprechend wirken die Kostüme, die Rebekka Rück und Frank Rommerskirchen den Figuren, die sich in der Skid Row bewegen, zugedacht haben. Der Kunstlederrock Audreys scheint früheren Zeiten aus dem Striplokal zu entstammen. Seymour kommt in verwaschener Alltagskleidung anfangs eher tumb daher. Der billige Anzug von Mr. Mushnik kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier mehr Schein als Sein im Spiel ist. Der Zahnarzt und Lebensgefährte Audreys, Dr. Orin Serivello, wirkt in auffallendem Glitzeranzug und Netzoberteil dunkel und kalt – wie die Rolle es verlangt.

Das Bühnenbild von Judith Meyer und Frank Rommerskirchen ist mit einem drei-etagigen, mit großen bedruckten Stoffbahnen behangenem Baugerüst im Hintergrund gestaltet. Die Vorhänge stellen heruntergekommene Hausfassaden der Skid Row dar. So wird die geringe Grundfläche der kleinen Bühne optimal genutzt, um die überschattete, düstere Atmosphäre der Geschichte anzudeuten und um, über dem eigentlichen Geschehen anscheinend schwebend, die weitere Sphäre der singenden Musen darzustellen. Bei Entwicklungsschüben der Figuren kommt Bewegung ins Spiel und in das Armenviertel, indem ein Umherirren zwischen den Fassaden sie am Ende wieder vor bzw. in dem kleinen Blumenladen Mushniks ankommen lässt. 

Am linken Bühnenrand ist eine kleine Drehbühne angebaut, die weitere Spielorte wie die Zahnarztpraxis oder die Traumszene Audreys beheimatet. Umbauten finden hier im Verborgenen statt, sodass ein reibungsloser Spielablauf möglich ist. Zahlreiche Requisiten zieren Blumenladen, Traumszene und Zahnarztpraxis.

Der markanteste Teil der Ausstattung ist eine Ausleihe des First Stage Theaters Hamburg. Hierher stammen die drei Ausführungen der Audrey II, die von Mathias Boeryd und Dennis Papst Leben eingehaucht bekommen. Boeryd verleiht Audrey II eine unnachahmlich markante, sonore Stimme, die mitunter sehr bedrohlich wirkt. Die (Mund-) Bewegungen der Puppen durch Dennis Papst sind stets auf den Punkt. Dem gemeinsamen Spiel ihrer Puppen zu folgen, macht großen Spaß. Immer wieder macht sich die Pflanze im Hintergrund bemerkbar und zieht die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich.

Tobias Steffen beeindruckt stimmlich als Seymour. So unscheinbar der junge Mann in abgetragenem Alltagsoutfit wirkt, bezaubert er mit seinem klaren und gefühlvollen Bariton-Gesang und lässt die Zuschauer die Zerrissenheit seiner Figur während und aufgrund ihrer Entwicklung authentisch miterleben. Da ist einerseits der nachvollziehbare Wunsch nach einem besseren Leben und die anhaltende Sehnsucht nach Liebe seit Kindertagen, durch die Seymour sich andererseits dazu verleitet sieht, seine Menschlichkeit zu verlieren. So sorgt Tobias Steffen vor allem in stillen Spielmomenten für Gänsehaut – wie beim Einstecken der Pistole, entschlossen für ein besseres Leben über Leichen zu gehen.

Carina Krämer gibt ihrer Figur Audrey ebenfalls ein breites Profil: Krämer macht transparent, wie gut Audrey und der ebenfalls gebrochene Seymour zusammenzupassen zu scheinen. Audrey hat trotz widriger Lebensumstände von klein auf immer an ihre Träume geglaubt und von einer besseren Zukunft geträumt. So trifft Krämer mit ihrem Song „Im Grünen Irgendwo“ mitten ins Herz. Dass einem glücklicherem Leben ihr geringer Selbstwert und nicht unbedingt fehlendes Geld und Ruhm im Wege stehen, mag man ihr zurufen und hinterfragt sich doch auch wieder selbst.

Die Bösewichte der Story, Mr. Mushnik (Maico Claßen) und Dr. Orin Scrivello (Timo Aust), überzeugen durch enorme Spielfreude und treffsicheren Gesang. Sie zeigen klar auf, dass auch die dunkle Seite zu jedem Menschen dazu gehört, es aber einem selbst obliegt, sich dafür oder dagegen zu entscheiden, diese auszuleben.

Die Choreographien von Eveline Gorter, meist auf die Figuren der Musen beschränkt, gegen Ende auch vom gesamten Ensemble groß und synchron vertanzt, bringen mit Schwung und Spannung Tempo in die Geschichte. 

Die musikalische Begleitung unter der Leitung von Christoph Eisenburger ist durch die vierköpfige Band leider etwas dünn besetzt und zeitweise unglücklich abgemischt, sodass gerade bei den ersten Songs der Gesang unter der Synthesizer-Musik zu verschwinden droht.

Insgesamt ist die Open-Air-Produktion auf Burg Wilhelmstein eine spaßmachende Inszenierung der Geschichte um die mörderische Pflanze und die Profitgier der Gesellschaft, die an manchen Stellen auf aktuelle Einflüsse nicht verzichten will: Bei Audreys erfüllender Zukunftsversion „Im Grünen Irgendwo“ darf auch der Thermomix in der Küche nicht fehlen.

 
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KREATIVTEAM
InszenierungMaren Dupont
Musikalische LeitungChristoph Eisenburger
ChoreografieEveline Gorter
BühnenbildJudith Meyer
Frank Rommerskirchen
Kostüme, AusstattungRebekka Rück
Frank Rommerskirchen
 
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CAST (AKTUELL)
SeymourTobias Steffen
AudreyCarina Krämer
Mr. MushnikMaico Claßen
Zahnarzt / Arbeiter / Kunde / Radiomoderator / BernsteinTimo Aust
CrystalNina Rehn
ChiffonCelina Höbel
RonetteJohanna Kuhlmann
Audrey 2 / Obdachloser / Typ / PatientMathias Boeryd
Puppenspieler / ObdachloserDennis Papst
Strassengirl 1/ Influencerin / Journalistin 1 / KundinSammy-Jo Wooley
StatisterieLinja Dupont
Lukas Eisenburger
Zeynep Han
Amelie Hintzen
Anouk Langohr
Rebekka Rück
Sarah Schünemann
Zhoucheng Si
Manina Theml
Katharina Weike
BandChristoph Eisenburger/Johannes Still
Tom Schreyer
Lea Lingen/Tom Schmit
Lukas Dahle
  
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TERMINE
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TERMINE (HISTORY)
Do, 06.06.2024 20:00Burg Wilhelmstein, WürselenPremiere
Fr, 07.06.2024 20:00Burg Wilhelmstein, Würselen
Sa, 08.06.2024 20:00Burg Wilhelmstein, Würselen
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