Traumberuf Musicaldarstellerin: Doch was ändert sich, wenn das Hobby zum Beruf wird? Lena Wischhusen (19), Studentin an der German Musical Academy in Osnabrück über Traumrollen, Auftrittspraxis und Konkurrenzdruck an großen und kleinen Musicalschulen.
Wenn man sein Hobby zum Beruf macht und Musicaldarstellerin wird, verändert sich dann der eigene Blick aufs Theater?
Ja, absolut. Man wird viel kritischer, schaut vielmehr hin. Wenn dann jemand einen Fehler macht, den sieht man sofort. Wenn sich jemand vertanzt, wenn jemand auf der Bühne privat wird oder wenn jemand eigentlich eingefroren stehen soll und dann zuckt plötzlich ein Finger. Darauf hätte man früher nie so geachtet. Man guckt viel mehr auf Details und wird auch negativer, das ist leider so.
Das heißt, die Bühne verliert ihren Zauber?
Nein, überhaupt nicht. Wenn jemand auf der Bühne richtig toll ist, dann sitzt man da und denkt: Wow! Das kann man dann umso mehr genießen. Ich war zum Beispiel jetzt zweimal im „Tanz der Vampire“ und Thomas Bochert hat mich absolut begeistert und gefangen genommen. Für solche Leistungen wird man sensibler.
Was bedeutet für Dich das auf der Bühne stehen?
Singen, das ist für mich einfach alles. Das liebe ich total und daran kann mich niemand hindern. Ich stelle jetzt fest, dass ich auch im Schauspiel ganz gute Noten bekomme, aber das singen ist und bleibt für mich der Mittelpunkt.
Und der Tanz als dritte Komponente?
Ja, das ist dann so eine Sache (lacht). Ich tanze zwar auch gerne, aber ich bin schon von der Figur her keine Tänzerin. Ich bin zu groß und zu schwer dafür und habe wenig Lust, mir dafür die Figur anzuhungern. Da setze ich meine Schwerpunkte dann eben doch eher bei den anderen beiden Sachen.
Du bist in Osnabrück an einer kleineren Schule, welche Vor- und Nachteile kann das haben?
Es ist schon klar, dass bei den Auditions die Leute erstmal auch auf die Zeugnisse gucken und da die Leute von den großen Schulen wie Stage School oder Folkewang eindeutig Vorteile haben. Wir müssen dann noch mal 100% mehr geben und noch überzeugender sein. Auf der anderen Seite hat so eine kleine Schule den Vorteil, dass der Druck nicht so groß ist. Ich kann besser lernen, wenn ich mich wohlfühle und nicht, wenn ich unter Druck gesetzt werde. Da ist so eine kleine Schule dann besser. Ich fühle mich schon auch gefordert, aber ich habe da Platz, mich zu entwickeln und die Förderung ist individueller.
Wie ist es denn generell mit dem Konkurrenzdruck schon an der Schule?
Klar hatte ich auch totale Angst vor dem Zickenkrieg, von dem ich auch schon viel gehört habe und den es an den größeren Schulen wohl auch gibt. Hier ist der Vorteil, dass wir nur wenige Leute sind und einfach von vornherein verschiedene Typen haben. Da ist also keiner doppelt „besetzt“ und das findet daher nicht so statt.
Du hast auch an Wettbewerben wie „Jugend musiziert“ teilgenommen und auf Bundesebene 2003 den zweiten Platz belegt. Hilft das für die Ausbildung?
Auf jeden Fall. Da lernt man schon, mit dem Druck umzugehen und auch das Lampenfieber in den Griff zu bekommen. Bei mir ist es dann z.B. auch so, dass mein Wettbewerbsprogramm dann auch mein Auditionprogramm bei der Aufnahmeprüfung an der Schule war. Da war dann schon eine Sicherheit drin.
Und in den Bewerbungsbögen für die Schulen, da gibt es dann meistens auch so eine Zeile, da soll man dann solche Dinge wie gewonnene Preise eintragen. Die Bögen liegen dann ja bei den Aufnahmeprüfungen auch vor den Leuten, die einen da begutachten. Und da spielt dann sicher eine Rolle, was da noch so steht.
Einige Schulen erteilen ihren Schülern Auftrittsverbot für die Zeit der Ausbildung, Deine Schule tut das nicht. Wie wichtig ist in Deinen Augen die Autrittspraxis?
Unheimlich wichtig. Ich sehe dass, bei den Leuten bei uns, die nicht nebenher auch woanders auf der Bühne stehen. Denen fehlt einfach die Routine und die Abgebrühtheit, mit bestimmten Situationen umzugehen. So zum Beispiel, wenn der Pianist die Noten fallenlässt oder man einfach den Text vergisst. Da hilft dann einfach nur durchziehen und so tun, als wäre nichts gewesen. Ich stand schon mit 14 das erste Mal auf der Bühne, hatte damals auch tierisch Lampenfieber, aber inzwischen kann ich damit ganz gut umgehen und habe da durch Spielpraxis einfach einen Vorteil. Sicher auch in Situationen wie Aufnahmeprüfungen und Auditions.
Und nach der Ausbildung? Gleich am liebsten direkt in eine Großproduktion? Oder auch gern ans Stadttheater?
Nicht unbedingt, aber gut, ich bin jung und ich brauche das Geld (grinst). Also, klar würde ich auch Stadttheater machen, aber eigentlich schon lieber was großes. Ich meine, wenn man dann für so etwas engagiert wird, dann hat das schon seinen Grund, da muss man schon gut sein. Und das ist mein Ziel.
Gesang ist ja Dein Schwerpunkt, gibt es da weitere Optionen?
Ich möchte schon Musical machen, singen und schauspielen ist einfach mein Traum, aber ich würde schon auch gut gemachte Popmusik singen. Und ich hätte auch nichts dagegen, mich auch ins Studio zu stellen und Werbejingles einzusingen oder, wenn es sich ergibt, vielleicht eine richtige Schauspielausbildung dranzuhängen.
Musicaldarsteller ist ja ein Beruf mit „Verfallsdatum“. Gibt es den Gedanken an die Zeit danach?
Klar gibt es den. Aber der ist nicht aktuell. Ich habe mich bewusst dafür entschieden, die Ausbildung zu machen und die Gedanken mache ich mir, wenn es die richtige Zeit dafür ist. Ich meine, es gibt auch Rollen für ältere Darstellerinnen oder dann auch die Möglichkeit, Schauspiel zu machen. Und vielleicht möchte ich ja auch mal Familie und Kinder und gucke dann danach, was sich so ergibt.
Wie steht es mit den Traumrollen?
Für mich im Moment die Sarah aus dem „Tanz der Vampire“ oder einen der Vampire aus dem Ensemble.
Warum gerade „Tanz der Vampire“?
Ich mag Vampire total und ich finde da einfach so toll, dass auch das Publikum mit angespielt wird, wenn die Vampire durch die Reihen kommen. Ich finde das als Zuschauer selber toll, wenn auch mit dem Publikum gespielt wird und spiele auch selber gerne die Leute direkt an. Darum würde ich gern einen dieser Vampire spielen.
Das heißt, nicht unbedingt gleich der Traum von der Hauptrolle?
Nee. Auch wenn ich eine Ensemblerolle spiele, dann will ich das so gut und so professionell machen, dass sich hinterher im Publikum jemand an mich erinnert und sagt: „Du bist mir aufgefallen.“ Es ist mir völlig klar, dass man nicht gleich eine fette Hauptrolle abkriegen kann. Einige treten zwar schon in der Ausbildung so selbstbewusst auf, dass sie sagen: „Na klar spiel ich die Hauptrolle!“. Viele davon stürzen dann aber hinterher heftig ab.