Der Herr der Low-Cost-Serien

Anders als sein Vorgänger Maik Klokow hat der neue Deutschland-Chef der Stage Entertainment keine Theater-Biografie. Dafür eilt Jan-Pelgrom de Haas der Ruf voraus, Innovationen auch gegen Widerstände durchzusetzen. Grundy-UFA wurde unter seiner Leitung Marktführer bei der Produktion von Low-Cost-Serien.

Der 46jährige gebürtige Hannoveraner ist als promovierter Wirtschaftswissenschaftler vor allem eines: ein Mann der Zahlen. Im Gegensatz zu Maik Klokow, einem Quereinsteiger im Wirtschaftsbusiness, hat de Haas die klassische BWL-Laufbahn hinter sich. Er studierte Volks- und Betriebswirtschaftslehre und machte 1989 seinen Doktortitel im Bereich Sozial- und Wirtschaftswissenschaften. Titel der Arbeit: „Management-Philosophie im Spannungsfeld zwischen Ökologie und Ökonomie“ – Beschäftigung mit Unternehmens-Ethik inklusive. Danach folgte ein Traineeprogramm beim Verlag Gruner+Jahr. 1993 stieg er schließlich ins Fernsehgeschäft bei der UFA-Holding ein.

Im Jahre 2000 übernahm de Haas dort gemeinsam mit Rainer Wemcken die Geschäftsführung der Grundy-UFA. Spezialität der TV-Produzenten sind Sitcoms und andere Billig-Produktionen. Mit Ausnahme von „Marienhof“ werden sämtliche Soap-Operas im deutschen Fernsehen von der Firma produziert. Künstlerisch umstritten, wirtschaftlich ein voller Erfolg. Die Kunst überließ de Haas anderen: „Was wir machen, ist vor allem eine geschäftliche Transaktion. Es geht nicht um Selbstverwirklichung oder Kunst. Aber es bedarf hoher Kreativität, um es herzustellen.“

Bekanntestes Pferd im Stall der Grundy-UFA ist die Dailysoap „Gute Zeiten – Schlechte Zeiten“. Die erfolgreichste Seifenoper kommt aktuell auf 2,25 Millionen Zuschauer in der begehrten Zielgruppe der 14 bis 49-jährigen. Seit der Ausstrahlung der ersten Folge 1992 habe sich die Qualität enorm verbessert, ist von Seiten der Grundy-UFA zu hören. Dass trotz steigender Qualität nicht auch die Kosten in die Höhe schnellten, dafür sorgte Jan-Pelgrom de Haas: „Wir prüfen genau, wenn ein Team im Außendreh mit einer Kamera – bei gleich hoher Qualität – mehr Nettominuten schafft, als eines mit zwei Kameras“, sagte er vor zwei Jahren im Interview mit der „Welt am Sonntag“.

Für Plots in den Endlosserien sorgen so genannte Storyliner. Ein Team besteht meist aus einem Chefautor und sieben Storylinern, die sich pro Tag eine Folge ausdenken müssen. Damit „GZSZ“, „Unter uns“ und Co. die Ideengeber nicht ausgehen, gab de Haas im Juli die Gründung einer hauseigenen Schule bekannt, in der in fünfmonatigen Kursen Storyliner ausgebildet werden. Disziplin und Teamarbeit stehen dabei im Vordergrund: „Wir beschäftigen nicht einen Autor, der bis nachts um drei in der Kneipe schreibt, sondern ganze Teams mit sehr erfahrenen Chefautoren.“

De Haas‘ jüngster Coup sind die so genannten Telenovelas „Bianca – Wege zum Glück“ und „Verliebt in Berlin“. Telenovelas lassen sich ähnlich kostengünstig drehen wie Seifenopern. Der Unterschied: Während eine Soap open-end produziert wird, ist der Handlungsstrang einer Telenovela auf etwa 200 Folgen begrenzt – ein Groschenroman in bewegten Bildern. So verwundert es auch nicht, dass Grundy-UFA mit dem Herzschmerz-Verlag CORA eine geschäftliche Kooperation eingegangen ist. „Bianca“ heißt eine Roman-Reihe des Verlags, die 2,3 Millionen CORA-Leserinnen wurden so automatisch ins Marktpotenzial der Serie mit aufgenommen. Dem ZDF bescherte de Haas mit „Bianca“ seit der ersten Folge im November 2004 im Nachmittagsprogramm starke Quoten: zwei Millionen Zuschauer, 14 Prozent Marktanteil – üblich waren um diese Zeit vorher acht bis neun Prozent.

Den Boom der Telenovelas überlies Jan-Pelgrom de Haas nicht dem Zufall. Getestet wurde das in Europa bis dato fast unbekannte Format durch das ungarische Tochterunternehmen Magyar Grundy UFA. De Haas war auch hier der Geschäftsführer. „Wir hoffen natürlich, dass wir unsere Erfahrungen mit dem Genre Telenovela auch für den deutschen Markt erfolgreich nutzen können“, gab er sich im Jahr 2003 noch vorsichtig optimistisch. 2005 hatte Grundy-UFA bereits zwei Sender mit diesem Format ausgestattet, eine weitere Telenovela soll in der Vorbereitung sein.

Während auf dem Medienforum NRW im Juli die Konkurrenz von einer „Krise im Fictionbereich“ sprach, machte de Haas‘ Firma gute Geschäfte. „Die Sender brauchen abseits der Primetime preiswerte Formate, um in der Primetime das Geld für High-End-Formate zu haben.“ De Haas gab sich überzeugt, dass Telenovelas im kommenden Jahr ihre Erfolge noch ausbauen werden.

Mit dem Musical- und Live-Entertainment-Sektor muss sich Jan-Pelgrom de Haas, Jahrgang 1962, jetzt in ein für ihn neues Gebiet einarbeiten. Als Fachfremder wird er zunächst sicher kritisch beäugt werden. Aber einige innovative Ideen von außen würden der Szene gut tun – sofern de Haas den Musicalbereich nicht zum Low-Cost-Markt umkrempelt.

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