Das Musical-Jahr im Schnelldurchlauf: Die Musicalzentrale blickt zurück auf die Meldungen, die 2007 für Aufsehen sorgten.
Januar: Verhaltener Start in das neue Musicaljahr. Die Theater zeigen im Januar traditionell nur sehr wenige Premieren. Die Stage Entertainment gibt bekannt, dass ihr Udo-Jürgens-Musical nicht „Mit 66 Jahren“, sondern „Ich war noch niemals in New York“ heißen soll. Keine Ruhe bei „Ludwig²“ in Füssen: Geschäftsführer Karlheinz Zierold nimmt – offiziell aus gesundheitlichen Gründen – seinen Hut. Traurige Neuigkeiten kommen aus Prag. Komponist Karel Svoboda, der an einer unheilbaren Krankheit litt, hat sich das Leben genommen.
Februar: Der Bochumer „Starlight Express“ reduziert sein Orchester von 18 auf zehn Musiker – angeblich nicht als Sparmaßnahme, sondern aufgrund eines moderneren Sound-Designs. In Wien gibt es zum zehnten Geburtstag des Musicals eine konzertante Version von „Tanz der Vampire“ zu hören, die auch auf CD veröffentlicht wird. Als wirtschaftlicher Flop erweist sich das Musical Martin Luther King – The King of Love, das mit Ron Williams in der Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche uraufgeführt wird. Schon bald werden alle weiteren Tourneestationen „aus logistischen Gründen“ verschoben, die für den Herbst angekündigte Wiederaufnahme findet nicht statt. In München wird Daisy’s König – Das MOSIcal, ein Musical über Rudolph Moshammer, uraufgeführt, findet aber im Vorfeld deutlich mehr Beachtung als nach der Premiere. Andreas Bieber zeigt in Oberhausen sein Soloprogramm „No Frontiers“, das im Herbst auch auf CD veröffentlicht wird. Die Wiener Symphoniker führen eine Suite auf, die auf Motiven aus dem Zaufke/Lund-Musical „Elternabend“ beruht.
März: Für „Ludwig²“ in Füssen kommt das endgültige Aus. Die eigentlich für Ende März mit Ian Jon Bourg in der Hauptrolle geplante Wiederaufnahme wird aus finanziellen Gründen abgesagt. Auch das sogleich angekündigte Konzept für ein neues Ludwig-Musical dringt bis zum Jahresende nicht an die Öffentlichkeit. Auch bei „Käpt’n Blaubär“ fehlt Geld: Aufgrund geringer Ticketnachfrage wird das Hamburg-Gastspiel abgesagt. Die Oper Chemnitz spielt als erstes Stadttheater im deutschsprachigen Raum das Wildhorn-Musical Jekyll & Hyde. In einer Stahlgießerei im schweizerischen Schaffhausen feiert die ambitionierte Produktion Die schwarzen Brüder Premiere – und entwickelt sich trotz (laut Veranstalter) 92 Prozent Auslastung wirtschaftlich zum Debakel. Nach einem von der Tageszeitung „Kanton“ auf eine Millionen Franken geschätzten Verlust wird die zweite Staffel im Herbst abgesagt. Auf sehr gemischte Reaktionen stößt die deutschsprachige Erstaufführung des eher opernhaften spanischen Musical-Hits Mar I Cel. Die Stage Entertainment macht derweil dem Rätselraten ein Ende: Wicked feiert seine Deutschlandpremiere im November in Stuttgart.
April: Deutschlands wohl aufwendigste Werbeverkaufsveranstaltung geht auf Tour: Mit Daddy Cool lässt nach der Premiere in Berlin die ursprünglich angekündigte Europa-Tour ausfallen. Unterdessen gibt die Stage Entertainment bekannt, dass Joop van den Ende das operative Geschäft des internationalen Konzerns zum 1. September an Henk Kivits abgeben will. Beim erst für 2006, dann für 2007 für die Steiermark angekündigten „Excalibur“-Musical (Regie: Elmar Ottenthal) gibt es einen Streit um Geld zwischen Komponist und Produktionsfirma. Die Uraufführung findet auch 2007 nicht statt.
Mai: In Essen feiert die dritte deutsche Ensuite-Produktion des Abba-Musicals Mamma Mia! Premiere. Mit witzig eingesetzten Puppen, aber auch klischeehaften Charakteren feiert das Schwulsein-Musical Ugly Ducklings von Thomas Zaufke und Peter Lund in Hannover seine Uraufführung. Musical-Autor und Übersetzer Heinz Rudolf Kunze tritt beim Vorentscheid für den Eurovision Song Contest an, kann sich aber nicht gegen Swing-Sänger Roger Cicero durchsetzen. Tony Marshall übernimmt die Zweitbesetzung von Gunther Emmerlich in der Anatevka-Tournee der Konzertdirektion Landgraf. Das staatliche Bremer Theater bemüht sich – letztlich erfolgreich – um die Aufführungsrechte für das Kunze/Levay-Musical Marie Antoinette. Anfang 2009 soll die Show für einige Wochen ensuite in Bremen laufen. Yngve Gasoy Romdal erkrankt und fällt für einige Wochen aus. Bei Les Misérables in Bad Hersfeld wird er durch Olegg Vynnyk ersetzt, bei der Dinslakener Sommernacht des Musicals von Ethan Freeman. Es ist generell nicht Romdals Jahr: Bei den Proben zu „Robin Hood“ zieht er sich im November eine Knieverletzung zu und muss neben dieser Show auch die Aufführung seines Soloprogramms absagen.
Juni: Nachdem die jüngsten Schlagerrevuen dem Hamburger Royal Theater am Holstenwall nicht genügend Einnahmen beschert haben, macht Intendant Frank Thannhäuser das ursprünglich von Helga Feddersen gegründete 240-Plätze-Theater dicht. In Berlin führen UdK-Studenten das neue Zaufke/Lund-Musical Kauf Dir ein Kind auf, das allerdings nicht auf so große Begeisterung stößt wie seine Vorgänger. Die am kontroversesten diskutierte Darstellerleistung des Sommers ist die von Patrick Stanke als Jekyll & Hyde in Tecklenburg. In die Reihe der abgesagten Produktionen reiht sich auch Wolfgang DeMarcos Musical Brave Heart ein, das ursprünglich im November in Bremen uraufgeführt werden sollte. Auch das Berlin-Musical Die MetroPole wird, offenbar aufgrund finanzieller Probleme, erst verschoben und verschwindet dann in der Versenkung. In Halberstadt überfallen Rechtsradikale Mitglieder der „Rocky Horror Show“-Cast nach der Premierenfeier und schlagen sie krankenhausreif. Die VBW kündigen derweil an, das Ronacher-Theater im Juni 2008 mit der seit langem erwarteten deutschsprachigen Erstaufführung von The Producers wieder zu eröffnen. In Köln laufen Diskussionen über den künftigen Standort des Musical-Domes. Die „We Will Rock You“-Betreiber stellen klar, dass sie einen Umzug nach Köln-Deutz nicht mitmachen würden. Musical-Produzentin Andrea Friedrichs gibt nach internen Querelen den Intendantenposten am Deutschen Theater München auf.
Juli: Die „Bonifatius“-Macher Spotlight landen mit ihrem neuen Musical Elisabeth – Die Legende einer Heiligen einen großen Erfolg: Sämtliche 88 Vorstellungen in Eisenach sind ausverkauft, weitere für 2008 bereits angekündigt. Bei den Kritikern gibt es sehr unterschiedliche Reaktionen. In Walenstadt wird derweil ein kommerzieller Erfolg fortgesetzt: Heidi – Teil 2 feiert Premiere. Das meist gespielte Musical des Sommers ist „Les Misérables“ mit Neuproduktionen in Bad Hersfeld, Thun, Steyr und auf Tournee. Insgesamt ist es aber kein guter Sommer für die Open-Air-Veranstalter: Das Regenwetter bringt Zuschauereinbußen bis zu zehn Prozent, zahlreiche Vorstellungen werden abgesagt. In Hamburg läuft eine überarbeitete Fassung des Biographicals Marilyn mit Anna Montanaro in der Titelrolle – unter anderem wurde die komplette Partitur gestrichen und durch bekannte Songs ersetzt. Die Produktion stößt aber nur auf wenig Begeisterung, das eigentlich noch geplante Berlin-Gastspiel fällt aus.
August: Graz wird zur Pilgerstädte für Freunde des Musical-Dramas: Die Andreas-Gergen-Inszenierung von Dracula mit Thomas Borchert, Uwe Kröger und Lyn Liechty stößt beim Publikum auf große Resonanz. Zusätzlich gibt es noch einen Autorenwettbewerb, zur Jury gehört auch Komponist Frank Wildhorn. Das Stadttheater Hildesheim und die Landesbühne Hannover verschmelzen unter Leitung von Jörg Gade zum Theater für Niedersachsen (TfN) und gründen als erstes öffentliches Theater in Deutschland ein eigenes Musicalensemble. Die erste Produktion: Das neue Heinz-Rudolf-Kunze-Musical Kleider machen Liebe nach Shakespeares „Was ihr wollt“. Das St.-Pauli-Theater kündigt für April 2008 ein Musical über Udo Lindenberg an. Der will das noch nicht bestätigen: „Is alles noch total open. Ma kiek’n“, sagt Lindenberg der „Bild“-Zeitung.
September: Die Welle der Musical-Casting-Shows erfasst auch den deutschsprachigen Raum. Der ZDF für das Frühjahr 2008 eine deutsche Show an, in der Darsteller für den Starlight Express gesucht werden sollen. Sat.1 kommt mit seiner Ankündigung erst im November, will aber ebenfalls im Frühjahr in einer Show Sänger casten – für die Stage-Entertainment-Show „Tarzan“. Neben dem äußerst erfolgreichen We Will Rock You bekommt Zürich gleich zwei neue Compilationshows: Ein Gastspiel der englischsprachigen Mamma-Mia-Tournee und das beim Publikum außerordentlich erfolgreiche Ewigi Liebi mit 40 Schweizer Mundart-Songs. Das TfN spielt in Hannover die deutschsprachige Erstaufführung von William Finns „A New Brain“ (Nervensache) – und kündigt für die Zeit bis 2009 deutschsprachige Erstaufführungen von „The 25th Annual Putnam County Spelling Bee“, „The Secret Garden“ und „The Baker’s Wife“ an. Studenten des Performing Center Austria zeigen das in den USA außerordentlich erfolgreiche High School Musical als Bühnenversion erstmals in deutscher Sprache. Ebenfalls in Wien übernimmt Marika Lichter bei der Rebecca-Wiederaufnahme in Wien die Rolle der Mrs. van Hopper. Die übrige Cast entspricht weitgehend der der Uraufführung. Felix Martins zweites Soloprogramm Livehaftig! stößt in Oberhausen auf breite Zustimmung.
Oktober: Ein neuer Versuch der Stage Entertainment, den schwierigen Hauptstadtmarkt zu bedienen: Mamma Mia! kommt im Theater am Potsdamer Platz in Berlin auf die Bühne. In der Cast stehen überwiegend alte Bekannte aus den Produktionen in Hamburg und Stuttgart, an ihrer Spitze Jasna Ivir, die schon in beiden Versionen die Donna gespielt hat. In der Essener Ausgabe des Abba-Musicals tritt mit Anna Montanaro (einstmals Velma Kelly am Broadway) eine namhafte Actrice die Nachfolge der Hauptdarstellerin Lone van Roosendaal an. Was bei Fußballstadien und Multifunktionsarenen schon lange üblich ist, führt die Stage Entertainment nun auch für Theater ein. Der Konzern verkauft die Namensrechte eines seiner Häuser. Das Operettenhaus an der Hamburger Reeperbahn erhält für zwei Jahre den Namen eines Reiseveranstalters als Zusatzbezeichnung. In Wien bringen die Vereinigten Bühnen mit „Die Habsburgischen“ im Museumsquartier einen weiteren Familienzyklus im Musicalformat auf die Bühne. Stühlerücken im Friedrichstadtpalast: Aufgrund der zurückgehenden Zuschauerzahlen und eines rasant anwachsenden Defizites (in der Halbjahresbilanz werden über zwei Millionen Euro ausgewiesen) trennen sich die Gesellschafter vom künstlerischen Geschäftsführer Thomas Münstermann. Seine Nachfolge tritt Bernd Schmidt an, der zuvor die Stuttgarter Häuser der Stage Entertainment geleitet hat.
November: Die Stage Entertainment sorgt schon im Vorfeld der Premiere zum Udo-Jürgens-Musical „Ich war noch niemals in New York“ für Schlagzeilen. Regisseur und Co-Autor Christian Struppeck wird zwei Wochen vor der Premiere aus „Krankheitsgründen“ gegangen, Glenn Casale („Die Schöne und das Biest“) übernimmt die Regie und bringt den Musical-Dampfer schließlich im Dezember in See – begleitet von üppigen Sponsoring-Aktivitäten im Vorderhaus und auch auf der Bühne. Vor allem das Buch hinterlässt bei Publikum und Kritik zwiespältige Gefühle, die Songs von Udo Jürgens hingegen erweisen sich als unkaputtbar. Beinahe einhelligen Zuspruch erhält hingegen die andere Stage-Entertainment-Premiere: Das grüne Hexenmusical „Wicked“ erlebt in Stuttgart seine deutschsprachige Erstaufführung und kann vor allem mit den überragenden Hauptdarstellerinnen Willemijn Verkaik und Lucy Scherer punkten. Auch die Spielplangestaltung des Branchenprimus sorgt für Diskussionen. In der Chefetage wird über eine Produktion von „Spring Awakening“ nachgedacht, letztendlich angekündigt wird jedoch zunächst eine Wiederauflage von „Elisabeth“ als Tourneeproduktion mit Start im Theater des Westens in Berlin – produziert zusammen mit LaBelle (Andrea Friedrichs) und unter der Regie von Harry Kupfer.
Dezember: In der Weihnachtszeit wird „Vom Geist der Weihnacht“ in zwei parallelen Produktionen in Frankfurt und Duisburg gespielt. In Duisburg sind u.a. Felix Martin und Pop-Sternchen Jasmin Wagner dabei. Die Oper Bonn bringt das „Ring“-Musical von Frank Nimsgern auf die Bühne. Die Pop-Bearbeitung des Nibelungen-Stoffes polarisiert bei Zuschauern und Kulturkritik. Ebenfalls für Diskussionen sorgt die deutschsprachige „Wicked“-CD. Sie wird mit den Orchesterplaybacks der US-Version produziert, um rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft fertig zu werden. Verschoben wird das angekündigte „Diana“-Musical in namhafter Besetzung (Jana Werner, Chris Murray). Unbezahlte Rechnungen und Darsteller-Gagen lassen auch die Premiere 2008 zweifelhaft erscheinen. Andreas Gergen, als Projektentwickler bei der Stage Entertainment unter anderem mit verantwortlich für die Entwicklung neuer Musicalstoffe verlässt den Konzern vorzeitig. Pia Douwes und Uwe Kröger lassen sich erneut für „Elisabeth“ verpflichten, diesmal in Berlin.