Die CD ist ein Auslaufprodukt

Fachhändler Markus Tüpker (Sound of Music) über den Markt für Musical-CDs, männliche und weibliche Solisten, „Wicked“ und die Zukunft der Silberscheiben-Verkäufer.

Markus Tüpker, geboren 1967 in Essen, studierte in Bochum Wirtschaftswissenschaften und arbeitete bereits während des Studiums als Moderator im Privatfunk, zuletzt 16 Jahre bei Radio NRW in Oberhausen. 1994 gründete er gemeinsam mit Andreas Luketa den auf Musical spezialisierten CD-Handel Sound of Music. „Zum damaligen Zeitpunkt war es für Musicalfans nahezu unmöglich, an Castaufnahmen aus London oder New York zu kommen, von anderen Ländern ganz zu schweigen“, sagt Tüpker.

Herr Tüpker, auf dem von Andreas Luketa und Ihnen gegründeten „Sound of Music“-Label haben Sie mittlerweile 35 CDs veröffentlicht – von Solo-Alben bis zu Cast-Aufnahmen etwa der Neuköllner Oper. Sind Sie an der Produktion auch künstlerisch beteiligt?

Inzwischen kaum noch, weil das finanziell und zeitlich sehr anspruchsvoll ist – und nervenaufreibend. Wir sehen uns als Plattform, auf der Künstler ihre Sachen veröffentlichen können. Und wir beraten und sagen den Künstlern etwa, dass CDs einen Labelcode brauchen, weil die Radiostationen sie sonst nicht abrechnen können und entsprechend nicht spielen.

Kann man mit der Produktion von Musical-CDs Geld verdienen?

Kaum. Die Wiener Tanz der Vampire-Aufnahme 1997 hat dermaßen viel verschlungen, dass Universal zeitweise sogar komplett aus der Produktion von Cast-Aufnahmen ausgestiegen ist. Und etwa bei Aufnahmen kleinerer Produktionen verkaufen wir bei uns vielleicht 500 Stück. Damit kann man die Produktionskosten nicht decken. Für Künstler sind CD-Aufnahmen eher ein Prestigeobjekt.

Gilt das auch für Solo-CDs?

Da hängt die Auflage sehr stark vom Bekanntheitsgrad ab. Aber ich kenne in Deutschland kaum einen Künstler, der mit einer Solo-CD eine fünfstellige Auflage erzielt hätte. Üblich sind eher 1000 bis 2000 Stück. Und weil zwei Drittel der CD-Käufer Frauen sind, haben es Sängerinnen – mal abgesehen von Pia Douwes – noch viel schwerer als ihre männlichen Kollegen. Ohne Sponsoren sind Solo-CDs praktisch nicht zu finanzieren.

Was ist denn an der Produktion so teuer?

Die Kosten hängen maßgeblich von der Instrumentierung ab. Ein reines Klavieralbum lässt sich günstig produzieren. Aber schon mit einer Popband ist man schnell im fünfstelligen Bereich. Von einem Orchester mal ganz zu schweigen. Das Studio, der Toningenieur, der Arrangeur – das will alles bezahlt sein.

Für Wicked wurde das Broadway-Orchesterplayback verwendet und nur die Stimmen neu eingesungen. Wie beurteilen Sie das?

Einerseits sage ich natürlich: Das ist Mist, ich will auch die authentische Instrumentierung der Produktion hören. Andererseits: Lieber so als gar nicht. Immerhin kam die CD auf diese Weise zeitnah zur Premiere. Und es ist ja nicht die erste Cast-Aufnahme, für die auf bestehende Playbacks zurückgegriffen wurde. Mit den Joseph-Playbacks sind weltweit fünf Cast-CDs erschienen, auch die Essener Elisabeth-CD basierte auf bestehenden Einspielungen. Man darf nicht vergessen, dass mit den CDs kaum etwas zu verdienen ist. Auch am Broadway werden die Aufnahmen vor allem aus Werbegründen produziert. „Lion King“ oder „Mamma Mia!“ haben sich finanziell sicher gelohnt. Die meisten anderen Aufnahmen sicher nicht.

Welche Gründe kann es geben, schon eingespielte Aufnahmen nicht zu veröffentlichen – wie etwa bei „42nd Street“ in Stuttgart?

Zu dem konkreten Fall kann ich nur spekulieren. Aber generell: Allein das Pressen ist schon teuer, weil dann die vollen Gebühren an die GEMA und den Verlag fällig werden. Wenn man sieht, dass die Show sowieso nicht mehr lange läuft, rechnet sich eine Veröffentlichung vielleicht nicht mehr. Vielleicht ist die Aufnahme aber auch mangels Qualität nicht erschienen. Wie etwa die Berliner Sechs-Tracks-CD zu „Les Misérables“, die – dem Vernehmen nach – Cameron Mackintosh nicht gefallen haben soll.

Sie sind mit Ihrem Shop und Ihrem Versand der wichtigste Fachhändler im deutschsprachigen Raum. Hat die Musical-CD überhaupt noch eine Zukunft, wenn sie sich kaum lohnt?

Die CD ist ein Auslaufprodukt. Der Trend zu Internet-Downloads ist nicht aufzuhalten. Das Nischenprodukt Musical wird es sicher noch länger auf CD geben als etwa Madonna, aber der CD-Versandhandel wird mit Sicherheit irgendwann nicht mehr gebraucht. Wir reden jetzt aber über einen Zeitraum von vielleicht 20 Jahren. Noch sind die Umsätze zum Glück nicht rückläufig.

Und was macht Sound of Music dann? Steigen Sie in den Download-Handel ein?

Die Produzenten brauchen dafür keine Zwischenhändler, sie vertreiben die Dateien entweder direkt oder über die bestehenden Portale. Wir haben bereits angefangen, uns auch in andere Richtungen zu orientieren. Etwa mit der Produktion unserer Konzertreihe, die sicher noch ausbaufähig ist. Es gibt auch noch andere Ideen, aber die sind noch nicht spruchreif.

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