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Lange bevor Disneys „Aladdin“ die Bühne erobert hat, ist mit „Kismet“ ein orientalischer Märchenstoff „vermusicalt“ worden. Das in Deutschland nahezu unbekannte Werk kehrt jetzt in einer langatmigen, wenig überzeugenden Inszenierung von Wolfgang Dosch als prächtig ausgestattete Orient-Operette zurück.
Vom armen Bettler zum einflussreichen Emir: Diese steile Karriere legt der Poet Hajj innerhalb von knapp drei Stunden im Musical „Kismet“ hin. Drei Stunden, die im Landestheater Neustrelitz trotz immensen Aufwands, nur langsam vergehen.
Ein Grund hierfür liegt in der aus Motiven orientalischer Märchen zusammengesetzten Handlung, in welcher der erwähnte Poet sich mit List und noch mehr Glück den Intrigen eines machthungrigen Wesirs widersetzt. Gleichzeitig verliebt sich seine Tochter Marsinah unsterblich in den Kalifen von Bagdad, der inkognito als Gärtner unterwegs ist. Selbstverständlich finden zum Finale die richtigen Paare zueinander und der Bösewicht erhält seine gerechte Strafe: Ziegen dürfen ihm Salz von seinen Fußsohlen lecken. Bei der Uraufführung im Jahr 1953 mag so ein Buch, die Zuschauer begeistert haben, heute wirkt es antiquiert.
Das Theater Neustrelitz schlägt deshalb genau den richtigen Weg ein, die magere Handlung optisch aufzuwerten. Susanne Thomasbergers Kostüme geleiten das Publikum als funkelnder Farbenrausch mit Turbanen, Schleiern und Pluderhosen direkt in die orientalische Märchenwelt. Als zentrales Deko-Element ihres Bühnenbildes dient ein auf der Drehbühne postiertes, gelbes Holzpodest, das an eine Düne in der Wüste erinnert. Hier sind Treppen und Sitzgelegenheiten integriert und dank weniger hereinschwebender Versatzstücke wird mühelos aus einem Basar ein romantischer Garten oder ein Sultanspalast. Thomasberger überrascht hier immer wieder mit humorvollen und originellen Details, indem sie zum Beispiel Palmen auf den Kopf stellt oder einen überdimensionaler Kamelkopf ins Publikum glotzen lässt.
Weniger überraschend ist Wolfgang Doschs Inszenierung. Er lässt alles werkgetreu vom Blatt spielen und arrangiert den Märchen-Plot als kitschige Orient-Operette der großen Gesten mit viel zu vielen und viel zu langen Sprechszenen. Doschs Bagdad besteht aus Tableaus mit neckisch kichernden Haremsdamen, holden Prinzessinnen und geschäftstüchtigen Händlern, die im Basargetümmel edle Stoffe, Perlen und rechtlose Sklavinnen verscherbeln. Die stimmschön singenden Mitglieder des Opernchores werden hier auch in zahlreichen kleinen Sprechrollen gefordert, deren Texte oft wegen eines starken Akzentes nur schwer zu verstehen sind. Auch mühen sich die Choristen redlich, durch Armgeschwenke und Hüftwackeln so etwas wie orientalische Revue-Atmosphäre zu versprühen, was allerdings sehr bemüht wirkt. Zum Glück sorgen die äußerst beweglichen Mitglieder der Deutschen Tanzkompanie mit kraftstrotzenden, aber auch sehr grazilen Choreografien von Alexandre Tourinho gekonnt für atmosphärisch dichteren Flair aus 1001 Nacht. Bedauerlicherweise sind ihre Einsätze lspärlich dosiert. Mehr professioneller Tanz würde in der recht behäbig wirkenden Inszenierung deutlich mehr Staub aufwirbeln.
Sehr unausgewogen sind auch die Personenzeichnungen. Auf der einen Seite lässt Regisseur Dosch Marsinah und den Kalifen als zentrales Liebespaar zu süßlich-zurückgenommen agieren, hingegen geraten andere Figuren durch zu viel des Guten zur bloßen Karikatur. Das gilt sowohl für den sehr kreischig angelegten Räuberhauptmann Jawan (Markus Kopp), als auch für den Wesir und seinen Leibdiener. Sebastian Naglatzki und Christoph Deuter spielen ihre Rollen derart überzogen tuntig, dass es überrascht, dass aus ihnen kein Liebespaar wird. Immerhin singt Naglatzki mit rundem, schön moduliertem Bassbariton. Dabei gelingt ihm mit „Wesirs Plaisir“ ein respektabler Showstopper. Als dessen gelangweilte Lieblingsfrau Lalume gibt Laila Salome Fischer eine Strippenzieherin mit Weitblick. Nicht nur im revueartigen Song „Rahadlakum“ gefällt sie mit sattem Mezzosopran und ausgefeilten Spitzentönen. Fischer liefert insgesamt die beste gesangliche Leistung des Abends.
In der zentralen Figur des Hajjs ist Bernd Könnes Geschichtenerzähler und Sympathieträger der Show. Er spielt den Poeten verschmitzt, gerissen und liebenswert. Ihm gehören die meisten Gesangsaufgaben, wie der Titelsong „Kismet“, der sich mit seinen Reprisen wie ein roter Faden durch das Musical zieht. Könnes‘ Bühnenpräsenz macht seinen etwas brüchig klingenden, in Spitzentönen angestrengt wirkenden Bariton vergessen.
Laura Scherwitzl als liebreizendes Töchterchen Marsinah bleibt blass. Ihr Wiener-Akzent in den Sprechszenen wirkt befremdlich. Die Sängerin kämpft sich mit ihrem matten Sopran wacker durch ihre Gesangsaufgaben und harmoniert im schmachtenden Liebesduett „Fremder im Paradies“ sehr gut mit Andrés Felipe Orozco. Er setzt in seiner Darstellung als Kalif allein auf seine große, klassisch geschulte Tenorstimme mit operettigem Schmelz.
Wem der Großteil der Musik bekannt vorkommt, der ist ein Klassik-Kenner. Robert Wright und George Forrest waren darauf spezialisiert, aus Themen und Melodien anderer, meist klassischer Komponisten eigene Songs zu kreieren. Für „Kismet“ griffen sie auf den Fundus des russischen Komponisten Alexander Borodin zurück und integrierten Motive aus zwei seiner Symphonien, Streichquartette und den Polowetzer Tänzer aus der Oper „Fürst Igor“. Passend dazu sitzt mit der Neubrandenburger Philharmonie ein respektables Orchester im Graben. Allerdings spielen die Musiker unter der Leitung von Daniel Stratievsky die klassischen Motive mit ihren orientalisch anmutenden Einsprengseln recht brav und mit gedrosselten Tempi. Einzig die jazzigeren Nummern, die ohne fremde Zutaten aus der Feder des Komponisten-Duos stammen, lassen erahnen, was in dem Klangkörper steckt. Zudem übertönt das Orchester permanent den Gesang, sodass die Textverständlichkeit unzureichend ist.
Der Begriff „Kismet“ bezeichnet das vorbestimmte Schicksal. Das gleichnamige Musical, 1954 als bestes Stück mit einem Tony-Award ausgezeichnet, hat zumindest in Deutschland das Schicksal, so gut wie nie gezeigt zu werden. Deshalb ist es dem Theater in Neustrelitz sehr hoch anzurechnen, es nach über zehnjähriger Bühnen-Abstinenz der Vergessenheit zu entreißen. Allerdings tragen die viel zu lang geratene, bieder-operettenhafte Inszenierung und die problematische musikalische Umsetzung wohl eher nicht dazu bei, sein Kismet zu ändern.
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KREATIVTEAM |
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Musikalische Leitung | Daniel Stratievsky |
Inszenierung | Wolfgang Dosch |
Ausstattung | Susanne Thomasberger |
Choreografie | Alexandre Tourinho |
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CAST (AKTUELL) |
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Hajj, der Poet | Bernd Könnes | |||
Seine Tochter Marsinah | Laura Scherwitzl | |||
Der Kalif von Bagdad | Andrés Felipe Orozco | |||
Sein Vertrauter Omar Khayyam | Ryszard Kalus | |||
Der Wesir | Sebastian Naglatzki | |||
Seine Lieblingsfrau Lalume | Laila Salome Fischer | |||
Räuberhauptmann Jawan | Markus Kopp | |||
Hassan-Ben | Andreas Hartig | |||
Hauptmann | Krzysztof Napierala | |||
Polizist | Yongmin Kwon | |||
Zwei Perlenhändler | Hyoung-Jun Lim Ramin Varzandeh | |||
Zwei Seidenhändler | Bernd Richert Marin Silni | |||
Erster Bettler, Verteidiger | Ramin Varzandeh | |||
Zweiter Bettler, Ankläger | Bernd Richert | |||
Hofdame | Hyun-Kyung Kang | |||
Dienerin im Harem des Wesirs | Verena Schuster | |||
Haremsfrauen | Rebecca Backus Sylke Kamin | |||
Witwe Yussef | Grit Kolpatzik | |||
Klatschbase | Monika Degenhardt | |||
Zwei Sklavinnen | Luise Hansen Rita Sabaliauskiene | |||
Die drei Prinzessinnen von Ababu | Mai Förster Beatriz Giljón | |||
Prinzessin Zubbediya | Nicola Clarissa Gehring | |||
Prinzessin Samaris | Evgeniya Mirnik | |||
Orangenhändler, Diener der Witwe Yussef, Leibdiener des Wesirs | Christoph Deuter | |||
Ein Räuber, ein Spitzel | Dorin Moscalciuc | |||
Ein Sklavenhändler | Philipp Gratz | |||
Straßengaukler | José Bernardo Caba Mariaca Mikel Larrabeiti Philipp Förster Philipp Repmann, (Axel Rothe Péter Copek) | |||
Neubrandenburger Philharmonie | ||||
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Opernchor der TOG Neubrandenburg/Neustrelitz | ||||
Deutsche Tanzkompanie |
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GALERIE |
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TERMINE |
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keine aktuellen Termine |
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TERMINE (HISTORY) |
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Sa, 16.03.2019 19:30 | Landestheater Großes Haus, Neustrelitz | Premiere | |||||||
So, 24.03.2019 16:00 | Landestheater Großes Haus, Neustrelitz | ||||||||
Fr, 29.03.2019 19:30 | Landestheater Großes Haus, Neustrelitz | ||||||||
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Sa, 20.04.2019 19:30 | Landestheater Großes Haus, Neustrelitz | ||||||||
Fr, 24.05.2019 19:30 | Landestheater Großes Haus, Neustrelitz | ||||||||
Fr, 27.09.2019 19:30 | Landestheater Großes Haus, Neustrelitz | ||||||||
Sa, 28.09.2019 19:30 | Landestheater Großes Haus, Neustrelitz | ||||||||
Sa, 12.10.2019 19:30 | Landestheater Großes Haus, Neustrelitz | ||||||||
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