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Im Jahr 2016 wird Vampiren nicht mehr mit Knoblauch, Kruzifixen oder durch Pfählung der Garaus gemacht. Regisseur Philipp Kochheim interpretiert das Wildhorn-Opus durch zahlreiche Veränderungen als modernes, die Zuschauer polarisierendes Beziehungsdrama mit starken Darstellern.
Eine Überdosis Pillen und ein goldener Schuss. Damit setzt Mina ihrem Leben ein Ende und stirbt in den Armen des verstört wirkenden Dracula. Jonathan, der seine Partnerin kurz zuvor hat ziehen lassen, beobachtet die an eine Pietà erinnernde Szene und zielt mit einem Gewehr auf den Mann, der sie aus dem für Außenstehende so perfekt wirkenden Schickimicki-Beziehungskäfig hat ausbrechen lassen. Drückt er ab?
Regisseur Philipp Kochheim lässt die Antwort bewusst offen. Mit dem letzten Ton des Final-Songs erlischt das Licht. Ein starker Moment in einer Inszenierung, die Wildhorns „Dracula“ ins Jetzt verlegt und durch drastische Kürzungen, modernisierte Texte und Umstellung von Songs ein Beziehungs-Drama mit nur 95 Minuten Spielzeit entwickelt. Konsequent verzichtet der Regisseur aufs Bühnennebel umwaberte Gruselambiente und zieht dem Titelhelden die für einen Vampir so typischen Beißzähne. Auch streicht Kochheim die drei Vampirinnen, die in der Ursprungsfassung Jonathan umgarnen. Diese Aufgabe übernimmt in der stellenweise recht freizügigen Inszenierung Dracula, der zum nur mit schwarzer Unterwäsche bekleideten Anwalt ins Bett steigt.
Ganze Handlungsstränge, wie zum Beispiel im ersten Akt Jonathans Flucht aus Transsylvanien nach Budapest und die sich anschließenden Hochzeitsszenen sind ebenso verschwunden wie Draculas Abreise in die Karpaten oder der Kampf seiner Verfolger mit anderen Vampiren. Damit konzentriert sich diese Bremerhavener Fassung aufs Wesentliche: Draculas zerstörerischer Einfluss auf Paarbeziehungen, die schon lange keine mehr sind. Mina und Lucy, zwei Luxusweibchen in schicken Designer-Outfits (Kostüme: Barbara Bloch), sind ihrem durch exzessive Partys geprägten Dasein überdrüssig und scheinen ständig auf der Suche nach einem neuen Kick zu sein. Da kommt der als diabolischer Dämon gezeichnete Dracula, der sich in ihr Leben einschleicht, gerade recht. Lucy ist für ihn nur ein Lustobjekt, das sich ihm zum Song „Leb‘ noch einmal“ begierig körperlich hingibt. Für ihre Freundin Mina, die lange gegen ihre Gefühle ankämpft, sich dann aber doch von Jonathan lossagt, empfindet Dracula so etwas wie Liebe. Deshalb verzichtet er bei ihr auf den Unheil bringenden Biss.
Allein durch seine bloße Anwesenheit übt dieser menschelnde Untote auf alle Bühnenfiguren, die er letztendlich ins Unglück stürzt, eine gewisse Faszination aus. Dies gilt für den von Anfang an als Psychopath völlig überzeichneten Renfield ebenso wie für Professor van Helsing, der Dracula nicht nur aus wissenschaftlichen Gründen nachstellt.
Kochheims Musical-Frischzellen-Kur geht allerdings nur bedingt auf. Durch die Striche sind Dr. Jack „Vic“ (im Original. Seward), Arthur Holmwood und Quincey Morris, die unsinnigerweise französisch oder englisch sprechen, zu überflüssigen Randfiguren verkommen. Gesanglich treten sie nur im zurechtgestutzten „In dunkler Nacht“ in Erscheinung, das allerdings wie eine Einlage wirkt: Die Protagonisten singen vor einem plötzlich heruntergelassenen schwarzen Vorhang frontal ins Publikum, während Lucy und Renfield als blutbesudelte Zombies von links nach rechts über die Bühne schleichen. Überflüssig wie verstörend.
Mit Ausnahme dieser Szene und der Eröffnungssequenz in Draculas Anwesen findet die restliche Handlung im Haus von Mina und Jonathan statt. Barbara Blochs modernes Luxus-Loft mit Schlafzimmer, Wohnbereich und einer Bar strahlt sowohl Wohlstand aus, wirkt durch die an den kahlen, grauen Beton-Wänden hängenden Voodoo-Masken jedoch auch bedrohlich. Dieses Bühnenbild rotiert fast unablässig auf der Drehbühne, was den Effekt von Kamerafahrten erzeugt. Dies ermöglicht schnelle Szenenwechsel und immer wieder neue Blickwinkel. Ganz besonders gelungen ist dies bei der Jagd auf Dracula durch das gesamte Haus, in dessen Verlauf der Untote seine Verfolger bis auf Professor van Helsing mit einem Gewehr zur Strecke bringt.
Ein Manko der Produktion ist das Philharmonische Orchester Bremerhaven. Dirigent Hartmut Brüsch lässt seine Musiker im Graben so gewaltig durch Wildhorns bombastisch wirkende Partitur schwelgen, dass häufig die Stimmen überdeckt werden und die Textverständlichkeit leidet. Hier sollte die Tonabteilung des Hauses gegensteuern.
Dabei sind die Darsteller wirklich gut. Maximilian Mann ist ein selbstbewusster Jonathan mit schönem, sicher geführten Tenor, der letztendlich das Aus seiner Beziehung zu Mina (Anna Preckeler) nicht verhindern kann. Ihr sehr zart vorgetragenes Duett „Whitby Bay“ ist einer der gesanglichen Höhepunkte der Aufführung. Preckelers schöner Sopran funkelt bis in die Höhen und harmoniert auch ganz vortrefflich mit einem glänzend aufgelegten Christian Alexander Müller. Als innerlich sehr zerrissen wirkender Dracula ist Müller fast ständig auf der Bühne präsent und unterstreicht mit vollem, sehr unangestrengt wirkendem Bariton nicht nur mit „Je länger ich lebe“, dass er zur ersten Riege der Musicaldarsteller in Deutschland gehört.
Auch das hauseigene Musiktheater-Ensemble braucht sich nicht zu verstecken. Mit ihrem recht tiefen Mezzo ist Carolin Löffler eine tadellose, fesche Lucy, während Thomas Burger (Renfield) mit seinem Showstopper „Das Lied vom Meister“ so richtig abräumt. Beim Song „Roseanne“ stört er inszenierungsbedingt völlig unnötig mit quietschendem Filzstift den Gesang von Tobias Haaks, der als Professor van Helsing jedoch zumindest bei seinen anderen Auftritten, wie zum Beispiel im Duett „Zu Ende“, seine schöne Stimme gut zur Geltung bringen kann. Unterm Strich ein wirklich toller Cast.
„Dracula“ – das ist in Bremerhaven trotz einiger überflüssiger Regie-Mätzchen ein herrlich frisch wirkender Untoter abseits der traditionellen Sichtweisen dieses Wildhorn-Musicals. Wer sich darauf einlässt, der erlebt einen wirklich spannenden, teilweise aber auch recht verstörenden Theaterabend mit Biss.
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KREATIVTEAM |
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Inszenierung | Philipp Kochheim |
Musikalische Leitung | Hartmut Brüsch |
Ausstattung | Barbara Bloch |
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CAST (AKTUELL) |
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Graf Dracula | Christian Alexander Müller | |||
Mina Murray | Anna Preckeler | |||
Jonathan Harker | Maximilian Mann Thomas Christ | |||
Lucy Westenra | Carolin Löffler | |||
Renfield | Thomas Burger | |||
Professor van Helsing | Tobias Haaks | |||
Dr. Jack Seward | Vikrant Subramanian | |||
Arthur Holmwood | Fin Holzwart | |||
Quincey Morris | Róbert Tóth | |||
Opernchor des Stadttheaters Bremerhaven | ||||
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Philharmonisches Orchester Bremerhaven |
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GALERIE |
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TERMINE |
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TERMINE (HISTORY) |
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Sa, 17.09.2016 19:30 | Großes Haus, Bremerhaven | Premiere | |||||||
So, 25.09.2016 15:00 | Großes Haus, Bremerhaven | ||||||||
Fr, 30.09.2016 19:30 | Großes Haus, Bremerhaven | ||||||||
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Mo, 03.10.2016 15:00 | Großes Haus, Bremerhaven | ||||||||
Sa, 08.10.2016 19:30 | Großes Haus, Bremerhaven | ||||||||
So, 09.10.2016 15:00 | Großes Haus, Bremerhaven | ||||||||
Do, 20.10.2016 19:30 | Großes Haus, Bremerhaven | ||||||||
So, 23.10.2016 15:00 | Großes Haus, Bremerhaven | ||||||||
Fr, 04.11.2016 19:30 | Großes Haus, Bremerhaven | ||||||||
So, 06.11.2016 19:30 | Großes Haus, Bremerhaven | ||||||||
Sa, 26.11.2016 19:30 | Großes Haus, Bremerhaven | ||||||||
Fr, 30.12.2016 19:30 | Großes Haus, Bremerhaven | ||||||||
Sa, 07.01.2017 15:00 | Großes Haus, Bremerhaven | ||||||||
Mi, 11.01.2017 19:30 | Großes Haus, Bremerhaven | ||||||||
So, 22.01.2017 15:00 | Großes Haus, Bremerhaven | ||||||||
Fr, 27.01.2017 19:30 | Großes Haus, Bremerhaven | ||||||||
Fr, 17.02.2017 19:30 | Großes Haus, Bremerhaven | ||||||||
Fr, 03.03.2017 19:30 | Großes Haus, Bremerhaven | ||||||||
Do, 15.06.2017 19:30 | Großes Haus, Bremerhaven | ||||||||
Sa, 24.06.2017 19:30 | Großes Haus, Bremerhaven | Dernière | |||||||
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