Theaterleiter Bernd Julius Arends holt das spannende Kammermusical nach seiner umjubelten Deutschlandpremiere 2012 zurück ins KATiELLi-Theater nach Datteln. Spielte er damals noch die Rolle des Nathan Leopold, führt er diesmal Regie und erschafft eine düstere, beängstigende Inszenierung, die dank guter Vorlage (Buch und Musik: Stephen Dolginoff) und wohl gewählten Darstellern zum Kabinettstück wird.
1958 steht Nathan Leopold zum fünften Mal vor dem Untersuchungsausschuss, da er nach 34 Jahren seine Freilassung aus dem Gefängnis beantragt hat. Er erzählt, wie seine verhängnisvolle Freundschaft mit Richard Loeb begann. Loeb war stets besessen von Verbrechen. Zunächst steckten sie gemeinsam nur ein paar Fabrikhallen in Brand oder räumte ein paar Wohnungen aus. Doch das genügte nicht. Dabei ist Loeb stets der Antreiber und Leopold nur derjenige, der Loeb unterstützt. Doch auch Nathan ist besessen – von Richard! Schnell gefasst ist der Plan, einen 14-jährigen Jungen zunächst zu entführen und dann umzubringen. Der tote Junge wird gut versteckt und sein Gesicht verätzt. Doch Nathan verliert seine Brille am Tatort und das Verbrechen fliegt auf.
In Rückblenden lernen wir die beiden jungen Studenten kennen – zwei Genies, denen das normale Leben zu langweilig und bieder ist. Fabian Böhle spielt Richard überheblich, eiskalt, berechnend und voller Lust auf Verbrechen. Er misshandelt seinen – ja was eigentlich? – Bekannten, Freund, Gespielen psychisch, in dem er ihn ausgrenzt, missachtet und ausnutzt. Voller Lust ist er nur dann, wenn beide einer brennenden Lagerhalle zusehen oder andere Verbrechen gut gelungen sind. Fin Holzwart als Nathan Leopold ist seinem Partner anscheinend unterlegen und gar unterwürfig. Er tut alles, um bei Richard sein können. Bernd Julius Arends, der auch die deutsche Übersetzung geliefert hat, gelingt es in seiner Inszenierung, diese ungesunde Beziehung in all ihren Facetten auszuleuchten.
Zwei Szenen berühren besonders: Nachdem der Junge ausgesucht ist, der ohne erkennbaren Grund getötet werden soll, bringt Richard diesen dazu, in sein Auto zu steigen. Dies mit all den Tricks, vor denen man seine Kinder immer warnen möchte. Der Mord geschieht dann im Auto, das rechts auf der Bühne hinter einer Wand aus halb durchsichtigem Gaze angedeutet wird. Rotes Licht, die passende Musik, Schreie – mehr braucht es nicht, um den Zuschauer beklommen im Sessel zu fesseln.
Besonders dicht erzählt ist der Moment, in dem durch Radioberichte der Polizei klar wird, dass Nathan seine Brille am Tatort verloren hat. Immer wieder wechselt die Szene zwischen Telefonaten der beiden Protagonisten und dem neusten Erkenntnisstand der Ermittlungen. Sagt sich Richard zunächst noch von Nathan los, werden beide am Ende eingesperrt. Man möchte fast den Atem anhalten. Musikalisch „einfach“ spannende Musik und spürbare Angst der beiden Verbrecher auf der Bühne. Einfach meisterlich!
Am Klavier sitzt wie vor vier Jahren übrigens wieder Jan Wolf, der keine weiteren Instrumente vermissen lässt. Sein Klavierspiel trägt die Darsteller förmlich durch den Abend. In vielen Momenten gibt es einen aufregenden Underscore, der fließend in Songs übergeht, die oft nach vorne drängen, mal nach Kurt Weill klingen oder gar balladesk daherkommen. Zwar bleiben die Melodien nicht gleich im Kopf, doch unterstützen und bereichern sie den Abend und machen ihn so zu einem rundum gelungenen Werk.
Fabian Böhle als Bassbariton singt seine Passagen mit dunkler, warmer Stimme, die sehr angenehm klingt. Anziehend eben. Doch wird die Stimme im rechten Moment hart und kalt. Passend dazu klingt Fin Holzwart hell und zart und muss Partitur-bedingt oft hoch hinaus, was ihm bestens gelingt. Gemeinsam harmonieren die beiden nicht nur schauspielerisch, sondern auch stimmlich, was den Abend durch und durch rund macht.
Hinzu kommt ein in dunklen Grautönen gehaltenes, einfaches doch wirkungsvolles Bühnenbild. Rechts steht die bereits beschriebene Gazewand schräg zur Bühne, hinter der sich das Auto verbirgt. Links, ebenfalls hinter einer solchen Wand der Pianist, so dass der Bühnenraum noch kleiner und beengender wird. Am hinteren Bühnenrand als Beweisstücke aufgebaut die Utensilien, die nach und nach benötigt werden: Sei es die Brille, die Telefone oder das Fläschchen mit der Säure, um das Gesicht des toten Jungen zu verätzen.
Ein echter Thriller. Und was wäre dieser ohne eine nur schwer vorhersehbare Wendung, die den Zuschauer am Ende das Blut in den Adern gefrieren lässt!
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