Fanny Gundlach (Nellie), Thomas Rettensteiner (Utterson), Chris Murray (Dr. Henry Jekyll/Edward Hyde), Kristi Anna Isene (Lucy Harris)    © Vincnet Leifer
Fanny Gundlach (Nellie), Thomas Rettensteiner (Utterson), Chris Murray (Dr. Henry Jekyll/Edward Hyde), Kristi Anna Isene (Lucy Harris) © Vincnet Leifer

Jekyll & Hyde (2016 - 2017)
Großes Haus, Greifswald

Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
 

Langeweile statt Spannung – Horst Kupichs Inszenierung des Wildhorn-Klassikers kommt blutleer und mit Fremdschäm-Momenten daher. Für Glanz-Momente sorgt einzig Chris Murray in der Titel-Doppelrolle.

Grusel-Gefühl fürs Publikum ist ein probates Mittel im düsteren Musical-Thriller über den umtriebigen Dr. Jekyll, der im Selbstversuch sein meuchelndes Alter Ego Edward Hyde zum Leben erweckt. In Horst Kupichs Open-Air-Inszenierung geschieht dies auf Rummelplatz-Geisterbahn-Niveau, indem der Regisseur vier schwarzgewandete Herren mit knochigen Plastik-Pranken Kulissenteile verschieben oder Särge über die Bühne rollen lässt. Auch lungert dieses Quartett mal essend, mal mit Operngläsern ausgestattet, als Gaffer herum und beobachtet die diversen Bluttaten. Das ist aber auch Kupichs einzige Idee für seine hausbacken wirkende Inszenierung, die über drei Stunden einfach nur langweilt. Absoluter Tiefpunkt darin ist die Szene in der „Roten Ratte“, in der fünf lasziv schauende, Po-wippende Choristinnen in schlaffer Choreografie von Ralf Dörnen zu „Schaff die Männer ran“ Damen des horizontalen Gewerbes mimen und dem Etablissement damit jegliche Verruchtheit austreiben. Diese Erotik auf Hausmütterchen-Niveau wirkt wie eine peinliche Parodie, die einen erschaudern lässt.

So dargeboten, verkommt „Jekyll & Hyde“ zu einer harmlos-schwülstigen Operette, in der die Protagonisten in braven, historisierenden Kostümen (Christopher Melching) meist frontal ins Publikum blickend Songs aus der Feder von Frank Wildhorn zum Besten geben dürfen. Henning Ehlert dirigiert dazu die in einem Zelt links von der Bühne sitzenden Musiker des Philharmonischen Orchesters Vorpommern mit schleppenden Pathos, sodass eigentlich packende Massenszenen wie „Fassade“ oder „Mörder“ bieder klingend verpuffen. Der Opernchor des Theaters Vorpommern, dessen Mitglieder auch in zahlreichen Nebenrollen solistisch tätig sind, setzt dabei allerdings akustische Glanzpunkte.

Auf der Habenseite der Produktion steht auf jeden Fall das schnell wandelbare Bühnenbild in Bilderbuch-Optik. Christopher Melching hat vier – auf allen Seiten mit kritzelig-bunten Zeichnungen versehene – Türme entworfen, die sich in immer neue Formationen verschieben lassen. In ihren oberen Etagen lassen sich Fenster öffnen, sodass hier zusätzliche Spielebenen entstehen. Dr. Jekylls helles, die gesamte Bühnenbreite einnehmendes Labor in quietschigem Gelb ist in dieser Inszenierung ein funktionaler Arbeitsplatz und nicht eine geheimnisvolle Versuchsküche. Hier wirkt Christ Murray als eifriger, in sich zerrissener Forscher, der im Selbstversuch zu einem Monster mutiert. Murray spielt und singt diese kräftezehrende Doppelrolle abseits jeglicher Routine und gewinnt dem netten Dr. Jekyll sogar ungewöhnlich komische Züge ab. Stimmlich glänzt er mit kraftvollem Bariton, der mühelos auch hohe Töne meistert und für Songs wie „Dies ist die Stunde“ nicht erst beim Schlussapplaus bejubelt wird. Eine grandiose Leistung!

Neben einem so erfahrenen Musicaldarsteller haben es die Sänger des hauseigenen Musiktheater-Ensembles schwer. Abseits von opernhaften Pathos gefällt Kristi Anna Isene als Lucy Harris. Sie nimmt ihren klassisch geschulten Sopran sehr zurück und singt als gebrochen wirkende Frau mit feiner Stimme Songs wie „Jemand wie du“ oder gemeinsam mit Murray ein packendes „Gefährliches Spiel“. In der etwas undankbaren Rolle der Lisa gibt Jardena Flückiger die Operetten-Diva, die nach der Pause mit „Da war einst ein Traum“ zumindest ein großes Solo hat, das sie hörbar auskostet. Als ihr Vater wirkt Alexandru Constantinescu (Sir Danvers Carew) optisch eher wie Lisas jüngerer Bruder. Aufhorchen lässt noch Doris Hädrich-Eichhorn als zickige Lady Beaconsfield. Thomas Rettensteiner ist ein etwas poltrig wirkender Utterson.

Kurz nach Mitternacht endet am Stralsunder Sund der bieder dargebotene Spuk um das aus den Fugen geratene Experiment eines gescheiterten Wissenschaftlers. Schade. Ambiente und Publikum hätten mehr verdient.

 
Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
KREATIVTEAM
Musikalische LeitungHenning Ehlert
InszenierungHorst Kupich
Bühne und KostümeChristopher Melching
ChoreografieRalf Dörnen
 
Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
CAST (AKTUELL)
Dr. Henry Jekyll / Edward HydeChris Murray
Veit Schäfermeier
Gabriel John UttersonThomas Rettensteiner
Sir Danvers CarewAlexandru Constantinescu
Lisa, seine TochterJardena Flückiger
Lady BeaconsfieldDoris Hädrich-Eichhorn
Der Bischof von BasingstokeTye Maurice Thomas
Lord SavageBernd Roth
General Lord GlossopValmar Saar
Sir Archibald ProopsAlexej Trochin
Lucy HarrisKristi Anna Isene
Nellie, eine ProstituierteFanny Gundlach
Spider, ein Zuhälter/StrideJohannes Richter
Pool, ButlerAndreas Ammelung
Bisset, ApothekerVolkmar Aßmus
Mike/PfarrerByung Ahn
ZeitungsjungeKristina Herbst
KindPaul Gundlach
Erster MannBernd Roth
Zweiter MannMaxim Vinogradov
Dritter MannKatja Böhme
RipperBernd Roth
Alexej Trochin
Valmar Saar
Sochi Kobayashi
Mooyeol Yang
Byung Jun Ahn
Volkmar Assmus
Krankenhauswärter, Patienten, Prostituierte, Bettler, Reisende, Gäste und Einwohner LondonsMitglieder des Opernchores
Opernchor des Theaters Vorpommern
Philharmonisches Orchester Vorpommern
  
Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
TERMINE
keine aktuellen Termine
 
Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
TERMINE (HISTORY)
Sa, 18.06.2016 19:00Bühne am Museumshafen, GreifswaldPremiere
So, 19.06.2016 19:00Bühne am Museumshafen, Greifswald
Fr, 24.06.2016 19:00Bühne am Museumshafen, Greifswald
▼ 14 weitere Termine einblenden (bis 24.05.2017) ▼
Zur Zeit steht die Funktion 'Leserbewertung' noch nicht (wieder) zur Verfügung. Wir arbeiten daran, dass das bald wieder möglich wird.
Overlay