Im 15. Jahr der Schlossgartenfestspiele steht in Neustrelitz nach vierzehn Operetten ein Musical auf dem Spielplan. Ganz den Erwartungen des Stammpublikums entsprechend inszeniert Wolfgang Lachnitt sehr traditionell große Bilder mit klamottiger Personenführung in der schmucker Ausstattung von Bernd Franke (Bühne) und Stephan Stanisic (Kostüme). Schwach: DDR-Entertainment-Urgestein Dagmar Frederic in der Titelrolle.
Große Aufregung im edlen Harmonia-Garden-Restaurant. Der Oberkellner kündigt einen ganz besonderen Gast an: „Die Einzigartige, die Göttliche: Dolly Gallagher Meyer“. Zum unverwüstlichen Titelsong „Hello, Dolly“ schreitet die Angekündigte in einem silbernen Paillettenkleid – gekrönt mit einem extravaganten Fasanenfeder-Kopfputz – die leuchtenden Showtreppenstufen hinunter. Im nächtlichen Neustrelitzer Schlossgarten breitet sich zum Klang der Neubrandenburger Philharmonie (Dirigent in der besuchten Vorstellung: Jörg Pitschmann) beschwingte, operettenseelige Revue-Atmosphäre aus.
Ähnlich wie bei diesem Auftritt der Titelfigur zum Ende des Stücks, gelingt es Regisseur Wolfgang Lachnitt während der gesamten Aufführung mühelos, bei Massenszenen die sehr breite Bühne mit Leben zu erfüllen. Dabei nutzt er die Möglichkeiten einer Open-Air-Aufführung und lässt zum Beispiel die Protagonisten in vier echten Pferdekutschen aus dem Provinzkaff Yonkers in die Metropole New York abreisen. Mit Choristen (Opern- plus Extrachor des Landestheaters), sechs Tanzpaaren (Deutsche Tanzkompanie), einer Blaskapelle (Lychener Stadtmusikanten) und einem Heer an Statisten entstehen Tableaus mit großem Schauwert. Einziger Wehrmutstropfen ist die wackelige, sehr asynchrone Umsetzung der ohnehin recht einfachen Ballett-Choreografien (Thomas Vollmer).
Bernd Frankes eindrucksvoller, blau-weiß-roter Stars-And-Stripes-Bühnenaufbau unterstreicht die schicke Optik ebenso wie das in den gleichen Farben gehaltene, opulente Ensemble-Kostümbild von Stephan Stanisic. Die Titelheldin kleidet Stanisic hingegen in elegante, oft bonbonfarbene Roben, die ebenso mit Rüschen, Schleifchen oder Blumen übersät sind wie die der weiblichen Nebenrollen. Die Herren erscheinen in grell-bunten Anzügen mit gewagten Karo-Streifen-Kombinationen.
Diese leicht in Richtung einer Karikatur übertriebenen Kostüme korrespondieren gut mit Wolfgang Lachnitts Personenführung. Insbesondere die Nebenfiguren wirken bis an die Schmerzgrenze reichend klamaukig überzeichnet. Cornelius Hackl (übertrieben überdreht: Hardy Lang) und Barnaby Tucker (mit Donald Duck-Grimassen und -Lachen: Andrés Felipe Orozco) verkommen ebenso zu Knallchargen, wie Ermengarde (kreischig: Margret Giglinger) und deren Galan Ambrose Kemper (trottelig und tumb: Christian Arnold). Bei diesem nervigen Paar bleibt zudem unklar, welche Funktion sie überhaupt im Stück haben.
Lena Kutzner und Anna Maistriau spielen das Hutmacherinnen-Duo Irene Molloy und Minnie Fay nicht ganz so übertrieben, setzen allerdings das gesteckte Ziel, sich an Männer heranzuschmeißen, konsequent um. Umso hektischer reagieren sie, als Horace Vandergelder (Bernd Könnes als polternder Stinkstiefel mit Herz) das Versteck seiner beiden Angestellten in ihrem Geschäft zu entdecken droht. Alle Solistinnen und Solisten, eher im klassischen Fach als im Musical zu Hause, singen stimmschön ohne Ausreißer nach oben oder unten.
Als Dolly steht Dagmar Frederic, vor der Wende eine der bekanntesten Entertainerinnen der DDR, auf der Bühne. Allerdings füllt sie die Rolle der Leading Lady nur bedingt aus. Frederic gibt eher die elegante Dame, ihr fehlen ein gewisses Maß an Souveränität und Frechheit. Vielleicht entsteht dieser Eindruck auch, weil ihre Texte eher aufgesagt wirken und sie der Dolly eine gewisse Distanz zu den anderen Mitspielern verleiht. Gesanglich ist Frederic solide, allerdings mangelt es ihrer angenehmen, eher tieferen Chansonstimme an strahlender Durchsetzungskraft.
Großen Jubel für Frederic hagelt es am Ende trotzdem. Schließlich ist sie – ähnlich wie ihre Bühnenfigur – der auf allen Plakatwänden der Stadt groß angekündigter Stargast. Und wie im Stück zeigt das auch beim Publikum in Neustrelitz die gewünschte Wirkung.
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