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Rent (2011)
Schlossfestspiele, Ettlingen

Kreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
 

Die Schlossfestspiele Ettlingen haben als erster deutscher Freilichtfestspielort „Rent“ auf die Bühne gebracht, und das Ergebnis ist durchaus sehenswert: In stimmungsvoller Baustellen-Atmosphäre zeigt Udo Schürmer eine schöne Inszenierung mit guter Cast und tollem Bühnenkonzept.

Obwohl am Ettlinger Schloss dieses Jahr überall gebaut wird, haben die Verantwortlichen die Festspiele wie gewohnt im Schlosshof stattfinden lassen, und mit „Rent“ ein Stück gefunden, dem die Baustellen-Atmosphäre nicht schadet, sondern sogar zu Gute kommt. Zwar musste man die Bühne im Vergleich zu den Vorjahren leicht verkleinern, aber es bleibt dennoch mehr als genug Platz für die Inszenierung, und die Gerüste wirken im Kontext des Settings von „Rent“ im New Yorker East Village beinahe schon wie eine absichtlich erstellte Kulisse.
Das eigentliche Bühnenbild (Steven Koop) eröffnet eine Vielzahl an Handlungsorten, Spielmöglichkeiten und Auf- und Abgangswegen: Es besteht aus mehreren Ebenen mit Stangen und Treppen vor einer großen, dunklen, Graffiti-verschmierten Wand, die ihrerseits durch mehrere Öffnungen unterbrochen wird. Dieser Bühnenaufbau verortet das Stück zwar buchgemäß im East Village, ist aber unkonkret genug gehalten, um den häufigen Ortswechseln im Stück gerecht zu werden. Regie und Darstellern gelingt es, den Bühnenraum gut auszunutzen und mit einfachen Mitteln (Tische, Licht, etc.), vor dem immer gleichen Hintergrund ohne große Umbauten die unterschiedlichsten Handlungsorte entstehen zu lassen (von Rogers und Marks Apartment über Maureens Bühne bis hin zum Life Café).
Überhaupt hat Udo Schürmer – gleichzeitig auch Intendant der Schlossfestspiele – eine abwechslungsreiche, berührende Inszenierung geschaffen. Er kostet die komischen Momente aus (z.B. „Maureens Performance“), betont aber auch die Dramatik des Stückes und die Probleme der Charaktere, wenn etwa die Selbsthilfegruppe ihrer bereits verstorbenen Mitglieder gedenkt. Auch „Werd ich“ erhält eine besondere Schwere, da es nicht wie gewohnt im Kontext der Selbsthilfegruppe gesungen wird, sondern die Darsteller über die Bühne verteilt stehen und jeder für sich, als einsame, kranke Menschen singen.
Auch einige Textänderungen in der Übersetzung von Wolfgang Adenberg sind vorgenommen worden. Dabei handelt es sich meist nur um kleine Anpassungen, die zum überwiegenden Teil dem Textfluss sehr zum Vorteil gereichen.
Der Cast fehlt es zu Anfang noch an der nötigen Energie. Diese baut sich allerdings im Verlauf der ersten Szenen auf, sodass im Gesamtbild eine überzeugende Ensembleleistung herauskommt. Die acht Nebendarsteller überzeugen in ihren ständig wechselnden Rollen als Junkies, Obdachlose, Selbsthilfegruppe, Eltern usw. mit starken Stimmen und ansprechendem Schauspiel.
Thomas Christ gibt einen eher blassen, zurückhaltenden Mark, singt aber glasklar und harmoniert stimmlich sehr gut im Duett mit Korbinian Arendt (Roger) und dessen angenehmem Rocktimbre. So ganz will zwischen den beiden dann aber doch die Chemie nicht stimmen: Sie wirken eher wie zwei Männer, die sich zwar gut verstehen, aber eher aus Zweckdienlichkeit eine Wohnung teilen als aus einer engen Freundschaft heraus. Auch die Chemie zwischen Arendt und Vera Bolten (Mimi) stimmt noch nicht gleich. In „Feuer für die Kerze“ fehlt zwischen den beiden noch die nötige Spannung, spätestens ab „Es zählt nur das jetzt“ entsteht sie dann aber und die beiden harmonieren gut miteinander. Der Dritte im Bunde ist Fernando Spengler alias Tom Collins. Er ist aufgrund seines Akzentes manchmal schwer zu verstehen, singt und spielt aber tadellos. Markus Maria Düllmann (Benjamin Coffin) steht rollenbedingt eher außerhalb der Gruppe. Er macht seine Sache sehr ordentlich, kann aber gegenüber dem Rest des Ensembles keine besonderen Akzente setzen. Tom Schimon (Angel) liefert eine rundum überzeugende, energiegeladene Performance ab – vor allem sein Solo im ersten Akt ist stark und markiert das erste wirklich Highlight des Abends. Weitere Glanzlichter werden der Inszenierung aufgesetzt von Anke Fiedler (Maureen) und Cemile Bakanyildiz (Joanne, im ersten Akt noch mit eher aufgesetzt wirkendem Schauspiel, im zweiten Akt dann aber vollends in der Rolle aufgehend) mit „Maureens Performance“, „Alles klar“ oder „Lass mich oder verlass mich“. Vera Bolten hinterlässt als Mimi ebenfalls einen guten Eindruck. Ihre Stimmfärbung ist zwar eher gewöhnungsbedürftig, sie spielt ihre Rolle jedoch sehr stark als junge, wilde Frau, deren innere Zerrissenheit sie an den Rand der Unberechenbarkeit führt. Da ist ihr Lebenshunger einerseits und die tödliche Krankheit und ihre Drogensucht auf der anderen Seite. Nachhaltig beeindrucken kann Bolten vor allem mit ihrer Performance in „Raus heut‘ Nacht“, wo sie beweist, dass sie in der Lage ist, gleichzeitig die in der Szene sehr starke Choreographie (André Sultan-Sade) umzusetzen, mit der nötigen Ausstrahlung zu spielen und dabei noch absolut sauber und kraftvoll zu singen. Phantastisch umgesetzt!
Die Choreographien sind ansonsten allerdings eher durchwachsen. Stark ist „Raus heut‘ Nacht“, schön auch „Tango Maureen“ (szenisch im Übrigen eher angelehnt an den Film: Es gibt einen extra instrumentalen Einschub, und Maureen persönlich tanzt die Szene mit Mark und Joanne), aber die Choreographie in Stücken wie dem zweiten Teil von „La Vie Bohème“ will nicht so ganz passen. Ob es sinnvoll ist, die Darsteller zu einem Lied, das sich um Anarchie und (künstlerische) Freiheit dreht, zueinander synchrone Schrittfolgen tanzen zu lassen, ist fraglich – in jedem Fall wirkt das im Kontext der Szene unpassend.
Ein Wermutstropfen war stellenweise die Technik, die am Premierenabend vor allem im zweiten Akt mehrmals den Einsatz verpasste. Mikrophone wurden zu spät hochgefahren, die Bühne wurde mit der offensichtlich falschen Lichtstimmung beleuchtet, sodass die agierenden Darsteller plötzlich im Dunkeln standen, während eine leere Treppe hell erleuchtet war. Grundsätzlich war das Lichtdesign (David Horn) aber passend und stimmungsvoll, auch wenn es freilichtbedingt erst ab dem zweiten Akt wirklich zur Geltung kommen konnte.
Die Abmischung zwischen den einzelnen Kanälen sowie zwischen Orchester und Darstellern war dagegen überwiegend gut bis sehr gut, es war stets hervorragend zu hören und zu verstehen, was gespielt bzw. gesagt und gesungen wurde.
Insgesamt kann sich die Inszenierung der Schlossfestspiele also durchaus sehen lassen. Die Inszenierung mag nicht zu den Innovativsten gehören, ist aber in sich stimmig und kann berühren. Damit haben die Ettlinger vorgemacht, wie es geht, und den Beweis angetreten, dass „Rent“ auch als Freilichtstück wunderbar funktionieren kann.

 
Kreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
KREATIVTEAM
Musikalische LeitungJürgen Voigt
RegieUdo Schürmer
ChoreografieAndré Sultan-Sade
BühnenbildSteven Koop
KostümeKiki de Kock
 
Kreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
CAST (AKTUELL)
Mark CohenThomas Christ,
(Florian Claus)
Roger DavisKorbinian Arendt,
(Alexander Martin)
Maureen JohnsonAnke Fiedler,
(Judith Peres)
Joanne JeffersonCemile Bakanyildiz,
(Maren Reimann)
Tom CollinsFernando Spengler,
(Oliver Schaffer)
Mimi MárquezVera Bolten,
(Lisa Huk)
Angel DumontTom Schimon,
(André Sultan-Sade)
Benny CoffinMarkus Maria Düllmann
EnsembleFlorian Claus
Lisa Huk
Alexander Martin
Judith Peres
Maren Reimann
Oliver Schaffer
André Sultan-Sade
Oliver Timpe
 
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TERMINE
keine aktuellen Termine
 
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TERMINE (HISTORY)
Sa, 25.06.2011 20:30Schlossfestspiele, EttlingenPremiere
So, 26.06.2011 18:00Schlossfestspiele, Ettlingen
Mi, 29.06.2011 20:30Schlossfestspiele, Ettlingen
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