Im Himmel vorusse - ein Liederabend (2009 - 2010)
Theater, Basel

„Im Himmel vorusse“ ist Baseldeutsch und bedeutet sinnbildlich „ein großes Durcheinander“. Tom Ryser ist es gelungen, einen himmlisch leisen und humorvollen Liederabend zu inszenieren, der dem Zuschauer viel Platz lässt, um über die Thematik „Was kommt nach dem Tod?“ nachzudenken.

Im Saal ist es zu Beginn des Stückes – bis auf in den Kopfbedeckungen der Darsteller befestigten Lampen – stockdunkel und anfänglich still. Bald beginnt auf dem Balkon ein Mädchenchor, „Miserere“ von Gregori Allegri zu singen. Von der Bühne hört man ein leises „Gute Nacht“ und bald stimmen immer mehr Menschen ein. Es scheint Zeit zum Zubettgehen zu sein.
Das Unglaubliche geschieht: Basel wird überflutet. Basel ist untergegangen. Acht Frauen erscheinen auf der Bühne, die alle bei einer Katastrophe gestorben sind, über deren Ursache zunächst nichts bekannt ist. Jede der acht Frauen hat einen anderen Zugang zur Thematik „Himmel“, der sich in ihren Aussagen und ihrer Gestik manifestiert. Im Verlaufe des Abends suchen die Frauen den Weg in den Himmel, ihre Stationen auf dieser Suche erzählen sie in Liedern.
Das Bühnenbild von Marion Menzinger erinnert an einen Wartesaal. An der Decke hängen etliche Japanlampen aus Papier; eine Parkuhr, Warteschranken, zwei Treppen, die nach unten führen und ein Klavier sind weitere Elemente. Eine wunderbare Idee ist es, die Gesichter des Mädchenchors der Mädchenkantorei Basel auf die Lampen zu projizieren. Die Mädchen kichern, winken, klatschen, schneiden Grimassen, manche schauen lieb, geradezu engelsgleich. Die Kostüme wurden von Uta Meenen entworfen. Alle Frauen tragen die Kleidung, die sie während des Unglücks trugen, nämlich Schlafanzüge und Hausschuhe in allen Variationen. Alle Kostüme sind mit Liebe zum Detail gestaltet.
Die Bandbreite der gewählten Lieder reicht von den Beatles („Lucy in the Sky“) über die „Rocky Horror Show“ („There’s a Light“) und „Satisfaction“ von den Rolling Stones bis hin zu Rammstein („Mädchenkantorei“/“Engel“), aber auch klassischen Stücken wie „Guarda che luna“. Sie sind optimal in den Stückverlauf eingeflochten und auf die einzelnen Charaktere abgestimmt. Alle Songs erzählen vom Himmel, der Erde, Gott und den Menschen. Begleitet wird die Damentruppe vom Pianisten Leonid Maximov, der feine jazzige und auch Baslerische Variationen einbringt und dabei mit viel Enthusiasmus und Gefühl spielt.
Tom Ryser hat für das Ensemble sechs Frauen aus dem Opernchor sowie Meimouna Coffi und Lucca Züchner (beide bekannt aus dem Musical „Hair“ am Theater Basel) gewonnen. Jede der Rollen ist ideal besetzt: Alle überzeugen durch elanvolles Schauspiel und starke Stimmen. Hervorzuheben sind auch die hervorragenden Dialogtexte von Susanne Heising.
Die Darstellerinnen waren außerdem maßgeblich an der Entstehung des Stücks beteiligt. Dadurch ergab sich für die Regie die Möglichkeit, Ideen und Flexibilität aller Beteiligten einzufordern und zu nutzen, und in den Lauf der Handlung persönliche Erlebnisse der Darstellerinnen einzubauen.
Tom Ryser inszeniert seine vierte Produktion am Theater Basel. „Im Himmel vorusse“ ist leiser und besinnlicher als die Vorgänger „Sekretärinnen“ und „Hair“ und zeigt erneut Rysers Fähigkeit, Humor mit Tiefgründigkeit zu verbinden, die Begriffe Phantasie, Kindlichkeit und Zusammengehörigkeit zu vermitteln, Bekanntes mit Neuem zu verknüpfen – und schlussendlich durch die Einfachheit der Dialoge eine philosophische Atmosphäre zu erzeugen.
Der Schluss des Stückes wird nicht verraten. Die Thematik, wie einfach sie vordergründig auch zu scheinen mag, betrifft uns alle und regt zum Denken an. Der Mut des Theater Basel, ein Stück zu inszenieren, bei dem nur die Vorgabe „Liederabend zum Thema Himmel“ bekannt ist, hat sich gelohnt.