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Martin L. (2008)
Domstufen, Erfurt

Kreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
 

Schwaches Buch, wirre Partitur: Aus der durchwachsenen Vorlage holt die Inszenierung von Matthias Davids noch das Bestmögliche heraus. Großartig gelungen sind dabei die Lichtregie und die atmosphärische Dichte der Massenszenen.

Sofort bietet es sich an, Vergleiche anzustellen. Mit „Elisabeth – Legende einer Heiligen“ und „Bonifatius“, zwei Musicals, die bei ihrer Uraufführung regionale Hits waren, deren Erfolg aber wohl kaum andernorts zu wiederholen ist. Bei „Bonifatius“ ist der Transfer in eine andere Spielstätte bereits kläglich gescheitert. Nun ist aber „Martin L.“ kein Musical über eine nur regional bekannte Persönlichkeit – Luther kennt man weltweit, er war Wegbereiter der Reformation, ohne die die westliche Kultur in ihrer heutigen Form undenkbar wäre. So gesehen bietet die Biografie aus der Feder des norwegischen Duos Oystein Wiik (Buch) und Gisle Kverndokk (Musik) eine doppelte Chance: Man präsentiert dem thüringischen Publikum „seinen“ Martin Luther in einem auch kommerziell erfolgreichen Musical-Sommerspektakel und hofft anschließend darauf, das Stück im gesamten deutschsprachigen Raum bei Staats- und Stadttheatern an den Mann bringen zu können.
Der Haken: „Martin L.“ wird ohne Überarbeitung wohl kaum erfolgreich an anderen Spielorten laufen. Wiiks Buch krankt an vielem, zunächst an der vom Autor hinzugedichteten, viel zu langatmigen und vorhersehbaren Liebesgeschichte zu Beginn. Eine geschlagene halbe Stunde dauert es, bis die zum Scheitern verdammte Beziehung Luthers zu einer Bürgerlichen durchgekaut ist, Szenen, in denen alle Protagonisten einschließlich des Titelhelden seltsam farblos bleiben. Anschließend hastet Wiik in einem atemlosen Durcheinander durch die wichtigsten biografischen Stationen Luthers. Oft wird das gerade angestimmte Duett oder der Ensemblesong abrupt beendet – nur keine Zeit verlieren, die nächste Szene wartet. Schöne Einfälle – wie die den Ablasshandel preisende Revuenummer der päpstlichen Kurie – sind selten. So könnte der Beginn problemlos gestrafft, der zweite Teil des ohnehin mit 100 Minuten relativ kurzen Musicals dagegen detaillierter ausgearbeitet werden, um sowohl der Entwicklung der Handlung als auch der Charakterisierung der verschiedenen Figuren, denen Luther im Laufe seines Lebens begegnet, mehr Raum zu geben.
Komponist Kverndokk mixt seine Partitur aus einer Fülle unterschiedlicher Stilrichtungen, zitiert Oper und Operette, bedient sich bei Claude-Michel Schönberg und Sylvester Levay, lässt Elemente aus der mittelalterlichen Kirchenmusik einfließen und verzichtet auch nicht auf hymnische Rocknummern. Viele Ideen sind für sich genommen richtig gut, das Liebesduett zwischen Luther und Ursula taugt gar als Ohrwurm, insgesamt entsteht aber ein konfuses, eher skizzenhaft wirkendes Potpourri. Eingängigkeit: meist Fehlanzeige.
Glücklicherweise gelingt es Regisseur Matthias Davids und seinem Kreativteam, trotz der schwachen Vorlage ein rundum eindrucksvolles Gesamtbild auf die Domstufen zu zaubern. Davids nutzt dabei die Weite des bespielbaren Raumes konsequent: Er platziert sein Ensemble mal auf einem der Treppenabsätze oder auf dem weitläufigen Platz vor den Stufen, mal auf der Terrasse vor dem über der Szenerie thronenden Dom. Sogar auf den Spitzen der überdimensionalen, die Domtreppe förmlich durchbohrenden Einsennägel (Ausstattung: Knut Hetzer) treten die Protagonisten wie auf einer Kanzel auf. Oft deutet Davids drei, vier Schauplätze gleichzeitig an und lässt Szenen parallel beginnen und enden. So bleibt die Handlung im Fluss, es entstehen kaum Pausen. Zusammen mit den gelungenen mittelalterlichen Kostümen und der grandiosen Beleuchtung schafft das Kreativteam eine dichte, oft düstere und bedrohliche Atmosphäre. Die Lichtregie (Stefan Winkler) leistet hierzu den entscheidenden Beitrag: Riesige Projektionen, die den Stufen und allen Gebäuden des Domhügels unwirkliche Struktur verleihen, ausdrucksvolle Farbwechsel, die Nägel je nach Stimmung blutrot oder leuchtend blau – Winklers Beleuchtung ist höchst eindrucksvoll und passt immer.
Yngve Gasoy-Romdal in der Titelrolle und Carsten Lepper als Luthers Alter Ego Jörg (im Lackmantel immer präsent und die zweifelnde Seite Luthers symbolisierend) ergänzen sich gesanglich sehr gut: Romdals weiche, vibrierende Stimme bildet einen interessanten Kontrast zum kraftstrotzdenden, leicht metallisch klingenden Organ Leppers. Während Leppers Rolle eindimensional bleibt und ihm darstellerisch kaum etwas abverlangt, gelingt es Romdal, nach der undankbaren ersten halben Stunde den oft zweifelnden, aber konsequent nach seinen Prinzipien und seinem Glauben handelnden Luther glaubhaft darzustellen. Die Verteidigungsrede des Reformators in Worms ist Romdals stärkste Szene.
Das Buch gibt den Nebendarstellern leider wenig Chancen, aus ihren Rollen mehr als Staffage zu machen. Petra-Madita Kübitz (Ursula) kann im erwähnten Liebesduett nicht glänzen und verschwindet rollenbedingt ziemlich schnell wieder von der Bühne. Fernand Delosch als Ablasshändler Tetzel, Charlie Serrano als Papst Leo X. sowie Axel Meinhardt in der Rolle des Kurfürsten Friedrich haben ansehnliche Kurzauftritte, während Mathias Sanders als Luthers Gegenspieler Thomas Müntzer einen ziemlich eindimensionalen Bösewicht gibt. Die großen Massenszenen – wie die Huldigung Luthers durch das Volk („Martin ist der Mann, er führt uns an!“) – entfalten dagegen auf dieser phantastischen Bühne eine Wirkung, die die Schwächen des Stücks fast vergessen lässt.

 
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KREATIVTEAM
Musikalische LeitungPhilip Tillotson
RegieMatthias Davids
ChoreographieKurt Schrepfer
AusstattungKnut Hetzer
 
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CAST (AKTUELL)
MartinYngve Gasoy Romdal
JörgCarsten Lepper
UrsulaPetra Madita Kübitz
Bunz / TetzelFernand Delosch
Steffen / CarlstadtFrank Winkels
Caspar / MelanchthonMáté Sólyom-Nagy
Hans Luther / Friedrich der WeiseAxel Meinhardt
Staupitz / von der EckenMichael Tews
Leo X.Charlie Serrano
Georg / SpalatinFrank Logemann
Thomas MüntzerMatthias Sanders
 
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TERMINE
keine aktuellen Termine
 
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TERMINE (HISTORY)
Sa, 05.07.2008 21:30Domstufen, ErfurtPremiere
So, 06.07.2008 21:30Domstufen, Erfurt
Di, 08.07.2008 21:30Domstufen, Erfurt
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