Franz Wittenbrink bringt Lebensweg und -werk Heinrich Heines musikalisch und szenisch gelungen auf die Bühne. Exzellente Künstler zeigen einen szenischen Liederabend mit ironischen und nachdenklichen Untertönen.
Wäre der so genannte Wittenbrinkabend im Lexikon zu finden, könnte die Beschreibung vielleicht wie folgt lauten: themenzentrierter Liederabend mit altbekannten Songs aus Schlager und Charts. Nach bekanntem Muster kamen so bestimmten Bevölkerungsgruppen gewidmete Stücke wie „Sekretärinnen“, „Mütter“ und „Männer 06“ heraus. Anders ist es bei Wittenbrinks „Im Hirn spukt mir ein Märchen wunderfein“, einem Liederabend, den er dem deutschen Dichter und Journalisten Heinrich Heine widmet. Hier reiht sich nicht ein Schlager an den nächsten, hier kommt nicht ein Charthit nach dem anderen zu Gehör. Vielmehr hat Wittenbrink tief in die eigenkompositorische Kiste gegriffen und einen reichen Melodienbogen mit sage und schreibe 47 Liedern gezaubert. Zwar taucht auch hier die Melodie von „Lady Marmelade“ auf, doch lässt er dazu Heines Text „Es war einmal ein Teufel“ singen und kreiert damit seinen eignen Song mit dem Titel „Harry Malade“. Und vor allem Wittenbrinks eigene Kompositionen funktionieren erstaunlich gut, denn er hat wunderbare, oft melancholische Melodien zu Heines Texten geschrieben.
Das Bühnenbild von Raimund Bauer und Irene Ip ist spärlich, jedoch ausreichend. Es zeigt Heines Wohnung, sein Sterbebett, ein paar Sessel und – wie von einem Dichter zu erwarten – Unmengen beschriebenen Papiers. Uwe Richter setzt die Bühne in schummriges Licht, was die Szenerie bestens unterstreicht: der alte Heinrich Heine (George Meyer-Goll) liegt im Bett und lässt sein Leben Revue passieren. Christian Friedel gibt als Doppel den jungen Heinrich Heine, der als letzter Dichter der Romantik gilt. Und um Romantik geht es auch in diesem Stück, besser gesagt, um Heines Frauengeschichten. Während des Stücks begleiten ihn drei Frauen, zählt man die Zugehfrau Hannelore Ley noch dazu, sind es sogar vier. In Wittenbrinks Stück spielt diese aber nur eine kleine Rolle, doch Angela Müthel weiß sich als genervte Putzfrau mit rheinischer Schnauze („Boah, isch krieg‘ Plaque!“), die mit Heines Papierchaos nicht fertig wird, gut in Szene zu setzen. Weiter ist da Josepha Edel, Tochter eines Düsseldorfer Scharfrichters und Heines erste große Liebe, gesanglich wie schauspielerisch sehr überzeugend von Mila Dargies dargestellt. Szenisch sehr gut umgesetzt ist insbesondere ihr Lied „Maria Antoinette“ – durch dezenten Lichteinsatz auf der sonst stockdunklen Bühne scheint der Kopf der Schauspielerin mehrere Meter über dem Boden zu schweben, während ihr Körper eigene Wege geht.
Als Heines Ehefrau Mathilde steht Susanne Jansen auf der Bühne. Optisch kommt sie in Nini von Selzams Kostümen im Zigeunerlook daher, schauspielerisch gibt sie sich als launenhaftes und jähzorniges Bauernmädchen. Als wahrer Glanzpunkt der Inszenierung erweist sich jedoch Anne Weber als Elise Krinitz, von Heine liebevoll Mouche genannt. Schon bei ihrem ersten Auftritt, bei dem sie eindrucksvoll aus dem Bühnenboden fährt, präsentiert sich die blonde Diva mit einer bis in die hohen Tonlagen perfekten Stimme. Die beiden Heine-Darsteller ergänzen sich perfekt. Meyer-Goll gibt den von langer Krankheit gezeichneten alten Heine schauspielerisch überzeugend, indem er den Dichter sehr gebrechlich spielt. Diese Gebrechlichkeit bringt er auch in die gesangliche Umsetzung seiner Rolle ein, was ihm durch verschiedene Variationen der Stimme – mal laut krächzend, mal leise singend – spielend gelingt. Christian Friedel als junger Heine hat zunächst einmal eine nicht abzustreitende Ähnlichkeit mit dem echten Heine, wie man ihn von Porträts kennt. Schauspielerisch ist er eine perfekte Ergänzung zu Meyer-Goll, er gibt den jungen Dichter als eifrigen Hitzkopf, mal schmierig, mal poetisch.
Für die souveräne musikalische Unterstützung sorgen Franz Wittenbrink selbst am Klavier und Friedrich Paravicini an Cello und Akkordeon. Wittenbrink, der nicht nur als Komponist und Pianist für den Heinrich-Heine-Liederabend verantwortlich zeichnet, sondern auch für die Regie zuständig ist, hat mit „Im Hirn spukt mir ein Märchen wunderfein“ ein wunderbar intimes Stück geschaffen, das Lust auf Heines Texte macht und auch ohne große Handlung auskommt. Vielleicht ist es gerade deshalb nicht jedermanns Sache, aber eines ist es auf jeden Fall: poetisch.
Di, 27.03.2007 19:30 | Schauspielhaus, Hannover | Voraufführung |
So, 01.04.2007 19:30 | Schauspielhaus, Hannover | Premiere |
Sa, 07.04.2007 19:30 | Schauspielhaus, Hannover | |
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Fr, 13.04.2007 19:30 | Schauspielhaus, Hannover | |
Fr, 20.04.2007 19:30 | Schauspielhaus, Hannover | |
Do, 03.05.2007 19:30 | Schauspielhaus, Hannover | |
Mi, 16.05.2007 19:30 | Schauspielhaus, Hannover | |
Mo, 28.05.2007 19:30 | Schauspielhaus, Hannover | |
Di, 05.06.2007 19:30 | Schauspielhaus, Hannover | |
Do, 28.06.2007 19:30 | Schauspielhaus, Hannover | |
Mi, 19.09.2007 19:30 | Schauspielhaus, Hannover | |
Sa, 29.09.2007 19:30 | Schauspielhaus, Hannover | |
Fr, 12.10.2007 19:30 | Schauspielhaus, Hannover | |
Do, 13.12.2007 19:30 | Schauspielhaus, Hannover | |
So, 23.12.2007 19:00 | Schauspielhaus, Hannover | |
Sa, 05.01.2008 19:30 | Schauspielhaus, Hannover | |
So, 23.03.2008 19:00 | Schauspielhaus, Hannover | |
Sa, 05.04.2008 19:30 | Schauspielhaus, Hannover | |
Sa, 29.11.2008 19:30 | Schauspielhaus, Hannover | zum letzten Mal |
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