Von dieser Produktion haben wir leider keine Fotos
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Das Phantom der Oper (Lloyd Webber) (2005 - 2007)
Colosseum, Essen

CastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
 

Auch in Essen fällt der Kronleuchter pünktlich zum Pausenfinale – Überraschungen hält die 20 Jahre alte Harold-Prince-Original-Inszenierung keine parat. Interessant macht die Produktion allein die Besetzung. Inzwischen hat Christian Alexander Müller die Titelrolle übernommen. Als Raoul begeistert Nikolaj Alexander Brucker, Anne Görner gibt eine solide Christine.

Nein, einen Innovationspreis hat die Stage Entertainment für ihr Essener „Phantom“ wirklich nicht verdient. Statt auf neue, unbekannte Musicalstoffe zu setzen, hat der Unterhaltungsmulti in die Kiste mit Altbewährtem gegriffen – frei nach der Devise „Das lief schon in Hamburg und Stuttgart prima, das bringt auch in Essen was ein“. So schippert der liebeskranke Operngeist mit Christine an Bord nun auch im Revier über den „gläsernen See“ – in der gleichen Inszenierung, die seit ihrer Londoner Premiere bereits in Hunderten anderer Städte zu sehen war.

„Selbstverständlich muss man da mit einem künstlerischen Korsett umgehen können“, hatte Phantom-Darsteller Thomas Borchert während der Proben eingeräumt. Das Korsett sei allerdings „gut geschnürt“, die Show auch nach 20 Jahren noch nicht „verstaubt“. Ob man sich dieser Meinung nun anschließen oder eher jenen Kritikern beipflichten mag, die das Musical seit jeher als lyrisch-sentimentalen Kitsch abtun – eins muss man der Stage Entertainment lassen: Die Essener Version des „Phantoms der Oper“ kann sich dem Vergleich mit ihren weltweiten „Schwesterproduktionen“ stellen – was man jetzt als Vor- oder Nachteil ansehen kann.

Das äußere Erscheinungsbild der Essener Produktion ist „Phantom“-Standard: Der Kronleuchter, der prunkvolle Bühnenaufbau, die künstlichen Kerzen in den Kellergewölben des Phantoms – alles alte Bekannte. „Wussten Sie eigentlich schon, dass es zwei Stunden dauert, bis die Phantom-Maske passend sitzt?“ fragt das Programmheft. Ja, das wussten wir schon, weil es auch schon in Hamburg und Stuttgart im Programmheft stand. Zuschauer, die das Musical zum ersten Mal sehen (falls es sie wirklich gibt), dürften angesichts dieser Hintergrundinfos, der glanzvollen Kulissen und der cineastischen Qualität der Originalinszenierung begeistert sein. Für „Phantom“-Kenner hält das Spektakel keine besonderen Überraschungen bereit – eher schon die neue Cast, die im Colosseum Theater auf der Bühne steht.

Mit großer Spielfreude hauchen die Darsteller dem Lloyd-Webber-Klassiker bis in die kleinste Nebenrolle neues Leben ein, halten den Handlungsfluss im steten Lauf. Beachtenswert die allgemein hohe Textverständlichkeit – nur Annabel Knight als Meg Giry weckt mit ihrem amerikanischen Akzent leise Erinnerungen an den Bochumer „Starlight Express“. Ernst van Looy und Fernand Delosch kosten derweil als Direktorenduo Monsieur Firmin und Monsieur André vor allem in der „Briefe“-Nummer jeden ihrer witzigen Momente aus, Gabriele Ramm gibt eine resolut-geheimnissvolle Madame Giry und Bonifacio Galván (in der besuchten Vorstellung eingesprungen für Daniel Brenna) erntet als stolzer Operntenor Piangi Sympathie. Einziger Schwachpunkt des Ensembles: Laurie Anne McGowan, die als Primadonna Carlotta leider viel zu blass und wenig exzentrisch bleibt.

Unter den drei Hauptdarstellern sticht Nikolaj Alexander Brucker als Raoul hervor. Der gebürtige Badener steht in Essen das erste und sicher nicht letzte Mal in einer Musicalgroßproduktion auf der Bühne und überzeugt mit starker Stimme und gutem Spiel als Christines stürmischer Verehrer. Seine Christine ist Anne Görner. Ihre klassische Stimme wirkt etwas zu voll und aufdringlich für ein junges Chormädchen – so wie ihre gesamte Darstellung der Christine etwas zu reif ausfällt. Vor allem zu Beginn verliert sie sich in einstudiert wirkenden Gesten, spielt sich jedoch im Verlauf des Abends bis zur mitreißenden Finalszene frei.

In dieser Szene läuft auch Thomas Borchert zu Höchstformen auf. Der erste der vier Phantomdarsteller verkörpert die Titelrolle mit all ihren Facetten glaubhaft und packend. Im Finale des ersten Aktes, in der die Trauer des Phantoms in donnernden Zorn umschlägt, vor allem aber im schon erwähnten Finale des zweiten Aktes, durchlebt er spürbar und eindrucksvoll die emotionale Achterbahnfahrt der Hauptfigur. In den kommenden Spielzeiten wird Thomas Borchert nacheinander von Ian Jon Bourg, Ethan Freeman und Uwe Kröger abgelöst.

Fazit: Soundtrackverwöhnte Ohren mögen schon üppigere Klänge gehört haben als aus dem Orchestergraben in Essen (Dirigent in der besuchten Vorstellung: Bob Edwards), Musicalkenner mögen die Flugbahn des Kronleuchters mittlerweile im Schlaf beschreiben können: Ein Besuch im Colosseum Theater lohnt sich trotzdem. Nicht wegen der Ausstattung oder Inszenierung – sondern wegen der Darsteller.


Nachtrag zur Premiere von Ian Jon Bourg:
Eine echte Premiere war es nicht, als Ian Jon Bourg Anfang Januar seine erste offizielle Vorstellung als Phantom gab. In den ersten Monaten war der gebürtige Hawaiianer bereits mehrfach als Gast in die Rolle des Operngeistes geschlüpft. Bourg ist nicht immer gut textverständlich, spielt die Rolle aber mit hoher Präsenz, vielen Emotionen und hörenswerter weicher Stimme. Auch die Verzweiflung und Zerissenheit der Figur im Finale ist berührend und mitreißend. Eine sehenswerte Besetzung. (rj)

Nachtrag zur Premiere von Ethan Freeman:
Ethan Freeman stand bereits in London, Wien und Toronto als „Mann mit der Maske“ auf der Bühne – umso mehr verwundert es, dass sein Bühnen-Timing bei seiner Premiere in Essen stellenweise Wünsche offen ließ. Ob während der ersten Bootsfahrt über den „gläsernen See“, ob in der Szene, in der ihm Christine zum ersten Mal seine Maske entreißt: Freeman schien in den Kulissen des Colosseums noch nicht ganz „zu Hause“ zu sein, einige seiner Bewegungsabläufe wirkten noch unsicher. Besonders fiel das im Zusammenspiel mit Anne Görner und Nikolaj Alexander Brucker auf, die nach fünf Monaten jeden Bühnenwinkel kennen, jeden Handgriff perfekt beherrschen. Von kleineren Intonationsproblemen abgesehen meistert Freeman seinen Part stimmlich versiert und facettenreich, darstellerisch mit vollem Körpereinsatz. Besonders überzeugt er mit seiner lyrischen „Musik der Nacht“ sowie in der packenden Finalszene. Bewegend, wie der Kuss von Christine ihn hier vollkommen überwältigt und wie er am Ende alleine in seinem Versteck zurückbleibt, tief getroffen an seiner Spieluhr kauernd. (mfr)

Nachtrag zur Premiere von Uwe Kröger:
Bereits vor der mit viel Werberummel eingeläuteten Phantom-Premiere von Uwe Kröger hatten Kritiker kundgetan, der vierte Essener Operngeist sei eine Fehlbesetzung. So falsch solche Voraburteile sind, so wenig schafft es Kröger in seiner Debütvorstellung, sie ins Gegenteil zu kehren. Freilich legt er sich mächtig ins Zeug, wirbelt ordentlich mit seinem Umhang und lässt – vor allem in der Schlussszene – keine große Geste aus. Seine affektierte Sprech- und Singweise passt allerdings überhaupt nicht ins Stück, schon gar nicht zur Figur des Phantoms. Immer wieder greift er auf Schlagerstar-Manierismen zurück, singt den Titelsong mit schmetterndem Glottisschlag – also mit hart von unten angesungenem Vokal auf der zweiten Silbe von „Phantom“ – und bastelt sich zu jeder Note seine persönliche „Anfahrt“. Saubere und helle Spitzentöne wie am Ende der „Musik der Nacht“ bleiben die große Ausnahme – meist lässt Krögers Intonation arg zu wünschen übrig, zuweilen bricht ihm sogar die Stimme weg. Leise Passagen werden dann eben „gehaucht“, laute Passagen mit aufgesetztem Pathos und gepresstem Vibrato geschrien. Mit seinem sicheren Gespür für Timing kann er zwar manche stimmliche Schwäche kaschieren – insgesamt bleibt Uwe Kröger jedoch weit hinter den intensiven Rolleninterpretationen seiner Vorgänger Thomas Borchert oder Ethan Freeman zurück. (mfr)

Nachtrag zur Premiere von Christian Alexander Müller:
Am 27. September 2006 gab Christian Alexander Müller sein Debut als neue Erstbesetzung der Titelrolle. Der 25-Jährige (laut Pressetext das „jüngste Phantom aller Zeiten“) überzeugt mit einer erstaunlich ausgefeilten und packenden Darstellung des liebeskranken Operngeists, vor allem aber mit seiner sicher geführten und wandlungsfähigen Stimme. Mühelos meistert er die Spitzentöne in der „Musik der Nacht“ und in den beiden Aktfinalen, zeichnet allein mit seinem flexiblen Bariton ein mal zärtlich-verletzliches, mal vor Eifersucht rasendes Phantom. Geteilter Meinung kann man über Müllers gelegentlichen Hang zum Sprechgesang sein – der außerordentlichen Dramatik der Schlussszene tut er zumindest keinen Abbruch. Insgesamt spielt Christian Alexander Müller, obwohl erheblich jünger, mit seiner Interpretation in der gleichen Liga wie Thomas Borchert und Ethan Freeman – wenn ihm seine Darstellung des Manns mit der Maske nicht sogar noch eine Spur unverbrauchter und facettenreicher gelingt. (mfr)

 
CastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
CAST (AKTUELL)
Phantom der OperChristian Alexander Müller
Fernand Delosch
Ian Jon Bourg
Christine DaaéAnne Görner
Beatrix Reiterer
Raoul Vicomte de ChagnyNikolaj Brucker
Monsieur FirminErnst van Looy
Eberhard Neitzel
Monsieur AndréFernand Delosch/Ulrich Wand
Daniel Pabst
Carlotta GiudicelliLaurie Anne McGowan
Evelyn Werner
Ubaldo PiangiMarcello Ronchietto
Alexander Sascha Nikolic
Bonifacio Galvan
Madame GiryGabriele Ramm
Annette Kuhn
Marina Edelhagen
Meg GiryLara Camille Glew
EnsembleUlrike Anders
Ulrike Barz
Marina Edelhagen
Steffen Friedrich
Bonifacio Galvan
Lars Henry Larson
Nicole Malangré
Melissa Marshall
Eberhard Neitzel
Alexander Sascha Nikolic
Daniel Pabst
Martina Dorothea Rumpf
Ulrich Wand
Roy Weissensteiner
Ensemble TanzAlekson Capelesso
Emma Maria Casey
Rachel Horn
Mami Iwai
Rustam Kuramshin
Anna Roura Maldonado
Miki Nakamura
Svetlana Schenk
SwingsAndreas Bühring
Sandra Burchartz
Christopher Morandi
Valeria Khmelnytska
Lourdes Manay
Dietgard Barbara Nebelung
Beatrix Reiterer
Reinhard Schulze
 
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TERMINE
keine aktuellen Termine
 
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TERMINE (HISTORY)
Do, 29.09.2005 19:30Colosseum, EssenPremiere
Fr, 30.09.2005 20:00Colosseum, Essen
Sa, 01.10.2005 15:00Colosseum, Essen
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