Wer die irgendwie doch immer recht ähnlichen Produktionen des Webber-Frühwerkes an deutschen Stadttheatern nicht mehr sehen mag, der dürfte hier ins Schwärmen geraten. In beispielloser Weise wurde das Stück ausgelotet und umgedeutet, was selbst für Kenner neue Aspekte bringt…
Der Ansatz, die Geschichte in die heutige Zeit zu verlegen, ist durch das Stück vorgegeben und birgt die Möglichkeit, Jesus als „einen von uns“ zu zeigen. Eine derart radikale Aktualisierung des Stoffes wie hier hat der Rezensent allerdings noch nie erlebt: Das Solo von „Simon Zealotes“ soll nicht die Massen zur Gewalt aufwiegeln, sondern ist eine Pressekonferenz, in der Jesus der Öffentlichkeit präsentiert wird; er stirbt nicht am Kreuz, sondern durch die Giftspritze; Pilatus ist amerikanischer Offizier, der unter einer amerikanischen, einer israelischen und einer palästinensischen Flagge Jesus zum Tode verurteilt. Alle diese Umdeutungen sind konsequenter Teil des Gesamtkonzeptes, das nie in Effekthascherei abdriftet. Durch den Gegenwartsbezug wird eine solche Intensität erreicht, daß das Publikum nach den letzten Akkorden eine Pause braucht, bevor es den verdienten Beifall spenden mag.
Clive Paget´s Regie kommt also der Frage sehr nahe, wie dieser Mensch wohl wäre, wenn er heute lebte. Dadurch geht allerdings ein wichtiger Aspekt verloren: Dieser Jesus ist ein austauschbarer Guru, dessen Ziele nicht klar sind: Warum er sich ohne Gegenwehr dem Tod hingibt, wird nicht plausibel. Auch ist der religiöse Aspekt zwar in vielen Symbolen vertreten aber eben nicht in der Figur Jesu, keine Spur von „Erlösung“.
Das einfache Bühnenbild (Louise Belson) läßt der Regie genug Raum und unterstreicht dezent die Stimmungen; als bei „King Herod´s Song“ endlich auch mal eine Szene choreographiert war, nahm das Publikum das dankbar an. Der Tontechniker kannte am Premierenabend offensichtlich weder das Stück noch die Inszenierung, was dazu führte, daß bei jedem Einsatz erst einige Sekunden vergingen, bevor der entsprechende Darsteller dann über Mikro zu hören war. Vielleicht wurde da zu wenig zusammen geprobt?
Die Darsteller ordenen sich der Regie bedingungslos unter und spielen mit großem Einsatz. Leider haben vor allem Iain Davey (Judas Iscariot) und Jolyon James (Jesus) stimmliche Probleme in der Höhe ihrer Parts, „Gethsemane“ erklingt deshalb nicht in der gewohnten Intensität. Melitsa Nicola ist eine verletzliche und mutige Maria Magdalena; bei „I Don´t Know How To Love Him“ hört Jesus ihr Lied ganz zufällig und nachdem sie das erschrocken bemerkt hat, singt sie trotzig weiter – eine schöne Idee. Auch sind die Rollen teilweise sehr „anders“ besetzt als man das gewohnt ist: Judas ist kein rebellischer Rockstar sondern ein jüdischer Gelehrter (inklusive Kippa).
So zeigt uns diese Inszenierung zwar nicht den göttlichen Aspekt der Person Jesu, den menschlichen aber dafür umso intensiver. Eine spannende und intelligente Inszenierung.
Di, 03.02.2004 19:30 | The English Theatre, Frankfurt am Main | |
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