Spätestens seit Stage Entertainment sie für die Titelrolle der deutschsprachigen Erstaufführung von „& Julia“ verkündet hat, ist das öffentliche Interesse an Musicaldarstellerin Chiara Fuhrmann geweckt. Dabei stand sie bereits als Cover-Position und Alternate in großen Rollen auf der Bühne: Rachel in „Bodyguard“, Elphaba in „Wicked“, die Schuyler-Schwestern in „Hamilton“ und Anna in „Die Eiskönigin“ zählen bereits jetzt zu den Bühnenerfahrungen der jungen Künstlerin. Wir haben mit ihr über diese großen Karrierestufen gesprochen und wagen mit Chiara einen Ausblick auf ihre Zeit als Julia Capulet im Popmusical, das ab Ende Oktober im Hamburger Stage Operettenhaus spielen wird.
Erzähle uns zunächst einmal ein bisschen von deinen Ursprüngen: Wie kam Musik in dein Leben? Wann war dir klar „Ich will Musicals spielen?“ und gab es da einen Schlüsselmoment, der zu deinem Wunsch führte?
Musik hat in meiner Familie schon immer eine Rolle gespielt. Jeder ist mit mindestens einem Instrument groß geworden. Ab dem 5. Schuljahr habe ich in einer Orchesterklasse Querflöte gespielt. Zusätzlich war ich im Schulchor und habe bei mehreren Stücken mitgewirkt, die von der Schule inszeniert wurden. Als ich mit sechs Jahren „Der König der Löwen“ gesehen habe, habe ich mich in Musicals verliebt. Die Castingshow „Ich Tarzan, Du Jane“ habe ich verschlungen und als ich dann bei zwei Produktionen des Musicalamateurprojekts (MAP) in Osnabrück mitmachen durfte, war klar, dass Musical mehr als eine Freizeitbeschäftigung für mich werden sollte.
Wie kam es zu deiner Ausbildung an der Joop? Welche Erinnerungen verbindest du mit dieser Zeit?
In meinem letzten Schuljahr habe ich mich an mehreren Schulen und Universitäten mit dem Ziel beworben, einen Eindruck von Aufnahmeprüfungen zu bekommen und dann im Folgejahr bestens vorbereitet eine weitere Runde zu starten. Die Joop war immer meine Wunschschule und hat in diesem Jahr die ersten Aufnahmeprüfungen abgehalten. Ich hätte nie damit gerechnet, dass es beim ersten Mal klappt, aber ich wurde nach mehreren Runden angenommen und habe daraufhin die Vorsingen bei anderen Schulen abgesagt. Ich konnte mein Glück kaum fassen. Die Zeit auf der Joop war unheimlich schön und gleichzeitig eine große Herausforderung. Weil wir nur zu zehnt waren und größtenteils nicht aus Hamburg kamen, sind wir sehr schnell zu einer Familie zusammengewachsen. Wir haben uns gegenseitig unterstützt und durch schwere Zeiten geholfen. Ich hatte das Glück dann zum Ende meiner Ausbildung für „Bodyguard“ in Stuttgart und die „Hairspray“-Tour besetzt zu werden.
In „Bodyguard“ hast du sowohl für Nicki Marron als auch für Rachel Marron als Cover auf der Bühne gestanden. Gerade Rachel ist eine stimmlich gewaltig anspruchsvolle Rolle – man könnte sich vorstellen, dass sie auf eine junge Künstlerin am Anfang ihrer Karriere sehr abschreckend wirken könnte…
Die Rolle war für mich alles andere als abschreckend. Ich hab mich ja aus freien Stücken dafür beworben. Das heißt natürlich nicht, dass ich damit gerechnet habe, dass es klappt. Ich hatte auf jeden Fall großen Respekt vor Rachel und Nicki, war aber vor allem überglücklich, dass mir diese Rollen anvertraut und zugetraut wurden. Ich hätte mir keinen besseren Einstieg in das Berufsleben wünschen können. Hier habe ich zum ersten Mal gelernt, Vertrauen in mein Können, sowie in die Entscheidung der Leute zu haben, die mich für diese Position ausgewählt haben.
Seit „Wicked“ bist du in Hamburg nahezu nahtlos bei großen Stücken von Stage Entertainment auf der Bühne. Elphaba ist eine der ikonischsten Rollen der Musicallandschaft. Hebt man nicht (buchstäblich) ab, wenn man eine solche Rolle zugesagt bekommt?
Elphaba war ein Traum, an den ich nie wirklich gewagt habe zu glauben. Sie war eine riesige Herausforderung, an der ich sehr wachsen konnte.
Bei „Hamilton“ hast du alle 3 Schuyler-Schwestern und Maria Reynolds gespielt. Wie würdest du die jeweiligen Herausforderungen der Figuren beschreiben und was hat an ihnen jeweils den besonderen Reiz ausgemacht?
Für mich und meine zwei Kolleginnen, die ebenfalls die drei Schwestern spielen durften, war es vor allem herausfordernd, die verschiedenen Parts auseinander zu halten. Jede der Schwestern ist auch Teil des Ensembles und beinahe durchgängig auf der Bühne. Dazu kommen verschiedene Stimmlagen, es war also nicht immer einfach, genau die richtigen Positionen mit den richtigen Harmonien zu kombinieren. Besonders, wenn man teilweise täglich zwischen den Rollen wechselt. Ich mochte es sehr, mit jeder der Rollen einen ganz anderen Bezug zu der Geschichte zu haben.
Zuletzt bist du als alternierende Anna in der „Eiskönigin“ zu sehen. Was, kannst du dir vorstellen, werden die prägendsten Erinnerungen an diese Zeit sein, über die du in 20 Jahren noch gerne berichten wirst?
Anna ist meine erste komödiantische Rolle, es hat so viel Spaß gemacht, sie zu entdecken und verschiedene Dinge mit ihr auszuprobieren. Es gibt nichts Schöneres, als jedes Mal Kinder, aber auch Erwachsene zum Lachen zu bringen. Es ist auch meine erste Disney-Show, sie ist etwas ganz Besonderes und ich bin stolz, ein Teil der Hamburger Cast zu sein.
Kannst du uns beschreiben, wie die Zeit zwischen Casting und deinem Callback für Julia ablief, und wie danach deine Reise nach New York verlief?
Für die Audition habe ich vor der ersten Runde Rollenmaterial für Julia bekommen, das waren zwei Songs und vier Szenen, soweit ich mich erinnere. Die habe ich dann so gut es ging vorbereitet und mir Gedanken darüber gemacht, wie ich Julia sehe und darstellen möchte. In jeder der drei Runden hat das Creative Team mit mir am Material gearbeitet, in der zweiten gab es zusätzlich einen Tanzcall. Dieser Prozess hat mir unglaublich viel Spaß gemacht, weil das Team sehr offen war und ich mich direkt wohlfühlen konnte. Ein paar Wochen nach den Finals habe ich dann den Anruf bekommen. Die Zeit in New York war einfach überwältigend, und manchmal kann ich kaum glauben, dass ich wirklich dort war. In nur wenigen Tagen habe ich so viel erlebt, dass es auch gut in mehrere Wochen gepasst hätte. Vor der Reise war ich natürlich etwas nervös, da Interviews mit der deutschen Presse anstanden und mein Terminkalender vollgepackt war. Alles, was auf meinem Plan stand, war ziemlich neu für mich, doch glücklicherweise lief alles hervorragend. Ich hatte ein großartiges Team an meiner Seite, das mich unterstützt hat und immer für mich da war. Trotz des engen Zeitplans konnte ich die einzelnen Erlebnisse wirklich genießen. Ich war im Central Park, ging über die Brooklyn Bridge, sah die Show „& Juliet“ und traf die Cast, die mich herzlich in der „& Juliet“-Familie willkommen hieß. Das war ein ganz besonderes Erlebnis. Interviews zu geben fiel mir leichter als erwartet und hat Spaß gemacht. Ich plane auf jeden Fall, New York noch einmal in Ruhe zu besuchen, aber diese Erfahrung bleibt unvergesslich und einzigartig.
Wie sieht dein aktueller Alltag mit der Mischung als „Anna“ und „Julia“ aus? Beschreibe uns bitte, wie du beides unter einen Hut bekommst und welchen Herausforderungen du begegnest.
Aktuell sind es noch anderthalb Wochen bis zum Probenstart. Man bereitet sich aber natürlich im Vorhinein auf diese Zeit vor. Ich nehme Gesangsstunden und lerne meinen Text, um mir das Material gut anzueignen. Gleichzeitig genieße ich die letzten Wochen bei der „Eiskönigin“ sehr und bin froh, bis zum Ende der Spielzeit weiterhin als Anna auf der Bühne stehen zu können. In den kommenden Wochen sind gute Planung und Zeitmanagement das A und O. Es ist mittlerweile das dritte Mal, dass sich Produktionen für mich überschneiden, ich weiß also ungefähr, was auf mich zukommt.
Mit der Julia wirst du das erste Mal in einer Großproduktion nicht nur als Erstbesetzung, sondern auch als Hauptrolle auf der Bühne stehen. Gibt es für dich neue Challenges als First-Cast, die ein Cover oder Alternate nicht so stark (oder gar nicht) meistern muss?
Es gibt bestimmt einige Challenges, denen ich mich im Laufe der nächsten Monate stellen werde. So genau kann ich das natürlich noch gar nicht sagen. Was immer ein großer Teil in so einem Prozess ist, ist es eine Routine für sich zu entwickeln, mit der man so oft wie es eben geplant ist, gesund durch eine Show kommt. Das gilt für den Ablauf im Alltag und in der Freizeit genauso wie ab dem Moment, in dem ich das Theater betrete. Diese Routine brauchte ich für alle Positionen, die ich bisher spielen durfte und unterscheidet sich auch immer ein wenig. Ich denke aber, dass es bei „& Julia“ für mich noch essentieller werden wird, vor und nach der Show einen guten Ablauf zu finden.
Wie unterscheidet sich deine Julia von der Shakespeare-Julia? Legst du sie für deine Interpretation zu Grunde?
Ich finde es wichtig, Shakespeares Julia bei der Entwicklung der Rolle zu beachten. Schließlich geht seine Geschichte unserer voraus, ich beschäftige mich also sehr mit Julias Charaktereigenschaften. In den Proben werde ich mich darauf fokussieren, meine Version der Rolle zu finden, mit der ich glücklich bin und die der Show gerecht wird.
Welche Botschaften möchtest du mit deiner Interpretation der Julia transportieren? Und welche Messages stehen in deinen Augen im Stück als Ganzes weit vorne?
Für mich ist die Hauptbotschaft der Show, dass es nie zu spät für einen Neuanfang ist. Es geht um Selbstbestimmung und darum, die Liebe zu sich selbst zu finden. Außerdem erzählt diese Geschichte, wie stark Liebe sein kann – egal in welcher Form – und dass es viele Wege gibt, glücklich zu werden.
Welche der Original-Interpretinnen des „&Julia“-Scores magst du privat am liebsten und warum? Wer sind deine musikalischen Vorbilder, von denen du dich als Fangirl beschreiben würdest?
In meiner Kindheit hat Celine Dion auf jeden Fall eine Rolle gespielt. Ihre Songs waren Teil meines Kinderzimmer-Repertoires. Dazu kamen dann noch Britney und vor allem Jessie J. Aber ein richtiges musikalisches Vorbild habe ich nicht.
Wenn es keine Typecasting-Grenzen, egal ob Alter, Größe, Geschlecht oder Hautfarbe gäbe: Welche Rollen würdest du in deinen Träumen gerne einmal selbst auf der Bühne interpretieren?
Das ist eine sehr schwierige Frage, wie in der Eisdiele, wenn ich mich nicht zwischen all den Eissorten entscheiden kann. Aber ich würde mich für Elisabeth (aus „Elisabeth“), Elphaba (aus „Wicked“) und Aaron Burr (aus „Hamilton“) entscheiden.
Wie verbringst du deine Freizeit am liebsten? Hast du besondere Hobbys?
Ich probiere gern neue Restaurants und Cafés in Hamburg aus und bin gern am Wasser. [lächelt]
Liebe Chiara, wir danken dir für das schöne Interview und wünschen dir sowohl für deine Zeit bis zur Dernière bei „Die Eiskönigin“ als auch zur Premiere bei „& Julia“ noch viel Spaß. Wir sind gespannt auf deine Interpretation dieser starken Rolle!
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