Internationale Musical-News
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"Elisabeth" im Reich der Mitte und "Eiskönigin" im Land der aufgehenden Sonne - Die Welt des Musicals in Ostasien

Musicalfans hierzulande werden auf der Musicalzentrale mit allen News zu den neuesten Inszenierungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz informiert. Die nichtdeutschsprachigen Nachbarländer wie die Niederlande und Tschechien und allen voran das West End in London werden von uns immer wieder beleuchtet. Auch in Frankreich, Dänemark und vor allem Spanien mit den zahlreichen Musiktheatern Madrids findet Musical prominent statt. Die Musicalszene in den USA, insbesondere natürlich am Broadway steht ohnehin im Rampenlicht. Doch vom riesigen Musicalmarkt in Asien ist hier nur wenig bekannt. Dabei trumpfen China und Korea mit zahlreichen Großproduktionen auf. An erster Stelle aber ist Japan einer der größten Musicalstandorte weltweit: Tokyo stellt viele der größeren Musicalstädte weltweit locker in den Schatten und kann fast schon mit dem West End mithalten. Ein ausführlicher Blick in die aktuellen und kommenden Produktionen von unserem redaktionseigenen Ostasienwissenschaftler zeigt, wie bunt und zuweilen einzigartig sich der Musicalmarkt am anderen Ende der Welt präsentiert – und gleichzeitig werden große Unterschiede zwischen Japan, Korea und China deutlich, was uns zeigt, dass Musical eben auch ein Politikum sein kann.

Zwar findet Musical auch in Japan auf Lokalebene statt, doch sind es vor allem die Großkonzerne, die dort die Fäden ziehen. Zumeist haben diese Unternehmen nicht nur Musicals, sondern auch Schauspiel, Akrobatikshows und Opern auf der Setlist. Die Big Three in Japans Musical-Business könnte man mit Gekidan Shiki, Horipro Stage und Toho Stage identifizieren.

Das vergleichsweise junge Unternehmen Horipro Stage schickt aktuell „Roméo et Juliette“ von Gérard Presgurvic in seine finale Spielzeit am Umeda Arts Theatre in Osaka. Wie jedes Jahr wird außerdem Moose Charlaps 1954er-Broadway-Musical „Peter Pan“ in Tokyo während der Sommermonate aufgeführt. „Billy Elliott“ wird vom 27. Juli bis 1. August zunächst im in der Tokyoter Brillia Hall und dann bis zum 24. November in Osakas Sky Theatre gegeben. Auch Neil Bartrams und Brian Hills „The Story of My Life“ spielt noch bis Mitte November in der Otemachi Hall in Tokyo.

Das mit Stage Entertainment hierzulande vergleichbare Unternehmen Gekidan Shiki fährt aktuell mehrere Großproduktionen, die einen großen Anteil an Tokyos herausragender Musicalszene tragen. Dort werden gleich vier Disney-Musicals zeitgleich präsentiert: „Aladdin“ und „Frozen“ (auf Japanisch „Ana to yuki no joō“ – „Anna und die Schneekönigin“) sowie „Lion King“ und „Beauty and the Beast“. „Das Phantom der Oper“ wird noch bis Anfang November in Maihama bei Tokyo gezeigt. Zudem wird das populäre, auf einem Manga basierende Musical „Ghost and Lady“ noch bis zum 11. November in Tokyo zu sehen sein. Ab dem 21. Juli erweitert außerdem das mit Izumi Mitakus Musik ausgestattete Familienmusical“„Futari no Rotte“ (dt: „Das doppelte Lottchen“) Tokyos Musicalmarkt.                        

Das Unternehmen bringt aber auch außerhalb der Mega-Metropole einige Musicals auf die Bretter: In der benachbarten Präfektur Shizuoka feiert am 17. Juli Lloyd Webbers „Cats“ Premiere;, das auf dem Manga „Der Junge und das Biest“ beruhende „Bakemono no ko“ läuft ab September in Nagoya und in Osaka wird ab dem 15. August wieder „Wicked“ gezeigt. Gekidan Shiki schickt außerdem regelmäßig mehrere Musicals auf Japantour: Das auf einer bekannten Anime-TV-Serie basierende „Ganba no bōken“ sowie das von Shiki selbst konzipierte „Erukosu no inori“, eins der in Japan sehr beliebten Utopie/Dystopie-Musicals, werden neben „Jesus Christ Superstar“ durch Japans Theater gejagt.

Das Großunternehmen Toho, das vor allem Blockbuster und Serien seit Jahrzehnten erfolgreich kreiert und in die Welt exportiert, hat mit Toho Stage auch ein großes Standbein in den darstellenden Künsten. Es zeigt noch bis Anfang August in Tokyos bekanntestem Theater – dem Imperial Theatre – den internationalen Erfolg „Moulin Rouge!“, der in den Folgemonaten im selben Haus von „Mozart!“ abgelöst wird. Musicals aus deutschsprachiger Feder haben seit jeher in Japan eine große Fanbase; Kunze/Levay ist in Ostasien ein gefeiertes Duo.

Aber Toho deckt mit seinen Musicals eine große Bandbreite ab: Das Rock-Musical „Girlfriend“ mit der Musik von Matthew Sweet und der Klassiker „Thoroughly Modern Millie“ werden noch bis Juli in Tokyo gezeigt. Das koreanische Musical „Fanletter“ erobert im September Tokyos Bühnen, und ab Oktober schickt Toho zudem „Tick, Tick … Boom!“ sowie Disneys „Newsies“ in Japans Hauptstadt. Das Musical „Song Writers“ mit der Musik von Yasuhiko Fukuda läuft im November im Theater Crea. So präsentiert das Unternehmen Toho von Klassikern der goldenen Musical-Zeit und Off-Broadway-Stücken über Disney-Nischenwerke bis hin zu Musicals aus dem Nachbarland sowie aus Deutschland und Österreich die wohl größte Bandbreite auf dem japanischen Musicalmarkt.

Ein Unternehmen darf aber nicht unerwähnt bleiben, wenn es um die Musicalszene in Japan geht: Die immens populäre Takarazuka-Revue, deren Ensemble ausschließlich aus betriebsintern ausgebildeten Darstellerinnen besteht, die auch in die männlich gelesenen Rollen schlüpfen. Sie zeigen in diesem Jahr mit „Eternal Voice“, „Golden Liberty“ und „Rose of Versailles“ (der Stoff ist hierzulande vielleicht einigen unter dem Titel „Lady Oscar“ geläufig) drei hauseigene Romantik-Musicals. Die Takarazuka-Revue erfreut sich einer großen internationalen Beliebtheit. Die ‚Otoko-yaku‘ (dt.: Männerrolle), also diejenigen Damen, die männlich konzipierte Hauptrollen übernehmen, werden in Japan fast schon selbstverständlich zu großen Stars. Die Gruppe ist in unterschiedliche Ensembles unterteilt, von denen die meisten auch Musicals machen. Die Großzahl der Takarazuka-Werke sind hauseigen produziert, aber es schaffen auch immer wieder internationale Produktionen den Sprung auf den Spielplan des Damenmusicals: So ist neben „Anastasia“ vor allem das Kunze/Levay-Stück „Elisabeth“ ein Dauerbrenner des Unternehmens, bei dem nicht die Kaiserin, sondern Der Tod die Hauptrolle spielt.

Beim Stichwort Japan denkt man natürlich auch an japanische Comics, Cartoon-Serien und Nintendo. Auch Fans dieser Genres werden musicalmäßig fündig: Das recht junge Unternehmen 2.5 Dimensions hat sich Musicalversionen von populären Mangas, Animes und Videospielen verschrieben und bringt dieses Jahr gleich drei Uraufführungen auf die Bühne: „Akatsuki no Yona“, „Touken Ranbu“ und „Nintama Rantarō“ stehen auf dem Plan für Tokyo.

In Korea wird das Genre Musical durch unterschiedliche „Companys“ belebt, die allesamt in Konkurrenz stehen und zumeist in der Hauptstadt Seoul versuchen, die angemieteten Theater zu füllen. Dabei wird darauf geachtet, dass jede Company sich in der aktuellen Spielzeit ergebende Nischen bedient. Die Hauptrollen werden in vielen Fällen hochkarätig besetzt. In kaum einem anderen Land ziehen die großen Popstar-Namen so ins Musical, wie es in Korea der Fall ist. Immer wieder sind K-Pop-Stars und berühmte SängerInnen und Serien-SchauspielerInnen die Headliner. Vor allem erstere generieren durch ihre poppigen Stimmen oftmals ganz andere Musicalerlebnisse, als sie hierzulande anzutreffen sind; Klassiker klingen in Südkorea zuweilen wie opulente Popkonzerte.

So wird durch das fast monopolartig agierende Unternehmen EMK aktuell „Marie Antoinette“ aus der Feder von Kunze/Levay und das neue Musical „Benjamin Button“ von Jethro Compton und Darren Clark gezeigt, das ab Oktober 2024 auch in London zu sehen sein soll. Ebenso werden „Frankenstein“ von Yongbeom Wang und Brandon Lee – laut nationaler Presse das wohl erfolgreichste Musical aus koreanischer Feder — sowie Frank Wildhorns „Your Lie in April“ gezeigt. Auch Wildhorn-Musicals sind seit vielen Jahren in Japan und Korea große Publikumsmagneten, sodass der Komponist mittlerweile auch eigens für den asiatischen Markt Stücke konzipiert.

Die Konkurrenzfirma CJ ENM schickt „Maybe Happy Ending“ von Park Cheon-hyu auf die Bühne, das in diesem Jahr die meisten koreanischen Musiktheaterpreise abgeräumt hat. Das Unternehmen zeigt sich 2024 mit nur einer großen Produktion insgesamt jedoch spärlich. In den vergangenen zwei Jahren standen die koreanischen Produktionen von „Moulin Rouge!“, „Kinky Boots“, „Big Fish“, „Beetlejuice“, „Back to the Future“, „MJ“ und „42nd Street“ auf dem Spielplan. Auch „Hadestown“ wurde schon auf Koreanisch gegeben.

Zudem mischen kleinere Companys auf dem koreanischen Musicalmarkt mit: Die aktuell immer populärer werdende Seensee Company zeigt „The Last Five Years“ und wird noch bis Ende September den Broadway-Klassiker „Chicago“ präsentieren. Zudem wird durch das kleinere Unternehmen Shownote noch bis zum 23. Juni „Hedwig and the Angry Inch“ und ab Juli „A Gentleman’s Guide to Love and Murder“ (dt.: „Liebe, Mord und Adelspflichten“) in Koreas Hauptstadt gezeigt. Die OG Company präsentiert nach Wildhorns „Dracula“ jetzt „Il Tenore“: Das koreanische Musical hat zahlreiche Auszeichnungen erhalten und daher wurde jüngst die Laufzeit verlängert. Das Unternehmen Live Corp zeigt zudem „Marie Curie“, das diesen Sommer auch nach Großbritannien exportiert werden soll.

In China ist das Musical-Business im Vergleich zu Japan und Südkorea deutlich weniger transparent für den Ottonormal-Zuschauer. Vergleichsweise gelangen größere News seltener ins Internet. Das Genre Musical steht als westliche Kunstform zudem noch unter klassischen Theaterformen und ist daher weniger populär. Da wundert es kaum, dass es immer wieder chinesische TouristInnen gibt, die für den Musicalgenuss nicht nur nach London und New York, sondern auch nach Wien und Hamburg kommen. Das Genre ist allerdings auch in China langsam aber sicher auf dem Vormarsch – gerade in den großen Theatern Shanghais werden immer wieder internationale Stücke, seltener dagegen eigens für den chinesischen Markt konzipierte Musicals gezeigt. In den anderen Großstädten wie Beijing sieht der Musical-Markt allerdings noch immer mau aus.

Trotzdem sind gerade in den letzten Wochen spannende Neuigkeiten ans Tageslicht gelangt: Aktuell ist Maya Hakvoort mit dem neuen Musical „Lady M“ von James Beeny und Gina Georgio in Shanghai, das auf Shakespeares bekannter Figur der Lady Macbeth basiert – eine chinesischsprachige Produktion gibt es ebenfalls schon. Das Shanghai Culture Square Theater zeigt bis Anfang Juli das französische Musical „Mozart on Rock“, das auf dem gleichnamigen chinesischen Musicalfilm basierende „My Bucket List“ und in Kooperation mit den Vereinigten Bühnen Wien ab dem 29. August „Elisabeth“ mit deutschsprachiger Besetzung: Unter anderem wird Isabel Dörfler als Erzherzogin Sophie nach China reisen; weitere News dazu folgen in Bälde. Abgelöst wird es im September von den französischen Kollegen mit dem Erfolgsmusical „Notre-Dame de Paris“. Im Gong Stage Theater von Shanghai wird ab Ende Juli „Thrill Me“, unter anderem mit Gerrit Hericks, zu sehen sein. Im Shanghai AIA Theater wird zudem noch bis Ende Juni „Chicago“ gegeben und im Grand Theatre läuft im August und September „Das Phantom der Oper“ von Andrew Lloyd Webber.

Ein kleiner Blick ins Nachbarland Taiwan: In Taipeh wird, nachdem „Miss Saigon“ gerade Dernière gefeiert hat, ebenfalls bis Ende Juli „Next to Normal“ in großem Stil aufgeführt und ab September feiert „Mamma Mia!“ im Rahmen der internationalen Tour Premiere.

Auch für nächstes Jahr sieht es in Ostasien bereits vielversprechend aus: Von Dezember 2024 bis Februar 2025 zeigt Toho den Welterfolg „Les Misérables“ in Tokyos Imperial Theatre. Das auf Jeffrey Archers Roman basierende „Kane and Abel“ wird im Januar und Februar 2025 von Toho in Tokyo aufgeführt werden. Von Januar bis Februar 2025 wird Lloyd Webbers „Phantom“-Fortsetzung „Love Never Dies“ in Tokyos Nissay Theatre dargeboten.

Das auf dem koreanischen Webcomic „Misaeng“ basierende japanische Musical „Misen“ wird ab Januar 2025 von Horipro als Uraufführung auf Japantour geschickt. Ab April 2025 „Frankenstein“ erstmals nach Japan kommen, wo es nach den Erfolgen in Korea bereits heiß erwartet wird.

Ab April zeigt Gekidan Shiki in Tokyo das Erfolgsmusical „Back to the Future“. Das Unternehmen Toho hat außerdem bereits für 2025 „Fiddler on the Roof“, Aaron Thielens „Hero“ und Wildhorns „Your Lie in April“ angekündigt. Im Januar 2025 wird auch das Hit-Musical „Six“ in Tokyo Premiere feiern.

EMK schickt in Korea kommendes Jahr eine eigene Version des „Phantoms der Oper“ mit dem kurzen Titel „Phantom“ auf die Bühnen in Seoul. Seensee wird ab Anfang 2025 „Rent“ zeigen, ebenfalls in Seoul.

Toho gibt sogar schon auf 2026 einen Ausblick. Dann sollen „Miss Saigon“ und „Rent“ nach Tokyo kommen.

Wie man sieht: Ostasiens Musicalszene ist überaus vielschichtig und blühend. Wir werden auf der Musicalzentrale auch in Zukunft immer einmal wieder den ein oder anderen Blick auf die Region werfen und über spannende News und interessante Entwicklungen berichten.

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