Ensemble, Silvana Rocha (Luisa Pulido), Nicky Wuchinger (Zorro), Sven Wagenhöfer (Seargant Garcia) © Martin Hahn
Ensemble, Silvana Rocha (Luisa Pulido), Nicky Wuchinger (Zorro), Sven Wagenhöfer (Seargant Garcia) © Martin Hahn

Zorro (2024)
Schlossfestspiele, Zwingenberg/Neckar

Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
 

Das auf dem gleichnamigen Groschenroman und den einschlägigen Hollywood-Blockbustern beruhende Musical „Zorro“ mit der Musik der bekannten französischen Flamenco-Musikgruppe Gipsy Kings taucht immer mal wieder auf den hiesigen Spielplänen auf, hat aber in Deutschland noch keine Großinszenierung erlebt. Die Schlossfestspiele Zwingenberg haben mit dieser Produktion viele Schwächen der Inszenierungen ihrer letzten Stücke so gründlich ausgebügelt, dass „Zorro“ uneingeschränkt überzeugt. Zum gewagten Spagat zwischen Profis und Laien, der in den vergangenen Jahren oft nicht funktioniert hat, kann gesagt werden: Die Rechnung geht vollkommen auf!

Von „Zorro“ gibt es etliche Versionen. Das Musical erzählt die bekannte Geschichte so: Der kleine Diego wird von seinem Vater, dem respektierten Bürgermeister Alejandro de la Vega zur Ausbildung nach Madrid entsandt und kehrt nach einem Lotterleben bei den spanischen Gitanos in seine kalifornische Heimat zurück, die er von seinem machthungrigen und größenwahnsinnigen Bruder Ramon bedroht sieht. Dieser ist rasend vor Eifersucht auf die Bevorzugung seines Bruders und rächt sich an seinem Vater, um selbst Alkalde zu werden. Diego erschafft als maskierter Rächer mithilfe seiner Roma-Freundin Inez eine Zweitidentität als ‚El Zorro‘, in der er die Schandtaten seines Bruders abzuwenden versucht. Diegos Jugendfreundin Luisa führt die Freiheitskämpfe gegen die brutale Autorität an und gerät zwischen die Fronten der Brüder. Zorros Maskerade hilft ihm, sowohl Luisas Liebe zu gewinnen als auch Ramon in Bredouille zu bringen. So spitzt sich der Konflikt immer weiter zu, Blut fließt und Soldaten treffen im Kampf auf Gitanos, während die beiden Brüder offene Rechnungen aus Kindheitstagen im Duell begleichen.

Das Buch von Clark Stephen ist ausufernd und lässt das Musical auf eine Laufzeit von gut drei Stunden anschwellen, weist aber einige dramaturgische Schwächen auf. Die abrupten Wechsel zwischen Elementen aus Komödie und Drama wirken oftmals so unausgeglichen, dass sich viele Szenen gegenseitig im Entfaltungspotenzial entkräften und keine klare Linie erkennbar ist. Dieser fehlenden Balance entgegnet Regisseurin Sabine Sterken, indem sie vor allem dem dramatischen Gehalt der Geschichte mehr Raum einräumt als vom Buch vorgesehen. Gerade die letzten 30 Minuten des zweiten Aktes zeigen in hervorragender Inszenierung, welches hochdramatische Potenzial in dem Musical steckt. Würde man sich einiger der – für sich genommen durchaus lustigen, aber im Gesamtkontext der Story lediglich unnötig albernen – Comedy-Szenen entledigen und stattdessen die für den Ton der Geschichte wirklich relevanten, heiteren Momente akzentuieren, könnte das Stück eine noch bessere Balance erlangen. Sterkens Regie bügelt diese Schwächen des Buches, so gut es vorlagenbedingt eben geht, aus.

Die Kostüme, die Sterken zusammen mit Friederike von Drewitz konzipiert hat, wirken für die Epoche durchaus stimmig und vermitteln vor allem bei den Soldatenuniformen und Gitano-Kleidern einen sehr wertigen Eindruck. In den stimmungsvollen Choreographien von Camilla Matteucci kommen die Tanzkleider wunderbar zur Geltung. Mateuccis gekonnte Tanzabläufe beeindrucken durch ihre Dynamik und Stilechtheit. Sie verschmilzt Elemente der lateinamerikanischen Tänze mit folkloristischen Schritten und lässt die überaus virtuosen Tanzsolisten in die Vollen gehen. So finden sich in ihrer Choreographie auch beinahe akrobatische Einlagen, sinnliche Paartänze, dramaturgisch effektvoll eingesetzte und dabei sehr emotionale Ballett- und Contemporary-Parts und schöne Cluster-Bilder mit dem großen Ensemble wieder.

Die Bühnen- und Lichttechnik fährt alles auf, was im Freilichttheater möglich ist: Die akzentuierte Lichtarbeit erzeugt einige dramatische Gänsehaut-Momente, die durch Pyroeffekte bei Zorros großen Bühnenauftritten und Nebeleffekte, die ein mystisch-beklemmendes Gefühl verursachen, wunderbar abgerundet werden. Besonders beeindruckend sind außerdem Jean-Loup Fourures Kampf- und Fechtchoreographien, die gerade gegen Ende des Stücks ihr volles Potenzial entfalten. Wenn ein Kampf nicht mehr wie eine Choreographie aussieht, wurde ganze Arbeit geleistet – und das ist hier vollumfänglich gelungen.

Die Tontechnik ist mit Ausnahme einiger weniger Mikrofonaussetzer im ersten Akt für ein Freilichttheater hervorragend und klar abgemischt. Die in Originalbesetzung spielende, neunköpfige Band unter der Leitung von Intendant Rainer Roos spielt die sinnlichen und beschwingten Lieder einwandfrei und setzt durch die gute Tonabmischung vor allem die Saiteninstrumente in den Fokus, für die die Musik der Gipsy Kings gefeiert wird. Die Songs fügen sich dabei überraschend gut in das Geschehen des Musicals ein und sind mit Holger Hauers deutschen Texten gekonnt mit den originalsprachlichen spanischen Texten verwoben, sodass sowohl das Narrativ verständlich vorangetrieben als auch der lateinamerikanisch-spanische Flair der Musik transportiert wird.

Die Verschmelzung von Laienensemble und Profidarstellern war in Zwingenberg in der Vergangenheit nicht immer einwandfrei gelungen, zu groß ist oft die Kluft zwischen den Gruppen, die sich aufgrund gänzlich unterschiedlicher Niveaus nicht homogen vermischen lassen. Natürlich ist auch in „Zorro“ diese Diskrepanz nicht von der Hand zu weisen, doch gehen Intendanz und Regie bei dieser Produktion anscheinend feinfühliger vor als die letzten Jahre. Das Laienensemble wird gewinnbringend für Massenszenen genutzt, ist insgesamt als dauerpräsenter Rahmen der Erzählung um die Hauptdarsteller herum anwesend und tritt akzentuiert solistisch in den Vordergrund, während man den ausgebildeten Darstellern den sonstigen Raum gibt. Ein zusätzliches Kinderchor-Ensemble gibt im Gesamteindruck ein authentischeres Bild; die drei Kinderdarsteller von Diego (Connor Reinig), Luisa (Dora Roth) und vor allem Ramon (Jakob Rickert) wissen schauspielerisch schon in ihrem Alter zu gefallen. Durch ein eigens engagiertes Profi-Tanzensemble wird auch die choreographische Umsetzung hochkarätig bestritten. Die Tänze von Margherita Sabaddini und Daniel Ojeda gehören zu den größten Bühnenmomenten dieser Produktion. Voller Feuer und immer mit der richtigen Stimmung zeigen sie ihre tänzerischen Fähigkeiten. Dabei fällt vor allem Ojeda auch durch sein leidenschaftliches, sowohl in komödiantischen als auch in dramatischen Parts sehr überzeugendes Schauspiel. Auch das professionelle Ensemble bestehend aus Christin Reiter, Sonja Vöckler und Joël Zupan tritt in vielerlei Schauspielrollen überzeugend auf und legt ebenfalls beeindruckende Tänze aufs Parkett. Zusammen werten die fünf Akteure das Ensemble ungemein auf und ziehen die Blicke des Publikums magnetisch an sich.

Sven Wagenhöfer gibt einen sympathischen Garcia, der im zweiten Akt emotionalen Tiefgang effektvoll ausspielen kann. Auch Holger Ries als Alejandro kann am Ende der Geschichte in der dramatischen Wendung seiner Figur überzeugen. Marc Trojan legt seinen Ramon zunächst wie einen klassischen, einfarbigen Bösewicht an, der aber im Verlauf der Handlung weitere, wenig schmeichelhafte Facetten erhält, die seinen Antagonisten als von Neid, Eifersucht und traumatischen Erfahrungen zerfressenen Verdammten zeichnen. Seine große Gesangsstimme kann er im Solo „Ein Leben“ voll ausspielen.

Titeldarsteller Nicky Wuchinger gelingt der Spagat der Doppelidentität seiner Figur durch wechselnden Duktus und divergierende Körpersprache verblüffend gut. Er scheint vor allem in den heiteren und lustigen Momenten seines Charakters Diego aka Zorro aufzugehen und generiert mit Songs wie „Baila Me“ gute Stimmung. Dass er auch anders kann, zeigt er mit dem emotionalen Lied „Wir“ im ersten Akt und mit dem 11 o’clock-Lied „Señor“ gegen Ende des Stücks, in dem er Gott um Verzeihung für seine Verfehlungen bittet. Die Offenbarungen des Abends sind jedoch Sharon Isabelle Rupa als Inez und Silvana Rocha als Luisa mit großen Gesangsstimmen, bestimmender Bühnenpräsenz, differenziertem Schauspiel und besonderem Tanzgeschickt. Rocha überwältigt mit ihren starken Belt-Passagen und der emotionalen Interpretation ihrer Solo-Lieder „Fallen“, „Libertad“ und vor allem in „Der Mann, der sein Gesicht versteckt“, während Rupa als Inez temperamentvoll die großen Hits „Djobi Djoba“ und „Bamboleo“ schmettert und zugleich in den dramatischen Szenen ihrer Figur aus den Vollen schöpft. Fantastische Darstellerinnen für zwei starke Frauenfiguren!

Nun bleibt noch zu hoffen, dass Zwingenberg mit besserem Wetter als bei der anfangs recht regnerischen Premiere gesegnet wird, damit das feurige Musical auch im Drumherum vom selben Gefühl profitieren kann, das auf der Bühne eindrucksvoll geboten wird.

 
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KREATIVTEAM
Buch und GesangstexteStephen Clark
MusikThe Gipsy Kings
John Cameron
Deutsche SongtexteHolger Hauer
Deutsche DialogeJürgen Hartmann
RegieSabine Sterken
Musikalische LeitungRainer Roos
ChoreografieCamilla Matteucci
Assistenz Musikalische Leitung, BandleaderThomas Rother
FechtchoreografieJean-Loup Fourure
BühnenbildHelmut Mühlbacher
KostümeFriederike von Dewitz
Sabine Sterken
 
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CAST (AKTUELL)
Diego de la VegaNicky Wuchinger
Luisa PulidoSilvana Rocha
RamonMarc Trojan
InezSharon Isabelle Rupa
Alejandro de la VegaHolger Ries
Sergeant GarciaSven Wagenhöfer
JoaquinJolanda Stiehle
Junger RamonJakob Rickert
Max Strein
Junger DiegoConner Reinig
Theresa Schmitt
Junge LuisaDóra Roth
Lucia Diehl
Solotanz-PaarMargherita Sabbadini
Daniel Ojeda
EnsembleChristin Reiter
Joël Zupan
Sonja Vöckler
ChorFestspiel-
Kinderchor der Schlossfestspiele Zwingenberg
MusikBand der Schlossfestspiele Zwingenberg
  
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TERMINE
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TERMINE (HISTORY)
Di, 23.07.2024 20:00Schlossfestspiele, Zwingenberg/NeckarPremiere
Mi, 24.07.2024 20:00Schlossfestspiele, Zwingenberg/Neckar
Do, 25.07.2024 20:00Schlossfestspiele, Zwingenberg/Neckar
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