Wish © 2023 Disney Enterprises, Inc. All Rights Reserved
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Wish
Kinofilm / 2023

Disneys neuester Kinofilm „Wish“, der 62. Film der Meisterwerke-Reihe, wurde aus einer Vielzahl von Gründen heiß erwartet. Das Jubiläumswerk zu Disneys hundertjährigem Bestehen sollte mit einem einzigartigen Animationsstil und mit einer recht unkonventionellen Heldin im Fokus große Vorfreude wecken. Recht ernüchtert muss allerdings festgestellt werden: „Wish“ wartet mit zu vielen Schwächen auf, um ihn vollen Herzens als „Meisterwerk“ bezeichnen zu können.

Der Plot wirkt zunächst spannend und vielversprechend: Der Zauberer Magnifico erschafft gemeinsam mit seiner Gattin Amaya „Rosas“, das Königreich der Wünsche. Großzügig heißt er jeden willkommen, unter der Prämisse, dass die neu Zugezogenen ihm spätestens zum 18. Geburtstag ihren Herzenswunsch offenbaren. Diese sammelt Magnifico in seinem Palast und lässt in regelmäßigen Abständen unter Jubelrufen und Selbstbeweihräucherung den Wunsch eines Bewohners in Erfüllung gehen, während er die anderen Wünsche augenscheinlich hütet und bewahrt. Die 17-jährige Asha bewirbt sich auf den Posten des Zauberlehrlings beim König und verfolgt außerdem das Ziel, für die Erfüllung des Wunsches ihres 100-jährigen Großvaters Fürbitte zu leisten. Asha entlarvt das misstrauische und selbstverliebte Gebaren des von allen geachteten Königs und muss letztendlich gemeinsam mit ihren Freunden den machthungrigen Magnifico aufhalten und die Wünsche des Königreichs befreien.

Leider birgt die Handlung zahlreiche Schwächen und wirft mehr Fragen auf, als er Antworten bietet. Die Motive der Figuren, vor allem des Bösewichts, werden nicht einmal im Ansatz greifbar präsentiert und wechseln scheinbar willkürlich. Handlungsmotivationen der Nebenfiguren bleiben absolut nebulös und auch die Hauptfigur springt zwischen verschiedenen Manierismen hin und her, wodurch selbst Asha nicht wirklich charakterlich greifbar und identifizierbar wird. Die freundschaftlichen und familiären Bande, die Disney normalerweise so hoch emotional inszeniert, bleiben völlig hölzern und gefühllos – da hilft es auch nichts, inflationär in Ashas Augen dicke Kullertränen zu animieren, wenn das Publikum durch die uninspirierten Dialoge keinerlei Verbindung aufbauen kann. Zahlreiche Seitenplots kommen entweder aus dem Nichts, wie beispielsweise der plötzliche Verrat durch einen von Ashas Freunden, oder verlaufen ins Leere, wie die sehnsuchtsvoll beteuerte Bedeutung von Ashas verstorbenem Vater. Selbst der Disney-Humor, der oft auf Wortspielen oder Slapstick beruht, kommt aufgrund des wirren Drehbuches und des hektischen Erzähltempos kaum auf. Ashas Sidekicks, die Ziege Valentino und der wirklich niedliche magische Stern, verblassen vorlagenbedingt im Vergleich zu den Begleitfiguren der letzten Filme. Zusammenhänge zwischen der Welt, ihrer Geschichte und dem Schicksal der Figuren werden kaum erklärt und lassen das gesamte Königreich Rosas wirr und nicht zu Ende gedacht wirken – der gesamte Film wirkt im Grunde abgehetzt und unfertig. Woher kommt die Magie, warum kommen die Menschen nach Rosas, was hat es mit Magnificos Intentionen wirklich auf sich, was ist mit Ashas Vater geschehen, woher kommt der Stern und warum hilft er Asha? Das sind nur einige von zahllosen Fragen, die der Film aufwirft und den Zuschauer unbefriedigt zurücklassen.

Der visuelle Stil des Films kommt als eine Mischung aus Disneys klassischen Zeichentrickfilmen wie „Dornröschen“ oder „Pocahontas“ und den moderneren Animationsfilmen wie „Rapunzel“ oder „Die Eiskönigin“ daher. Die Idee, gerade zum Jubiläumsfilm auf verschiedene Einflüsse der Disney-Historie zurückzugreifen, wird im Film neben der visuellen noch auf weiteren Ebenen aufgegriffen, entfaltet aber nie ihr volles Potenzial: Die Welt um die Hauptfiguren herum wirkt zum Teil unbelebt, statisch und auch vom Farbspektrum her trist. Damit soll wahrscheinlich der märchenhafte Bilderbuch-Charakter des Films unterstrichen werden, aber der Kontrast zu den 3D-animierten Figuren ist zu groß, wodurch sich die beiden Ebenen optisch beißen und disharmonisch wirken. Oftmals entspricht die Animationsqualität nicht dem, was die verwöhnten Zuschaueraugen vom Hause Disney aus den letzten Jahren und Jahrzehnten gewohnt sind, sondern eher einer ambitionierten Produktion von einem kleineren No-Name-Animationsteam oder ein Low-Budget-Videospiel – was beim Blick in die Credits anhand der riesigen und namhaften Crew hinter „Wish“ doch sehr verwundert.

Die Songs von Julia Michaels wirken zum Großteil stilistisch so, als könnten sie auch vom gefeierten Komponisten Lin-Manuel Miranda stammen. Ob diese Kompositionen wirklich in die magischen und zum Großteil epischen Disney-Settings passen und sich mit Alan Menkens nahezu legendären Melodien der Disney-Klassiker messen lassen, ist schon seit Jahren ein polarisierendes Thema. Umso mehr verursachen Michaels Lieder Stirnrunzeln: Während der Score durchaus stimmungsvoll und dramatisch die eher seichte Geschichte aufzuwerten vermag, bilden die gesungenen Lieder zumeist ein heiteres, eher belangloses Geplänkel. Die visuell eindrucksvollsten und größten Szenen des Films laufen zu gesungenen Passagen ab und bilden stellenweise einen nahezu lächerlichen Kontrast. Gerade die Lieder des Bösewichts Magnifico könnten „unböser“ kaum klingen. Er säuselt in der Szene seines Falls in den Wahnsinn fröhlich vor sich hin, während das Visuelle auf der Leinwand eine ganz andere Geschichte erzählt. Stellte man den Ton ab um nur das Bild zu verfolgen, würde man eigentlich eine epochale Musicalnummer zu der Szene erwarten. Stattdessen verläuft Song um Song ohne Höhepunkt in der Versenkung. Die glückliche und dringend benötigte Ausnahme ist das Solo von Asha „Ich hab diesen Wunsch“, das erfreulicherweise auch im weiteren Verlauf eine effektvolle Reprise erhält. Trotzdem handelt es sich alles in allem um eine musikalisch maue Ausbeute.

Die Besetzung in der Synchronisation ist in weiten Teilen gut geglückt. Hervorzuheben ist hier Jana Werner, die zu den großen Synchronstimmen für Musicalfilme gilt und sich als „Däumeline“ Belle in „Die Schöne und das Biest“ und „Anastasia“ bereits verewigen konnte. Hier spricht und singt sie die Königin Amaya, die mit ihrem Auftritt im Song „Ich weiß jetzt Bescheid“ für Gänsehaut sorgt. Alexander Doering gibt einen überzeugenden und stimmlich facettenreichen König Magnifico, dem allerdings mehr Stimmvolumen in seinen Songs gut getan hätte. Patricia Meeden strahlt in der Hauptrolle als Asha sowohl in den schauspielintensiven Sprechparts als auch in den Songs mit ihrer virtuosen Stimmführung – sie kommt ihrer Kollegin Ariana DeBose, die Asha ebenso hervorragend auf Englisch spricht und singt, sehr nahe. Eine komplette und fast schon freche Fehlbesetzung kommt in Gestalt von Hazel Brugger als Ashas bester Freundin Dahlia daher – Brugger fehlt jegliches schauspielerisches Feingefühl. Diese Besetzung wirft abermals die dringliche Frage auf: Wann wird Disney endlich aufhören, markante Rollen an namhafte VIPs zu vergeben, die in der Synchron- und Gesangsbranche allerdings wirklich deplatziert sind? Deutschland wartet mit einer der stärksten Synchronsparten weltweit auf – und auch Musicaldarsteller wie Meeden vermögen aufgrund ihrer Ausbildung genau jenes Feld zu bedienen, das Disney mit seinen Filmmusicals auftut. Leider auch hier: Verschwendetes Potenzial, einen positiven Eindruck zu erschaffen.

Schlimmer noch: Geradezu katastrophal sind Christopher Noodts Übersetzungen der Songs ins Deutsche. Die ohnehin schon musikalisch für die Disney-Dramaturgie zu schwachen Lieder funktionieren auf Englisch wenigstens recht gut mit klugen Lyrics und schönen Reimschemata. Auf Deutsch allerdings geht jedes Feingefühl komplett verloren. Keinerlei Rhythmus wird eingehalten, die Texte wirken platt und stupide und vor allem gänzlich inspirationslos. Meeden, Werner und ihre Kollegen geben ihr Bestes, diese eklatanten Mängel mittels toller Stimmen und überzeugendem Schauspiel auszubügeln, aber dies ist angesichts der geradezu faul übertragenen Texte ein hoffnungsloses Unterfangen. Eine auditive Zumutung für alle Zuschauer oberhalb des Kindesalters.

Leider ist „Wish“ der vielleicht schwächste Disney-Film, den das Studio seit Langem hervorgebracht hat – jedenfalls, was die groß angekündigten und beworbenen Kinofilme der Meisterwerke-Reihe betrifft. Besonders schade ist dies vor dem Hintergrund, dass die Erwartungen an „Wish“ als großes Jubiläumswerk des Filmgiganten besonders hoch waren. Viel mehr als blasse Andeutungen und lieblose Querverweise auf die lange Geschichte an wahren Disney-Meisterwerken lassen sich in „Wish“ nicht ausmachen. Hoffentlich beschreitet Disney mit diesem Film nicht den Weg in eine Abwärtsspirale und es geht im nächsten Jahr wieder bergauf.

 
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