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Linedy Genao (Cinderella), Ensemble © by Matthew Murpy and Evan Zimmerman |
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Offenbar haben die Macher von "(Bad) Cinderella" die Schwächen im Buch der West-End-Inszenierung erkannt. So wurde für die Überarbeitung des Broadway-Skripts die erfahrene Playwright und TV-Autorin Alexis Scheer beauftragt. Wird in die Architektur einer bestehenden Geschichte eingegriffen, bleibt es allerdings nicht aus, dass zwar offene Baustellen geschlossen, andere allerdings aufgerissen werden. So auch bei "Bad Cinderella". Auf der einen Seite gelingt es Scheer zwar sehr gut, die Personen und ihre Beziehungen zueinander deutlicher zu zeichnen. Vor allem der Titelfigur konnte Scheer mehr Tiefe verleihen – unter anderem damit, dass sie sie mit ihrem breiten Brooklyn-Akzent vom restlichen Königreich noch klarer abgrenzt. Von Anfang an ist nun auch viel klarer, dass Cinderella und Sebastian schon immer ineinander verliebt waren, beide dies aber – aus Schüchternheit bei Sebastian, aus Coolheit bei Cinderella – niemals zugeben würden. Viele der bisherigen Dialoge wurden gelungen überarbeitet und teils stark gekürzt. Auch ist es Scheer geglückt, erzählerische Bilder immer wieder aufzunehmen. Besonders schön ist dies in der Szene zu erkennen, wenn Sebastian Cinderella völlig entsetzt von den Heiratsplänen, die seine Mutter für ihn hat, erzählt und dabei mit ihr in Streit gerät. Er fragt sie, warum sie so herzlos sei, und Cinderella antwortet in ihrer immer cool-schnoddrigen Art, dass sie vielleicht überhaupt kein Herz habe. Dieses Motiv wird jetzt im großen Eleven-o'Clock-Song der Show "I Know I Have a Heart (Because You Broke It)" wieder aufgenommen.
Auf der anderen Seite sind allerdings auch bisherige Verbindungen – teilweise völlig unnötig – der Schere zum Opfer gefallen: Nach der geplatzten Hochzeit sucht Sebastian nach Cinderella, die Belleville verlassen möchte. Dabei trifft er auf die Godmother, die gute Fee, die als Gegenleistung für Cinderellas Schönheit ein Medaillon – Cinderellas einziges Erinnerungsstück an ihre Eltern – erhalten hat. Die Godmother gibt Sebastian das Medaillon im Originalbuch zurück mit den Worten, dass er jetzt ein Erinnerungsstück daran habe, als er verpasst habe "zu sehen". Damit nimmt sie das Motiv aus Sebastians Solo "Only You, Lonely You" wieder auf, in dem er über Cinderella sagt, dass er nur durch sie sehen könne, wer er wirklich sei und was er wolle und ihr verspricht, sie dies auch sehen zu lassen. Im Original wird damit sehr schön ein Kreis geschlossen. Die neue Fassung verzichtet darauf, das Motiv des Sehens und Erkannt-Werdens sprachlich aufzugreifen.
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Die beiden Hauptrollen übernehmen Linedy Genao als Cinderella und Jordan Dobson als Prince Sebastian. Linedy Genao legt ihre Cinderella cool und schnoddrig an und schafft es damit sehr gut zu zeigen, wie sehr sie alles, wofür Belleville und seine Einwohner stehen, verachtet. Sie hat einige witzige Momente, die sie auch voll auszuspielen vermag. Die stimmlichen Herausforderungen der Rolle meistert sie mühelos und zeigt ihre verschiedenen Facetten, sei es bei ihrem Titelsong, beim kraftvollen und herzzerreisenden "I Know I Have a Heart" oder auch im neu dazugekommenen "Easy to Be Me", das Lloyd Webber offenbar ganz speziell für sie in die Show eingearbeitet hat.
Jordan Dobson reist das Publikum mit seinem Solo "Only You, Lonely You", das für die Broadway-Fassung einen noch deutlich aufgemotzten Schlussakkordverordnet bekommen hat, zu minutenlangen Szenenapplaus hin. Auch in seinen Schauspielszenen beweist er genau das richtige Timing, so zum Beispiel, wenn er hinter der alles dominierenden Königin hervortritt und das Volk Bellevilles mit einem schüchtern-nerdigen "Hi!" begrüsst. Selten kann ein Darsteller mit nur einem Wort seine Figur so deutlich charakterisieren. Stimmlich und tänzerisch sind sowohl Linedy Genao als auch Jordan Dobson dort angekommen, wo sie ganz klar hingehören: in eine Hauptrolle am Great White Way.
Christina Acosta Robinson liefert als Godmother ein äußerst stimmgewaltiges "Beauty Has a Price" ab, ein Song, der direkt aus einer der neueren Überarbeitungen von "Tell Me on a Sunday" kommen könnte.
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Linedy Genao (Cinderella), Jordan Dobson (Prince Sebastian) © by Matthew Murpy and Evan Zimmerman |
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Carolee Carmello (Stepmother) © by Matthew Murpy and Evan Zimmerman |
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Jeder, der im West End Victoria Hamilton Barritt als böse Stiefmutter gesehen hat, wird sich zweifellos die Frage stellen, ob Broadway-Ikone Carolee Carmello in diese Fußstapfen treten kann. Und die Antwort ist: Ja, sie kann! Und wie sie kann! Zwar hat sie nicht das urkomische Minenspiel ihrer Londoner Vorgängerin, aber auch sie ist abgrundtief böse und dabei unglaublich lustig. Besonders im Zusammenspiel mit Grace McLean als völlig durchgeknallte Königin gelingen Momente voller Situationskomik. Die Szene, in der die Stiefmutter bei der Königin vorspricht, um ihre beiden Töchter als geeignete Bräute anzupreisen, und dabei auch gleich anmerkt, dass sie die Königin aus ihrer Zeit als Tänzerin in einer zwielichtigen Bar kenne, ist urkomisch: Angefangen mit der non-verbalen Kommunikation zwischen den beiden, wenn die Königin möchte, dass sich die Stiefmutter noch tiefer vor ihr verneigt, diese es aber altersbedingt nicht mehr schafft – bis hin zur Slapstick-Komik, als die Königin versucht, die Stiefmutter mit einer Tortenschaufel zu erstechen. Immer wieder wechselt die Stiefmutter im entscheidenden Moment den Platz und fischt besagte Tortenschaufel aus einer Sofaritze heraus, wohin sie die Königin flugs hat verschwinden lassen, nur um sie der Königin gleich wieder zurückzugeben, als sei es das normalste auf der Welt. Eine Strapaze für die Lachmuskeln!
Der Humor in "Bad Cinderella" wandelt stets auf einer sehr dünnen Klinge. Selbst wenn zum Ende der Show hin Prince Charming zurückkehrt und die gesamte Hochzeitsgesellschaft inklusive der Stiefmutter und der Königin in völlige Verzückung verfällt, gelingt es der Cast, nicht in Klamauk abzurutschen, sondern eine gute Balance zu halten.
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