Tobias Weis © Samuel Hoi Ming Chung
Tobias Weis © Samuel Hoi Ming Chung

3 Fragen an ... Tobias Weis

Tobias Weis kennt man aus zahlreichen Großproduktionen. Ab November ist er wieder als Dschinni bei “Aladdin” in Stuttgart zu sehen. Doch auch abseits der Stage-Entertainment-Bühnen ist der vielseitige Künstler, der auch als Regisseur und Übersetzer arbeitet und Nachwuchsdarsteller unterrichtet, mit mehreren Projekten am Start. Eins davon ist die Konzertreihe “Irgendwie anders”, ein anderes das Kammermusical “John & Jen”, das er in Eigenregie und -finanzierung während der Pandemie auf die Beine stellte und mit dem im September das WERK7 in München wiedereröffnet wird. Im Interview erzählt uns Tobias, wie durch gemeinsame Energie und Kreativität sowie den Zusammenhalt der Kulturschaffenden während der Corona-Krise diese Inszenierung überhaupt erst möglich wurde.

Du bist sowohl vor als auch hinter der Bühne aktiv. Als Darsteller hast Du in Stücken wie “3 Musketiere”, “Shrek” oder “Aladdin” gespielt, und als Regisseur u.a. “I Love You. You’re Perfect, Now Change” in Freiburg inszeniert. Ab September ist mit “John & Jen” eine weitere Regiearbeit von Dir zu sehen. Hand aufs Herz – was magst Du lieber: Opulente Großproduktionen oder kleine, intime Kammermusicals?rnrnIch liebe opulente Großproduktionen! Wenn 1800 Menschen gemeinsam im Publikum sitzen und der Pracht, der Perfektion und der Energie einer Show entgegenfiebern. Wenn sie sich mitreißen lassen von der Geschichte, die wir Schauspieler, Sänger und Tänzer ihnen live auf der Bühne erzählen. Pure, knisternde, gespannte Energie in einem Raum mit tausenden Menschen! Das ist für mich als Darsteller ein ganz besonderes Gefühl.

Als Regisseur und Darsteller faszinieren mich aber auch die kleinen intimen Shows. Sie fordern mich und meine Kreativität immer wieder aufs Neue heraus. Mit wenigen Mitteln, Requisiten, Bühnenteilen und Mitwirkenden ein Stück auf die Bühne zu bringen, welches das Publikum teilhaben lässt an allen Emotionen. Ganz pur, ganz nah, ganz echt. Das ist für mich im wahrsten Sinne eine Kunst.

Also um die Frage zu beantworten: Ich kann und will mich gar nicht entscheiden, was ich lieber mag – das farbenfrohe, laute Tamtam einer großen Parade oder die kleine, leise Intimität einer romantischen Verabredung. Fakt ist: Ich liebe, was ich mache und das ist THEATER.

“John & Jen” ist hierzulande relativ unbekannt. Wie kamst Du zu dem Stück, und was findest Du an dem Stoff so spannend? Wie schwer ist es, in Pandemie-Zeiten so eine Regiearbeit umzusetzen?

Als Bühnendarsteller und Kreativschaffender suche ich immer nach unbekanntem, neuem oder besonderem Material. Etwas zu machen, was noch niemand bzw. kaum jemand gemacht hat, das interessiert mich.

Als ich vor über zwanzig Jahren voll in meiner Ausbildung zum Bühnendarsteller steckte, suchte ich nach einem unbekannten Song für ein Vorsingen und “fand” dabei in der Musikbibliothek in Hamburg “John & Jen”. Ja, wir mussten damals für CDs und Noten tatsächlich noch in die Bibliothek gehen! [lacht] Das Musical war damals neu, ungewöhnlich und definitiv seiner Zeit weit voraus. Nur zwei Darsteller, eine emotional nicht immer angenehme Story, eingebettet in wunderbare Musik von einem “noch” unbekannten Andrew Lippa, der später durch “Wild Party”, “Big Fish” und “Addams Family” einem breiterem Publikum bekannt wurde. Eine spannende Geschichte über Bruder und Schwester, Mutter und Sohn mit allen Höhen und Tiefen des Lebens. Ich wusste sofort: Das will ich mal machen!

Nichts passierte – bis Corona kam. Durch die Pandemie kam die Welt und ganz besonders die Kulturbranche zum kompletten Stillstand. Quasi Berufsverbot durch die geltenden Abstandsregeln. Ich war geschockt, verunsichert, mal verärgert und hatte ordentlich Zukunftsangst. Ich habe Freunde und Kollegen ihren “Traumberuf” aufgeben sehen, um sich und ihre Familien zu versorgen. Viele von Ihnen werden nicht mehr ins Theater zurückkehren. Vielleicht als Zuschauer.

Aber Kreativität lässt sich nicht einfach stoppen! Sie will raus – und so wurde “John & Jen” Realität: Je länger sich die Zwangspause hinzog, desto größer wurde der Drang, wieder etwas Kreatives machen wollen. Ich habe Freunde anrufen und ihnen von “John & Jen” erzählt. Und dann hatte ich einfach Glück, dass ich durch Karen Bild den Kontakt zu Matthias Raupach vom Hoftheater Bad-Freienwalde bekommen habe. Er stellt uns das Theater und die Technik für Proben und geplante Aufführungen im März 2021 zur Verfügung.

Als ich dann bei Kollegen angefragt habe, wer Lust hat, ohne Bezahlung ein Stück auf die Beine zu stellen, sagten überraschenderweise alle “Ja!” – vom Lichtdesigner über Bühnenbau- und Requisiten-Designer bis zu den Musikern und Darstellern. Die Darsteller von “John & Jen” Karen Bild und Patrick Stauf und ich als Regisseur nahmen unser eigenes erspartes Geld in die Hand um die Produktion zu bezahlen. Wir organisierten alles selbst, hielten die Kosten so gering wie möglich und hofften, dass wir auch tatsächlich vor Publikum spielen dürfen, um am Ende eine schwarze Null zu schreiben. Die Aufführungstermine standen schon und waren im Verkauf und wir haben mit FFP2-Masken und Corona-Tests wie wild geprobt. Bis zur Generalprobe bzw. Medienpremiere haben wir es geschafft und auch tolles Feedback und fantastische Kritiken bekommen, aber dann mussten wir inzidenzbedingt alle Vorstellungen absagen.

Glücklicherweise hatten wir von der Generalprobe ein Video gemacht, das wir an Nellie Krautschneider vom WERK7 in München geschickt haben – und hier hatten wir zum dritten Mal Glück, denn sie holt “John & Jen” für zwei Wochen im September 2021 nach München – als Wiedereröffnungsstück des WERK7!

Das ganz Besondere dieser Regiearbeit und Produktion ist für mich die Freude, die Energie und vor allem der Zusammenhalt der Kulturschaffenden in unserer Branche. Keiner der Mitwirkenden hat eine Gage oder Bezahlung verlangt. Wir kamen zusammen um gemeinsam kreativ unsere Talente zu nutzen, um Kunst zu erschaffen. Ein Erlebnis für Zuschauer und Mitwirkende, ohne den Aspekt des Geldverdienens. Einfach Kunst um der Kunst Willen. Das erfüllt mich mit Freude und macht mich stolz, ein Teil der Kunst- und Kulturbranche zu sein!

Aber “John & Jen” ist im Moment nicht Dein einziges Projekt. In Solingen bist Du gemeinsam mit Anne Hoth und Karen Bild bei dem Konzert “Irgendwie anders” dabei – das klingt vielversprechend. Und auch ein bisschen geheimnisvoll. Musicalkonzerte gibt es ja wie Sand am Meer. Was macht Euer Programm denn wirklich ‘anders’ als den Rest?

Bei unserem Konzert “Irgendwie Anders” ist tatsächlich der Name Programm. Wir kommen mit einem coolen und einzigartigen Repertoire nach Solingen, das alle Genregrenzen sprengt. Wir machen natürlich Musical, aber auch Rock-Pop, Funk, Jazz, Schlager, 90er Nostalgie, Singer-Songwriter und vieles mehr. Aber eben… irgendwie anders! Das heißt konkret, Frauen singen z.B. Männerlieder und umgekehrt, wir arrangieren Altbekanntes ganz neu, präsentieren unsere eigenen, neuen Übersetzungen und Eigenkreationen, verzaubern mit unbekannten Song-Perlen und vor allem: Wir erzählen Geschichten in Liedform. Wir sind mal Rockröhren und Partymacher, mal Swing- oder Balladensänger und jeder spielt zusätzlich ein Instrument! Es gibt Close-Harmony Gesang, einen selbstgeschriebenen Song und ein bombastisches Musicalmedley mit Songs aus den Shows in denen wir selbst mitgespielt haben.

Zu etwas ganz Besonderem machen den Abend unsere Mash-Ups. Dazu nehmen wir bekannte Songs, die nichts miteinander zu tun haben, deren Akkorde in der Musik aber gleich sind und mixen sie miteinander. Wir verschmelzen z.B. “Wie schön Du bist” von Sarah Connor mit “True Colors” von Cyndi Lauper und daraus entsteht etwas Wunderbares, etwas das man so noch nie gehört hat! Wir “mashen” Amy Winehouse mit LAING oder 13 Minuten lang Party-Songs der 90er mit den exakt 4 gleichen Akkorden hintereinander. In Solingen präsentieren wir am 18.09./19.09.2021 auch unser neuestes Mash-Up, bei dem zwei Songs gleichzeitig komplett übereinander liegen: Sara Bareilles “Gravity” verschmilzt mit SIAs “Chandelier” zu einer völlig neuen Ballade.

Also, wir machen bei unserem Konzert alles auf unsere eigene, besondere Art und Weise und die ist halt – wie der Name schon sagt – irgendwie anders. [lacht]

 
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