Pressetalk Schlossfestspiele Zwingenberg - © ehFoto&Grafie
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3 Fragen an... Simon Eichenberger

+++ Wichtiger Hinweis: Unser Interview mit Simon Eichenberger haben wir bereits am 26.09. geführt. Das Salzburger Landestheater hat die Verlegung der “Der Schuh des Manitu”-Premiere in München erst heute Nachmittag, nach Veröffentlichung dieses Textes, bekannt gegeben. +++

Der aus der Schweiz stammende Regisseur und Choreograf absolvierte seine Ausbildung beim Schweizer Kammerballett in Zürich und stand 15 Jahre lang als Musicaldarsteller auf der Bühne. Es entstand eine intensive Zusammenarbeit mit Kim Duddy als Associate Choreographer für die Weltpremieren von “Ich war noch niemals in New York” (Hamburg 2007) und “Hinterm Horizont” (Berlin 2011). Seine eigene Laufbahn als Choreograf führte Simon unter anderem an das Staatstheater Kassel, die Staatsoperette Dresden, das Landestheater Linz, die ThunerSeespiele, die Salzburger Festspiele und an die Vereinigten Bühnen Wien.

Das Fachmagazin musicals zeichnete Simon für seine “Rebecca”-Choreografien in St. Gallen und Stuttgart aus, sowie für die Europapremiere von “Catch Me If You Can”. Für “Das Wunder von Bern” in Hamburg erhielt er als bester Choreograf den ersten deutschen Musicalpreis, und wiederholte 2018 den Erfolg für die Linzer Uraufführung von “In 80 Tagen um die Welt”.

Im Sommer 2017 gab Simon sein doppeltes Regie-Debüt am Staatstheater Schwerin (“West Side Story”) und in Zwingenberg (“The Rocky Horror Show”). Aktuell ist er am Salzburger Landestheater als Choreograf für “Der Schuh des Manitu” tätig (Premiere am Deutschen Theater München: 15.10.2020) und wird als Regisseur, Choreograf und Bühnenbildner in Linz “Lieder für eine neue Welt (Songs For A New World)” herausbringen (Premiere: 27.11.2020).

Tanzen fordert geradezu zu körperlichem Kontakt und Berührung auf. Das funktioniert zurzeit nur sehr bedingt. Inwieweit fühlst du dich in deiner künstlerischen Kreativität durch die Corona-Regeln beschnitten und wie reagierst du bei deiner Arbeit darauf?

Als erstes fühle ich mich unglaublich privilegiert und dankbar, dass ich in der jetzigen Zeit überhaupt wieder in einem Theater arbeiten darf. Weltweit ist unsere Branche nachwievor in einem gewissen Lockdown. Veranstaltungen werden verschoben, ersatzlos gestrichen, das West End und der Broadway sind auf ungewisse Zeit geschlossen. Nur die wenigsten subventionierten Theater sind irgendwie wieder aus ihrem Schlaf aufgewacht. Grundsätzlich ist es einfach ein unvorstellbarer Zustand für Theater und Veranstalter, überhaupt etwas zu planen. Und unter diesen Umständen bin ich für jeden einzelnen Probentag dankbar – auch mit Maske und Abstand und unseren allbekannten Maßnahmeregeln.

Ein großes Thema sind aber wahrhaftig die bürokratischen Regeln und Vorschriften, die teilweise wenig mit der Realität unseres Schaffens zu tun haben. So ist die Annahme, dass ein Choreograf kontaktlos hinter dem Tisch maskiert sitzen bleiben kann, ein Irrtum. Das hat natürlich auch damit zu tun, dass wir alle noch nie mit so etwas konfrontiert wurden. Aber klar müssen wir uns der neuen Situation anpassen und versuchen, das Beste herauszuholen. Es bringt nichts, sich dagegen zu wehren.

Meine Kreativität schränkt es insofern nicht ein, da ich beim Kreieren erstmals von der Wunschvorstellung einer Choreografie ausgehe und es dann an die neuen Anforderungen anpasse. Natürlich muss man Kompromisse eingehen, das eine oder andere weglassen. Ich sehe es aber als Herausforderung, neue Wege und Lösungen zu finden, damit es der Zuschauer schlussendlich gar nicht bemerkt und an der Geschichte hängen bleibt!

In Salzburg kommt ihr jetzt in die heiße Endproben-Phase. Wie sieht im Augenblick dein Arbeitsalltag aus und welche Rolle spielen dabei für dich und die Darsteller die Hygiene-Regeln im Theater?

Wir haben bei “Der Schuh des Manitu” das Glück, dass wir durch das Schutz- und Hygienekonzept des Salzburger Landestheaters, das auf dem der erfolgreich durchgeführten Salzburger Festspiele basiert, innerhalb der Proben mit den Darstellern keine Abstandsregeln haben. Dafür werden wir allerdings regelmässig getestet und gewähren somit die Sicherheit aller Beteiligten.

So haben Regisseur Andreas Gergen und ich zunächst unsere richtige Fassung kreiert und dann die Produktion in eine corona-konforme Version adaptiert. Da es eine Koproduktion zwischen Deutschland (München) und Österreich (Salzburg) ist, gelten allerdings auch unterschiedliche Regeln. Unsere erste Premiere soll ja nachwievor in München stattfinden. Um dort allerdings überhaupt spielen zu dürfen, warten wir immer noch auf grünes Licht von den Behörden.

Im Anschluss an das Bully Herbig-Westernmusical gibt es für dich ein absolutes Kontrastprogramm. In Linz wird es in Jason Robert Browns-Musical-Revue nicht ganz so heiter zugehen. Hier bist du als Regisseur, Choreograf und Bühnenbildner in Personal-Union tätig. Wie ist es dazu gekommen und was reizt dich ganz besonders an diesem nicht ganz einfachen Stück?

Vor einem Jahr konnte noch keiner ahnen, dass durch unsere momentane Lebenssituation “Songs For A New World” weltweit noch aktueller ist, als je zuvor: Klimaschutz, politische Unruhen, Migrationskonflikte, Rassiumsdebatte, demokratische Aufstände und über allem noch COVID-19: Die ganze Welt steht momentan vor einem Wendepunkt! Dabei hat uns die Pandemie vors Licht geführt, was Freiheitsentzug eigentlich bedeutet und welche Auswirkungen bestimmten Entscheidungen haben können.

Diese Produktion habe ich alleine dem Musicalchef von Linz, Matthias Davids, zu verdanken. Er rief mich vor dem Sommer an und berichtete mir von der Umstellung des Spielplans aufgrund der Pandemie. Um ein gewisses Risiko rauszunehmne, war er auf der Suche nach Stücken, die auch nur mit dem Musicalensemble gespielt werden können, um ein gewisses Risiko rauszunehmen.

Jason Robert Brown erzählt in diesem Liederzyklus 16 unterschiedlichste Geschichten, in denen es um Menschen geht, die an einem Wendepunkt ihres Lebens vor schicksalshaften Entscheidungen stehen und somit auch mit einer neuen Welt konfrontiert werden. Im Gegensatz zum Original, das mit nur 4 Personen gespielt und gesungen wird, habe ich mit den 10 DarstellerInnen des Linzer Musicalensembles die Möglichkeit, gerade die chorischen, gospeligen Ensemblenummern etwas opulenter und größer zu machen. Damit kann ich auch das Ensemble szenisch in die Situation der Protagonisten miteinbeziehen. Die einzelnen Konflikte der Figuren bleiben aber alle sehr persönlich, intim und schicksalshaft! Die Musik ist in den Stilrichtungen vielseitig und groß. Es gibt leise und laute Töne, mal lyrisch, mal rockig , mal soulig , mal komödiantisch. Es wird auf jeden Fall eine extrem emotionale Reise, auch im Probenprozess, da wir unfreiwillig selbst in einer neuen Welt feststecken, und sich dadurch die Schnittstellen zwischen Darstellern und Figuren teilweise vermischen werden.

Eine weitere sehr aufregende Komponente wird die Symbiose meines Theaterschaffens mit meiner Kunst. Ich zeichne ja seit einigen Jahren ONELINER, das sind Einstrichzeichnungen. So werde ich gemeinsam mit einem Videodesigner die Bühne gestalten und mit meinen ONELINERN das Geschehen optisch unterstützen.

 
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