Ich hatte alles erreicht

Maik Klokow über seinen Wechsel in die Geschäftsführung der Krauth-Gruppe, die Vorbereitung von “Spamalot” und “Frühlings Erwachen” und die Chancen aktueller Broadway- und West-End-Hits in Deutschland.

Schon in der Stella AG war er in leitenden Funktionen tätig und verantwortete unter anderem die Weltpremiere der Disney-Produktion “Der Glöckner von Notre Dame”. Im Jahr 2000 baute Maik Klokow den deutschen Zweig der Stage Entertainment auf, produzierte und vermarktete Musicals wie “Der König der Löwen” und “Mamma Mia!”, “Dirty Dancing” und “Ich war noch niemals in New York”. Nach acht Jahren beim Marktführer wechselte der gebürtige Wismarer im April 2008 in die Geschäftsführung der Unternehmensgruppe von Thomas Krauth, die derzeit das Capitol Theater in Düsseldorf, den Musical Dome in Köln und das Starlight-Express-Theater in Bochum betreibt.

Herr Klokow, seit sieben Monaten sind Sie inzwischen Geschäftsführer der Krauth-Unternehmensgruppe. Wie geht’s Ihnen?

Maik Klokow: Danke der Nachfrage: Sehr gut.

Mit “Spamalot” und “Spring Awakening” holen Sie im kommenden Jahr zwei Broadway-Erfolge nach Deutschland. Zunächst feiert “Spamalot” in Köln Premiere …

Das Monty-Python-Musical “Spamalot” und Köln sind für mich ein “Perfect Fit”. Ich habe schon immer gesagt, dass ich “Spamalot” für einen sehr attraktiven Musicalstoff halte, der ein ganz bestimmtes Klientel abdeckt. Das Stück ist außergewöhnlich und anders – was ich bei einem Musical immer für ein gutes Kriterium halte. 2005 hat es als “Bestes Musical” den Tony Award gewonnen und war noch nicht in Deutschland. Von daher war es nahe liegend, die Show herzubringen.

Und wie wollen Sie den Rittern der Kokosnuss Deutsch beibringen? Etwa in der Broadway-Parodie-Szene im zweiten Akt samt funkelndem Judenstern?

Man muss sich immer anschauen, was die Inhalte solcher Szenen sind. Und warum die Szene so gespielt wird, wie sie gespielt wird. Der Sinn dieser komischen Szene ist, zu zeigen, dass man am Broadway keine Show ohne die dort traditionelle kreative und finanzielle Unterstützung jüdischer Produzenten auf die Bühne bringen kann. Das ist in New York allgemein bekannt – und deswegen ist dieser Handlungsstrang für das Publikum dort absolut verständlich und äußerst witzig. Ob man diesen Joke hier in Deutschland, wo dieses Hintergrundwissen naturgemäß nicht vorhanden ist, eins zu eins zeigen kann, vermag ich im Moment noch nicht zu sagen. Die Übersetzer arbeiten im Moment daran, und Eric Idle bindet sich sogar selbst mit ein und hat von sich aus gesagt: Da sollten wir noch mal drüber nachdenken, ob das alles so Sinn ergibt. Aber ich bin mir sicher, dass wir dafür eine Lösung finden werden.

Gerüchten zufolge haben Sie bei “Spring Awakening” das Problem, eine junge, rockaffine Cast zusammenzustellen. Hat Sie das zu den ersten Open Auditions bei einer deutschen Großproduktion bewogen?

Problem würde ich das nicht nennen, sondern Herausforderung. Wenn man sich der Herausforderung stellt, “Spring Awakening” machen zu wollen, dann sollte man den Anspruch haben, das Darstelleralter den Spielfiguren nahe zu bringen. Moritz, Melchior & Co sind alle 16 Jahre alt, und Sie können diese Rollen nicht mit Schauspielern und Tänzern besetzen, die 25, 26 oder 27 Jahre alt sind. Das ist einfach nicht glaubhaft. Von daher haben wir uns entschlossen, ganz junge Leute zu casten. Das ist auch weitestgehend gelungen. Aber wir haben eben noch nicht alle Rollen besetzt. Die Open Auditions sind also keine öffentlichkeitswirksame Publicity-Maßnahme, sondern tatsächlich inhaltlich getrieben. Mitglieder aus Theater-AGs an Schulen oder von Laienspielgruppen sollen die Möglichkeit bekommen, sich zu bewerben, damit wir sehen: Was gibt es eigentlich noch an Potenzial? Und dieses Verfahren hat sich bereits bewährt. Wir haben in der ersten Open-Audition-Runde in München drei Supertalente entdeckt. Das macht mich doch sehr optimistisch. Ich glaube, dass das ein zwar ungewöhnlicher, aber guter Weg ist, so eine Cast zu suchen.

Welche anderen Stücke hätten Ihrer Meinung nach Chancen, auf Deutschlands Musicalbühnen zu kommen?

Zunächst gibt es da einige, bei denen ich mir nicht sicher bin. Ob “Legally Blonde” etwa beim deutschen Publikum ankommen würde, vermag ich nicht zu sagen. Weil die Geschichte einfach zu amerikanisch ist. Bei “High School Musical” ist das schon etwas anderes, wenn man sich die Sympathien anschaut, auf die der Film auch beim jungen deutschen Publikums stößt. Absolut sicher bin ich mir, dass “Shrek – Das Musical” bei uns gute Chancen hätte. Und “Billy Elliot” muss sowieso nach Deutschland.

Obwohl das Stück stark im britischen Milieu verhaftet ist? Und woher nehmen Sie die Kinderdarsteller, die ja extrem talentiert sein müssen?

Das wäre natürlich durch das Jugendschutz- und Arbeitsrecht eine besondere Herausforderung. Mit Kinderdarstellern zu arbeiten, ist immer sehr schwierig und aufwändig. Aber es ist möglich. Und es gibt Städte, in denen es besonders viele talentierte Jungen und Mädchen gibt – etwa in den Ballettschulen in Berlin oder Hamburg. Und was die Geschichte angeht: Die ist so “generell”, dass sie für jedes Publikum, das das Genre Musical liebt, interessant ist – unabhängig davon, in welchem Kontext sie spielt.

Hat Deutschland eigentlich so wenig gute Stoffe und Autoren, dass man immer nur auf Importmusicals setzen muss?

Das macht die Krauth-Unternehmensgruppe ja ohnehin nicht. Sie war eine der ersten, die auch Eigenproduktionen entwickelt hat. Ich darf an “Das Mädchen Rosemarie” erinnern und an das Tanzmusical “Miami Nights” im Capitol Theater Düsseldorf. Das sind Eigenproduktionen, die Thomas Krauth schon gemacht hat, bevor die Stage überhaupt damit angefangen hat. Und mit Verlaub: Eigenproduktionen bedeuten eben ein Zehnfaches an Risiko. Das dürfen Sie nicht vergessen. Und die Strategie, die die Mitbewerber vor einigen Jahren festgelegt haben – jedes Jahr eine neue eigene Show auf die Bühne zu bringen –, würde ich schon als sehr mutig bezeichnen. Die Krauth-Unternehmensgruppe arbeitet auch an eigenen Stoffen. Aber wir werden sie immer in ausgewogener Risikobetrachtung auf die Bühne bringen und nicht ad hoc.

Die Stage Entertainment hatte unter Ihrer Leitung versucht, das Berliner Schlossparktheater als Musical-Off-Theater zu etablieren, als Ausprobierplattform für neue, nicht so kommerzielle Stücke. Würde Sie so ein Projekt als alter Theaterfuchs nicht noch einmal reizen – in Ihrer neuen Position?

Wir haben hier in Düsseldorf ja ein Theater mit zwei Sälen. Das Capitol Theater hat einen großen, aber auch einen kleinen Saal mit 400 Plätzen. Da ist sicherlich auch mal Platz, das ein oder andere auszuprobieren.

Was bietet Ihnen eigentlich Ihr neuer Job, was Ihr alter nicht bot?

Wenn man jahrelang Vollgas gegeben hat, dann fragt man sich: Wofür macht man das eigentlich? Welche Ziele habe ich noch? In meiner vorherigen Position hatte ich alles erreicht, was man erreichen kann – bis hin zu einer eigenen Produktion, die erfolgreich auf die Bühne gebracht wurde und vom Publikum geliebt wird. Mir gefiel die Herausforderung, eine neue Programmatik in die Krauth-Theater zu bringen, die die Position der Gruppe als gut sichtbarer Marktteilnehmer festigt.

Sie haben in Ihrem alten Job Einiges bewegt: im Auftrag der Stage Entertainment aus dem Nichts eine deutsche Tochterfirma aufgebaut, binnen weniger Jahre hochprofessionelle Strukturen geschaffen, elf Bühnen in der gesamten Republik zu modernen Dauerabspielstätten umbauen lassen. Wie kam es dann zum plötzlichen Wechsel zur Konkurrenz?

Von außen sieht das immer plötzlich aus, aber es war nicht plötzlich. Das hat etwas mit Professionalität zu tun. Wenn man ein Unternehmen leitet, dann trägt man seine Auseinandersetzungen nicht nach außen – deshalb entsteht im entscheidenden Moment der Eindruck von Plötzlichkeit. Das war ein Prozess. Ich habe in diesem Unternehmen Ziele gehabt, die ich bis zu einem gewissen Punkt erreichen konnte. Der Eigner ebenfalls. Am Ende haben einige Ziele nicht mehr übereingestimmt. Und wenn man sich darüber einig ist, dass die Ziele des Eigners und des operativ Verantwortlichen nicht übereinstimmen, dann trennt man sich.

Man munkelt, vor allem “Ich war noch niemals in New York” habe zum Bruch zwischen Ihnen und Joop van den Ende geführt. Regisseur Christian Struppeck ist nur wenige Wochen vor Ihnen gegangen worden.

Das war das Ende des beschriebenen Prozesses, nicht der Anfang. Es war klar, dass wir die Premiere von “Ich war noch niemals in New York” nicht mit der nichtigen Mitteilung gefährden wollten, dass Herr Klokow ab sofort nicht mehr im Unternehmen ist. Das ist nicht relevant, wenn ein großes Stück Premiere feiert. Deswegen wurde die Nachricht erst im Nachhinein kommuniziert.

Hand aufs Herz: Haben Sie die Castingshow “Ich Tarzan, Du Jane”, bei der Sie eigentlich in der Jury sitzen sollten, gesehen?

Leider nicht. Nicht, weil ich nicht wollte, sondern weil ich einfach keine Zeit hatte. Aber ich habe mir Einiges darüber erzählen lassen. Mir wurde zugetragen, dass es teilweise ganz unterhaltsam war. Aber auch eine lehrreiche Erfahrung zu den Dingen, die man im Fernsehen nicht machen darf. Von daher glaube ich, dass beide Seiten – sowohl die Befürworter als auch die Gegner – ihre triftigen Gründe gehabt haben, ein- beziehungsweise abzuschalten.

Herr Klokow, wann haben Sie persönlich einen richtig guten Musicalabend?

Für mich muss ein Musicalabend überraschend sein. Und er muss eine gewisse Tiefe haben. Ich möchte wissen, dass mir dieses Stück etwas für mein Leben mitgibt. Ich muss vielleicht dazusagen, dass ich kein absoluter Musicalfan bin. Das ist mein Beruf und meine Leidenschaft. Aber deshalb liebe ich noch lange nicht alle Stücke, die es gibt. Und mein persönlicher Geschmack geht sicherlich am Mainstream vorbei. Aber die Kunst in meinem Job besteht darin, sich davon zu lösen und sich zu fragen: Was würde die Mehrzahl des Publikums mögen?

Musicalfan oder nicht: Was war das letzte Stück, das Ihnen richtig gut gefallen hat?

“Spring Awakening” hat mich sehr berührt. Das habe ich als ein tolles Stück empfunden, als ich es zum ersten Mal gesehen habe. “Into the Woods” halte ich für ein wunderbares Musical, weil es diesen Touch Kritik an gesellschaftlichen Formen mit sich bringt. Ich liebe “Cabaret”. Und vorige Woche war ich mal wieder bei “Starlight Express”. Das hat mich auch umgehauen, nicht von meinem Erlebnis her, ich kannte “Starlight Express” ja schon, sondern weil ich meinen Sohn beobachtet habe. Er lag erst leger im Sessel, nach zwei Minuten saß er nur noch mit großen Augen auf der Sitzkante. Da sieht man, was Live-Entertainment mit Kindern machen kann, die ja schon Vieles aus dem Fernsehen oder von Computerspielen her kennen. Theater als Live-Erlebnis verändert die Menschen. Deshalb liebe ich diesen Beruf.

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