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 Klassiker
Kiss Me, Kate Wunderbar
© Nils Heck
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Die Darmstädter Produktion von Cole Porters Klassiker über die Reibereien eines Schauspieler-Ex-Ehepaars auf und hinter der Bühne einer Aufführung von Shakespeares "Der Widerspenstigen Zähmung" ist optisch imposant. Doch Regisseur Eric Petersen bekommt die vielen Möglichkeiten des Bühnenbilds nicht in den Griff.
(Text: ig) Premiere: | | 02.02.2019 | Rezensierte Vorstellung: | | 08.02.2019 | Dernière: | | 17.01.2020 | Showlänge: | | 190 Minuten (ggf. inkl. Pause) |
Für die Kulisse sind Momme Hinrichs und Torge Møller von fettFilm verantwortlich. Sie nehmen "Bühne auf der Bühne" wörtlich und bauen eine drehbare Szenerie: Die eine Hälfte ist der Spiel-, die andere der Hinterbühnen-Bereich. Wenn der Fokus wechselt und entweder zur einen oder anderen Seiten gedreht wird, kann man reizvolle Blicke in die Bühnengassen werfen. Der Inspizient an seinem Pult, die Souffleuse, wartende Ensemble-Mitglieder oder die gefesselte und von Gangestern bewachte Lilli Vanessi ziehen da am Zuschauer vorbei. Das ist so lange reizvoll, bis sich der Zuschauer entscheiden muss, der Szene mit Text im zum Publikum gedrehten Bereich, der hinteren Pantomime oder den überpräsent inszenierten Nebenfiguren zu folgen.
© Nils Heck
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Regisseur Erik Petersen gibt ein flottes Tempo vor, sprudelt über vor Ideen und macht des Guten zu viel. In der Aufführung von "Der Widerspenstigen Zähmung" kommen Darsteller zu spät auf die Bühne, verpassen ihre Einsätze und Namen der Figuren werden vergessen oder verwechselt – viele kleine Gags am Rande, von denen keiner so richtig zündet.
Gelungen ist dagegen der Umgang mit dem heiklen Frauenbild der Vorlage. Bei Lilli Vanessi und besonders bei Lois Lane ist von Anfang an klar, dass man diesen Damen nichts vormachen kann. Lane wird vom dümmlichen Starlet anderer Inszenierungen zur selbstbewussten Frau, die ihre üppigen Reize gezielt einsetzt. Nach Lillis / Kates "I Am Ashamed That Women Are So Simple" herrscht dann auch einen Moment lang peinliche Stille im Theater, die von Fred Grahams "Was für ein bescheuerter Text!" wunderbar aufgebrochen wird.
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Verena Polkowskis Kostüme erscheinen wenig homogen. Die meisten Darsteller tragen Mode der 1940er Jahre, die Garderobieren Paul und Hattie bei "Too Darn Hot" bunte Sportbekleidung wie aus den 1990ern und General Howell die Uniform eines Operetten-Generals. Ihre Ausstattung des "Stücks im Stück" ist passend, dafür sind in diesen Szenen die Bühnenbild-Projektionen etwas grob geraten.
Auch wenn der Regisseur sie für viel optische Unruhe sorgen lässt, vermitteln Ellen Wawrzyniak und David Dodd-Ellis sehr glaubhaft, dass die Garderobieren Hattie und Paul total ineinander verschossen sind, und Oedo Kuipers leidet als Schauspieler Riley wirklich herzzerreißend an Liebeskummer. Michael Pegher und David Pichlmaier geben mit sichtlichem Spaß die beiden Ganoven. Arvid Assarsson legt Bill Calhoun als liebenswürdigen Halunken an, dem Beatrice Reece als Lois Lane mit souliger Stimme und starker Präsenz deutlich zeigt, wie der Hase läuft.
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Barbara Obermeier und Tobias Licht harmonieren ausgesprochen gut als Ex-Ehepaar Lilli Vanessi und Fred Graham. Obermeier walzt das Zicken-Klischee dabei nicht zu sehr aus. Ihr gelingt ein sehr schöner Moment, wenn Lilli klar wird, dass ihr Verlobter General Howell nicht mehr als ein williges Heimchen am Herd haben will. Ihre wandelbare Stimme passt sich vom hohen Sopran bis zur Jazz-Röhre wunderbar an. Tobias Lichts Fred Graham ist ein egozentrischer, großmäuliger Waschlappen. Das führt die plumpe Männlichkeit seiner "Stück-im-Stück"-Figur Petruchio gewitzt ad absurdum. Durch seine eher leichte Stimme bekommt sein Part einen etwas emotionaleren Unterton.
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Gesungen wird primär auf Deutsch. Warum "I Hate Men" und die Reprise von "So in Love" im Original (ohne Übertitel) belassen wurden, ist nicht nachvollziehbar. "I Hate Men" widmet man im Programmheft sogar einen eigenen Beitrag und lobt den "sprachlich ausgefeilten Text", von dem man, auch wenn man des Englischen mächtig ist, kein Wort versteht. Es liegt weniger daran, dass aus Lillis / Kates Solo eine Gospel-Nummer mit Frauenchor gemacht wurde, sondern an der mangelhaften Tonqualität. Die Anlage quirlt Gesang und Begleitung zu einem lauten Klangbrei. Zwar leitet Michael Nündel die Musiker frisch und temporeich, aber Feinheiten gehen in diesem Durcheinander mit dominant ausgesteuertem Orchester völlig unter.
Der schlechte Ton verärgert, das Bühnenbild fasziniert, das Ensemble ist spielfreudig und gut bei Stimme, die Regie macht unnötig viele Nebenbaustellen auf: Diese Produktion hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck.
(Text: Ingo Göllner)

Kreativteam
Besetzung
Zuschauer-Rezensionen
Die hier wiedergegebenen Bewertungen sind Meinungen einzelner Zuschauer und entsprechen nicht unbedingt den Ansichten der Musicalzentrale.
 1 Zuschauer hat eine Wertung abgegeben:

    32004 Sehenswert - mit einigen Abstrichen, vor allem im 2. Akt
30.03.2019 - Wow.
Wenn sich der Vorhang des Abends öffnet, dann ist man erst mal erschlagen von der klanglichen und produktionstechnischen Qualität dieser Show. Das geht im Londoner West End auch nicht besser:
Da gibt es eine riesige, viereckige, sich drehende Guckkastenbühne, die den Unterschied zwischen Backstage-Szenen und Szenen auf der Bühne ganz wunderbar veredeln kann.
Das alles wird ergänzt durch hochmodernes Mapping und großartiges Videodesign.
Da spielt ein über 30-köpfiges Orchester die zeitlosen, ohrwurmträchtigen Melodien Cole Porters mit Verve und Leidenschaft auf.
Und dann gibt es noch das hinreißende Protagonisten-Traumpaar Tobias Licht und Barbara Obermeier, welches als Fred Graham/Petruchio und Lilly Vanessa/Kate keine Wünsche offen lässt. Was für ein Witz, welch überbordende Chemie!
So zeigt sich diese Produktion gerade im ersten Akt voller Highlights und großartiger Kabinettstückchen, welche einem ein durchgängiges Grinsen ins Gesicht zaubern und zu mehreren lauten Lachsalven führen.
Die Choreografien sind heiß und werden exzellent und äußerst exakt getanzt.
Beatrice Reece als Lois Lane/Bianca darf man sicher als sehr ungewöhnliche Besetzung für die Rolle bezeichnen, die zumindest für mich nicht ganz aufgeht. Stimmlich jedoch zeigt auch sie sich erstklassig.
Einige massive Striche hätten dem 2.Akt elementar gut getan.
Irgendwie geht der Regie das Grundgerüst der Show im zweiten Akt verloren, während sich das Bühnengerüst inflationär und schwindelerregend dreht und dreht. Da wäre weniger mehr gewesen.
Der ständige Wechsel zwischen englischen Originaltexten und deutscher Übersetzung der Songs erschließt sich leider zu keinem Zeitpunkt.
Unklar bleibt auch, warum der hochtalentierte Oedo Kuipers ("Mozart!"), der eigentlich Gremio spielen sollte, wie ein Theatergeist alle Szenen im Hintergrund begleitet, um danach verpoppte Reprisen der bekannten Hits der Show zu singen. Dieser Darsteller hätte eine klarere und eindeutigere Rollenzeichnung verdient.
Leider wird das ikonische "Schlag nach bei Shakespeare" in der besuchten Vorstellung durch die Notbesetzung des ersten Ganoven zum Totalausfall und so fehlt einer der wichtigsten Showstopper.
Die hauseigene Souffleuse hatte an diesem Abend jedenfalls hörbar viel zu tun und hat sich ihre Gage redlich verdient.
Einen Besuch ist diese Inszenierung alle Mal wert, allein wegen des großartigen Produktionsdesigns, der musikalischen Brillanz und der hervorragenden Hauptdarsteller.
Ich für meinen Teil war zumindest im 1.Akt absolut verzaubert.

AdamPascal (67 Bewertungen, ∅ 4.2 Sterne)

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Die Kriterien für unsere Kurzbewertungen (Stand: Dezember 2014)
Buch*: Ist die Handlung in sich schlüssig? Kann die Story begeistern? Bleibt der Spannungsbogen erhalten oder kommt Langeweile auf?
NICHT: Besonderheiten der konkreten Inszenierung des Theaters.
Kompositionen*: Fügen die Kompositionen sich gut in das Stück ein? Haben die Songs Ohrwurmcharakter? Passen die gewählten Texte auf die Musik? Transportieren Text und Musik die selbe Botschaft?
NICHT: Orchestrierung, Verständlichkeit des Gesangs der Darsteller in der aktuellen Inszenierung.
* werden nur bei neuartigen Produktionen (z.B. Premiere, deutsche Erstaufführung usw.) vergeben
Inszenierung: Wie gut wurde das Stück auf die Bühne gebracht? Stimmen die Bilder und Charaktere? Bringt der Regisseur originelle neue Ansätze ein?
NICHT: Wie gut ist die Handlung des Stücks an sich oder die mögliche Übersetzung?
Musik: Kann die musikalische Umsetzung überzeugen? Gibt es interessante Arrangements? Ist die Orchesterbegleitung rundum stimmig? Muss man bei Akustik oder Tontechnik Abstriche machen?
NICHT: Sind die Kompositionen eingängig und abwechslungsreich? Gibt es Ohrwürmer? Gefällt der Musikstil?
Besetzung: Bringen die Darsteller die Figuren glaubwürdig auf die Bühne? Stimmen Handwerk (Gesang, Tanz, Schauspiel) und Engagement? Macht es Spaß, den Akteuren zuzuschauen und zuzuhören?
NICHT: Sind bekannte Namen in der Cast zu finden?
Ausstattung: Setzt die Ausstattung (Kostüme, Bühnenbild, Lichtdesign etc.) die Handlung ansprechend in Szene? Wurden die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten optimal genutzt? Bieten Bühne und Kostüme etwas fürs Auge und passen sie zur Inszenierung?
NICHT: Je bunter und opulenter ausgestattet, desto mehr Sterne.
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