 Klassiker
Cabaret Money makes the world go round Ganz zu Recht legte das Hamburger St. Pauli Theater bei der Werbung für seine aktuelle "Cabaret"-Inszenierung viel Wert darauf, ein Schauspiel-Ensemble zusammengestellt zu haben, das auch singen kann. In der Tat ist es eine wunderbare Truppe, die den Zuschauern die Verwicklungen in und um den Kit-Kat-Club im Berlin des aufkommenden Nationalsozialismus darbietet.
(Text: Michael Rieper) Premiere: | | 02.11.2005 | Letzte bekannte Aufführung: | | 23.12.2007 |
Star des Abends ist der aus dem Fernsehen bekannte Gustav Peter Wöhler ("SK Kölsch") als Confèrencier. Mit starkem Spiel, toller Stimme und lausbübischem Charme entführt er das Publikum in die Nachtclub-Szenerie, wo Sally Bowles die Bühne beherrscht. Es war eine Überraschung, dass neben den erfahrenen Darstellern aus der Hamburger Theater-Szene eine Newcomerin frisch von der Münchner Falckenbergschule für diese anspruchsvolle Rolle engagiert wurde. Doch Anneke Schwabe macht schnell deutlich, warum die Wahl auf sie fiel. Mit nuancenreichem Spiel lotet sie die extremen Emotionen aus, zwischen denen Sally hin und her schwankt. Ihre Gesangsstimme ist gut, aber nicht zu stark, was der Rolle gerecht wird; schließlich war der Kit-Kat-Club bei weitem nicht die beste Adresse Berlins. Der Amerikaner Cliff Bradshaw, in den Sally sich verliebt, wird von Mario Ramos gespielt. Auch ihm gelingt es vorzüglich, die unterschiedlichen Gefühle, die Cliff durchlebt, darzustellen: Vom zurückhaltenden Neuankömmling in einer fremden Stadt, über die rosarote Phase, in der er unter Sallys Zuwendung sichtlich auftaut, bis zur bitteren Enttäuschung als er am Ende doch wieder allein dasteht. Die zweite Liebesgeschichte des Abends widerfährt Frl. Schneider, Cliffs Pensionswirtin, und dem jüdischen Obsthändler Herrn Schulz. Die kleinen Stolpersteine, die im ersten Akt auf ihrem Lebensweg liegen, meistert Frl. Schneider mit betulichem Humor. Als schließlich ihr Liebesglück von der braunen Macht bedroht wird, lässt sie den Verstand über das Herz gewinnen. Den Schmerz darüber merkt man ihr deutlich an, doch Elisabeth Schwarz stellt überzeugend dar, dass sich Frl. Schneider nicht vom Kummer mitreissen lässt. Das Leben geht für sie weiter. Peter Franke kümmert sich als Herr Schulz liebevoll um seine Herzensdame. Gefasst akzeptiert er schließlich ihre Entscheidung, die Beziehung zu beenden, und zieht sich still zurück. Mit subtiler Schauspielkunst lässt er Gesten und Blicke viel mehr sprechen als Worte. Auch an der Musiker-Front ist alles im grünen Bereich. Die jazzige Partitur ist bei der sieben-köpfigen Band unter Leitung von Matthias Stötzel in besten Händen. Zwischendurch dürfen die Musiker auch in den Dialogszenen in den Vordergrund treten, wenn etwa Frl. Kost (deutlich aufgewertet durch Anne Webers energisches Spiel) mal wieder Matrosen aus ihrem Zimmer schmuggeln will. Ansonsten sitzt die Band im hinteren Teil der Bühne auf verschiedenen Ebenen, was leider den Spielraum auf der ohnehin schon recht kleinen Bühne des St. Pauli-Theaters reduziert. Doch Ausstatter Raimund Bauer hatte schöne Ideen für die beengten Verhältnisse. Im Hintergrund hängt während der gesamten Aufführung ein Vorhang aus Sektgläsern, der -violett angestrahlt- eine mondäne Stimmung verbreitet. Wenige Requisiten reichen, um verschiedene Spielstätten anzudeuten: Ein frei bewegliches Türenportal wird sowohl in Frl. Schneiders Pension eingesetzt, als auch auf der Kit-Kat-Bühne, wo es in eine der vielen gelungenen Choreographien von Rica Blunck integriert wird. Für die Szene im Obstladen werden Bananenstauden von der Decke heruntergelassen. Die Kostüme der Kit-Kat-Girls (verantwortlich: Ilse Welter) sind einen Tick zu schön geraten. Eine zerrissene Strumpfhose oder ein eher abgetragener Glitzerfummel hätten die Zweitklassigkeit des Etablissements deutlicher unterstrichen. Aber das ist eine Nebensächlichkeit in dieser Inszenierung, der die sichere Hand des Regisseurs Ulrich Waller in jeder Minute anzumerken ist. Auf eine knackige Spieldauer von zwei Stunden hat er das Stück gekürzt und damit für drastische Schnitte gesorgt, die Spannung ins Geschehen bringen. Der Conferencier ergötzt sich zum Beispiel in vielen anderen Inszenierungen an breitgetretenen Versuchen mit dem Publikum zu flirten. In dieser Produktion wurden seine Auftritte so gestrafft, dass sie immer noch sehr charmant rüberkommen, ohne jedoch selbstverliebt zu wirken. "Cabaret" gehört zu den Standardmusicals auf deutschen Bühnen. Dennoch lohnt es sich, diese Aufführung anzuschauen, egal ob man Wiederholungstäter oder Neuling ist. Dafür sorgt ein tolles Ensemble in einer gut durchdachten Inszenierung.
(Text: Michael Rieper)

Verwandte Themen: Produktion: Cabaret (Hansa Theater Hamburg) News: Tatort-Kommissar spielt "Cabaret" (08.12.2005)
Kreativteam
Besetzung
Zuschauer-Rezensionen
Die hier wiedergegebenen Bewertungen sind Meinungen einzelner Zuschauer und entsprechen nicht unbedingt den Ansichten der Musicalzentrale.
 8 Zuschauer haben eine Wertung abgegeben:

    8954 Wechselbad der Gefühle
31.12.2009 - Ein sehr gelungener Theaterabend!
Vom gut gelaunten "Mit-Swingen" über tiefe Betroffenheit bis zum Kloß im Hals am Ende. Ein wunderbar gespieltes Stück, welches der Zuschauer noch lange in Erinnerung behält.

Silke
    19985 Gustav Peter Wöhler -absolute Nummer eins!
16.06.2007 - 300 km Fahrt für dieses Musical haben sich doppelt und dreifach ausgezahlt!
Ich möchte hier, außer Gustav Peter Wöhler, nichts und neimanden hervorheben. Gustav Peter Wöhler ist mit Abstand der beste Sänger und Schauspieler, kein besserer hätte für die Rolle des Conférenciers besetzt werden können (als Fan von Gustav Peter Wöhler muss mir an dieser Stelle diese kleine Lobhudelei gestattet sein. Damit soll aber auf keinen Fall das Können der anderen Darsteller etc. geschmählert werden!).
Mir hat das Musical als Ganzes sehr gut gefallen! Ich kann also guten Gewissens sagen: absolut sehenswert!

Sabrina
    19625 Super Klasse
28.05.2007 - Der Gesang war super.Die Schauspielkunst war Klasse.
Einfach nur super.

Grawi
    19535 Bye Bye mein lieber Herr...
22.05.2007 - Also!
Habe gerade das Gastspiel der St. Pauli Produktion von CABARET in Recklinghausen ertragen!
Nachdem ich die wunderbare Broadway-Produktion in Amsterdam erlebt habe, ging ich mit sehr niedrigen Erwartungen in diese Show. Doch so niedrig sie auch waren, meine Erwartungen hätten am Abgrund der Hölle angesiedelt sein müssen um das Stück zu überstehen.
Nach einer komplett unnötigen Videoeinführung in der man die Ankunft von Cliff sehen konnte, sprang Gustav Peter Wöhler als Emcee auf die Bühne. Nur weil er sein Gesicht in irgendeine ZDF Kamera gehalten hat, gibt es wirklich keinen Grund Quasimodo die Rolle des Confrenciers zu geben! Weder stimmlich noch schauspielerisch konnte er glänzen. Hätte er in diesen beiden Punkten überzeugen können, könnte man vielleicht über sein Bobby Glitter Outfit hinwegzusehn´.
Anneke Schwabe als Sally Bowles verlieh der Rolle ´so viel Leben wie die Todesspritze einem Häftling in Texas!
Jeder Song bekam seinen ganz persönlichen bitteren Beigeschmack, danke Anneke!
Allein Fräulein Schneider und Herr Schulz konnten eine überzeugende Leistung bringen!
Fräulein Kost sah gut aus, mehr konnte sie aber auch nicht.
Herr Ludig konnte mit seinem berlinerisch die Stimmung des Publikums etwas erhellen.
Die Kat Kat Girls kamen aus der Geister-Ritscha im Phantasialand und waren ebenfalls so grotesk kostümiert wie der Rest des Ensembles!
Wenigstens gab es kaum Kostümwechsel.
Der politische Hintergrung war wohl für das St. Pauli Theater kein Thema. Aber ein Hakenkreuz reicht ja auch manchmal aus um sich bloß keine weiteren unnötigen Gedanken machen zu müssen´!
Hoffentlich wÃrd Deutschland auch in den Genuss der Broadway-Produktion kommen!

Nicht ohne meine Tochter
    9022 Nicht verpassen!
28.11.2005 - Obwohl viele bei "Cabaret" abwinken und sagen: Alter Hut! - Die aktuelle Inszenierung im Hamburger St.Pauli Theater sollte kein Musical-Fan verpassen!
Von der Inszenierung und der Darstelleriege ein geniestreich! Schon lange nicht mehr habe ich mich in einem Musical unterhalten und gleichzeitig intellektuell angesprochen gefühlt. Die Inszenierung von Zlrich Waller bietet erstklassische Schauspieler, die auch singen können (wo bekommt man das gute Schauspielerische in einer Stage-Show?) und fördert beim Publikum wirkliche Emotionen. Man kann lachen, weinen und sehr nachdenklich werden. Ganz grosse Klasse! Allen voran Gustav Peter Wöhler als Conferencier und Elisabeth Schwarz und Peter Franke als verliebtes älteres Paar!
Wir haben über diese Inszenierung noch lange nach dem Anschauen diskutiert und geschwärmt!
So soll Musical sein! Das man hinterhger sagt: Die Tickets für 65 EURO waren ihr Geld unbedingt wert!
Wohl die beste derzeit in Deutschland laufende Cabaret-Inszenierung!
Unbedingt anschauen! Dafür kann man den KdL, MM oder TdV mal auslassen :-)

Ludwig2
    8938 Sehr ergreifend
24.11.2005 - Ein Abend mit allen Spielarten der Gefühle.
Mario Ramos bewegt noch lange nach dem Schlussvorhang die Zuschauer.

Uli
    8922 Treffer
22.11.2005 - Kurz und schmerzlos: Eine gute Inszenierung mit überezeugenden Darstellern, gutem Bühnenbild und ohne Langeweile. Glückwunsch!

Hardy
    8659 Musical mitTiefgang
06.11.2005 - Ich habe Cabaret schon einige Male gesehen, aber diese Aufführung hat alles andere getopt. Hier gab es nicht nur die bekannten Musik-Schmankerl, hier ist auch die Story mit Tiefgang wunderbar rübergekommen. Die Schauspieler können nicht nur singen - sie können auch schauspielen. Ein klasse Abend und ein Kompliment an Gustav Peter Wöhler

Holger 
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