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 Filmadaption
Die fabelhafte Welt der Amélie Europäische Erstaufführung
© Stage Entertainment
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"Amélie" in München bietet - ähnlich wie der Film - eine Handlung, auf die man sich einlassen muss. Verschließt man sich davor, entfaltet sich der Zauber der Geschichte um die sensible und wundersame Protagonistin nur schwerlich. Taucht man aber in ihre "fabelhafte" Traumwelt ein, eröffnet sich eine fantasievolle und in schönen Bildern gemalte Geschichte, die mit grandiosen Hauptdarstellern glänzt.
(Text: Jens Alsbach) Premiere: | | 14.02.2019 | Rezensierte Vorstellung: | | 14.02.2019 | Letzte bekannte Aufführung: | | 31.10.2019 |
Läuft man vom Ostbahnhof in Richtung des Werk7 Theaters, sind in der diesjährigen Spielzeit wesentlich mehr Banner und Plakate zu sehen als vor etwa einem Jahr bei "Fack ju Göhte". Anscheinend setzen die Produzenten in dieser Saison ein wenig mehr auf das Marketing, nachdem es beim durchweg positiv bewerteten Vorjahresstück etwas unter seinen Möglichkeiten gelaufen ist.
Der Charme des Theaters mit Industrie-Hintergrund ist nach wie vor vorhanden und wurde von den äußeren Gegebenheiten nur unwesentlich verändert. Das "Fack ju"-Lama-Graffiti wurde zum "Amélie"-Gartenzwerg-Graffiti und der Foyer-Bereich wurde zum "Entrée". Auch die Bühne ist weiterhin ein halbrundes Auditorium, welches von Bühnenbildner Andrew Edwards in das aus dem Film bekannte "Café des 2 Moulins" umgebaut wurde. So bietet der Bühnenhintergrund nun Platz für eine Bar, die für diverse Schauplätze genutzt werden kann, während im vorderen Bereich der Zuschauerränge einige Bistrostühle und -tische stehen, die tatsächlich eine Café-Atmosphäre aufkommen lassen. Mit der Band im oberen Bereich, entsteht so eine Art riesiges Café, das die Zuschauer Teil des Geschehens werden lässt.
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Und so beginnt die Show mit Kellnerinnen und Kellnern, die mit dem Publikum interagieren, Getränke servieren und Tische abwischen - eine von vielen Ideen, die Regisseur Christoph Drewitz in die Show einbringt und die die Show in dieser Art von Theater so besonders macht. Der Zuschauer hat stets das Gefühl mitten in der Handlung zu sitzen und fühlt sich so behutsam von den Darstellern und der Show "abgeholt".
Vom Café geht die Reise zu Amélies Eltern, wo ihre verquere Geschichte ihren Ursprung nimmt und zwar wortwörtlich mit ihrer Zeugung und ihrer schwierigen Kindheit. Von dort aus macht sich die Kellnerin aus dem Pariser Stadtteil Montmartre auf, das Leben ihrer Mitmenschen durch ihre skurrile Art positiv zu beeinflussen und letztlich auch ihr eigenes Leben nachhaltig zu verändern. Direkt zu Beginn ihrer Lebensgeschichte arbeitet Drewitz eine weitere clever-abstrakte Regie-Idee in die Handlung ein, nämlich den Einsatz von Puppen, die anfangs Amélies Kindheit und später ihre innere Zerrissenheit darstellen. Eine stilvolle Nuance, die umso mehr gefällt, je abstrakter die Handlung wird. Durch die Puppen im Hintergrund und die "realen" Darsteller im Vordergrund werden so Amélies und Ninos Gedanken plastisch - ein cleverer und behutsamer Einsatz der Holzpuppen vom bayrischen Puppenbauer Stefan Fichert.
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Um diese Puppen zum Leben zu erwecken, steht auf der Rundum-Bühne des Werk7 eine Schar von talentierten Darstellern, die bis in die kleinste Nebenrolle perfekt besetzt ist. Allen voran ist Sandra Leitner eine ungemein sympathische Version der doch sehr tiefgründigen Amélie Poulain, einer Rolle, die so viele Facetten hat. Mühelos gleitet sie durch den chanson-lastigen Score (kraftvoll gespielt von der 5-köpfigen Band unter Philipp Gras) und kann in dem mit leisen Tönen gespickten Stück ihre warme Stimme sehr gezielt einsetzen. Besonders gefallen das melodische "Lebe deinen Traum" und ihr Liebesduett "Bleib" gemeinsam mit Andreas Bongard als Nino. Dieser führt ebenfalls eine starke Stimme ins Feld und hat mit "Wenn der Blitz dich streift" einen weiteren Showstopper neben Amélies "Lebe deinen Traum". Kleiner Wermutstropfen: Die Kompositionen von Daniel Messé bleiben trotz des Einsatzes einiger Untermalungen aus dem Film-Score ziemlich blass. Bis auf die erwähnten Songs tut man sich schwer, weitere Highlights zu finden, die im Gedächtnis bleiben.
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Von den Darstellern kann das Publikum sich jedoch in aller Ruhe verzaubern lassen, denn die künstlerische Seite lässt keine Wünsche offen: Sei es Amélies Vater Raphael, gespielt von Stephan Bürgi, oder Charles Kreische in seinen unzähligen Rollen, beispielsweise als Amélies Goldfisch-Freund "Pottwal" oder als Gemüseverkäufer, der den Lauch besingt - die vielen kuriosen Charaktere, die man aus dem Film kennt, bekommen in München würdiges Leben eingehaucht.
Auch wenn am Ende, aus den beschrieben Gründen, die Zuschauer das Theater mit einem Lächeln und einem wohligen Gefühl ums Herz verlassen, hat das Konstrukt der Show im ersten Akt doch erhebliche Längen, die den Gesamteindruck etwas trüben. Auch strotzen die Dialoge an manchen Stellen vor Plattitüden, bei denen man sich fragt, wie es sein kann, dass die musikalische Übersetzung (Heiko Wohlgemuth) so poetisch gelungen ist, und der Text teilweise so platt sein kann. Dennoch ist "Die fabelhafte Welt der Amélie" eine sehenswerte Produktion, die man sich alleine wegen ihrer einzigartigen Erzählweise und der hervorragenden Darsteller nicht entgehen lassen sollte.
(Text: Jens Alsbach)

Kreativteam
Besetzung
Zuschauer-Rezensionen
Die hier wiedergegebenen Bewertungen sind Meinungen einzelner Zuschauer und entsprechen nicht unbedingt den Ansichten der Musicalzentrale.
 3 Zuschauer haben eine Wertung abgegeben:

    32098 Zauberhafter Nachmittag mit Herz und Hirn
20.10.2019 - Manchmal bin ich nicht in der Lage, Kritiken nachzuvollziehen. Der Grundton zu dieser deutschen Erstaufführung war eher zurückhaltend:
"Amélie zündet in München nicht", so titelten einige Zeitungen.
Viele selbsternannte "Musicalfans" schreiben in eingängigen Foren, dass es sich nicht lohne, diese Show mehr als einmal zu besuchen.
Ich bin vollkommen anderer Meinung:
"Amélie" hat Herz und Hirn und ist ganz und gar zauberhaft. Die Show strahlt wohlige Wärme aus, sie berührt und ist dabei sehr schlau gemacht.
Alles ist live, alles handgemacht, es gibt keine Zuspieler, keine Samples, keine Clicktacks - wann hat man das bei einer SE-Produktion zuletzt erleben dürfen?
Die fünfköpfige Band (mehr Musiker hat z.B. "Paramour" auch nicht, der Rest kommt vom Band), die von den Schauspielern am Akkordeon unterstützt wird, spielt den eingängigen und erinnerungswürdigen Score (CD ist gekauft!) mit sichtlicher Hingabe.
Letzteres gilt auch für das hervorragende Ensemble, in dem es kein einziges schwaches Glied gibt.
Alle Beteiligten spielen und singen sich die Seele aus dem Leib, allen voran die fantastische Sandra Leitner in der Titelrolle. Wenn sie die Top-Notes scheinbar mühelos beltet, ist aus dem Zuschauerraum manchmal hörbar ein "Wow" zu vernehmen.
Ganz großartig auch Rob Pelzer in den Doppelrollen Dufaywl/Collignon; das rührt und geht tief zu Herzen.
Das Publikum war jederzeit gefesselt und begeistert, zu vernehmen in den Pausengespräche und auch nach Ende der Show.
Sie waren begeistert von der Nähe zu den Darstellern, von der den ganzen Saal einnehmenden Inszenierung (ich habe mich durchgängig in den "The Other Palace" in London versetzt gefühlt) und eben tatsächlich von der Magie und Regie von Christoph Drewitz, bei dir Dinge eben auch oft einfach nur behauptet und der Fantasie des Zuschauers überlassen wurden.
Die Leute wollen ihre Imagination bemühen und ganz eintauchen in diese Vorstellungswelt, das hat der gestrige Nachmittag klar bewiesen.
Man darf und MUSS dem deutschen Publikum etwas zutrauen und kann eben nicht immer nur wieder den tausendsten Aufguss der Vampire mit immer weniger Musikern, Bühnenbild und Ensemble präsentieren. Dies ist eine Einbahnstraße, deren Ende bald kommt.
Wie kriegt man also die Menschen dazu, sich auch einmal "gewagte" Stücke anzuschauen?
Die Lösung ist so einfach:
Realistische Preisgestaltung!
Ich habe die Show gestern nur aus einem einzigen Grund besucht (da ich den Film eben gar nicht kenne und grundsätzlich kein Fan von französischen Filmen bin):
Weil der Preis angemessen war.
Doch statt dieser längst fälligen Einsicht verfährt die SE mit dem Werk 7, ihrem einzigen und einzigartigen "Off-Westend", bzw Nicht-Großproduktionstheater wie folgt:
Es wird nach Amelie geschlossen.
Eine unfassbare Schande.
An den Stücken lag es definitiv nicht.

AdamPascal (67 Bewertungen, ∅ 4.2 Sterne)
    32029 ganz schlimm...
02.06.2019 - Ich habe letzte Woche diese Stück in Werk 7 gesehen und es war schlecht besucht und echt fade, man sitzt zwar mittendrin aber doch nur "davor"- es hatte Längen und mir hat das Herz gefehlt. Und die blauen unbequemen Stühle sind von Fack yu Göhte noch über geblieben,offenbar war das das Geld zu Ende.Aich WC Container hatten nir den Graffitti-Anstrich... Das Musical des Jahres 2019 wird das Stück sicher nicht und ich muss nicht 2x sehen...schade um soviel Eintrittsgeld

Theatergänger007 (6 Bewertungen, ∅ 2.7 Sterne)
    32007 Très français!
09.04.2019 - Um es voraus zu schicken: Ich kenne weder den zugrunde liegenden Film, noch habe ich die Broadway-Inszenierung von AMELIE gesehen.
Das Werk7-Theater in München wurde innen wie außen mit viel Liebe zum Detail dem französischen Stil angepasst.
Auch das Bühnenbild ist atmosphärisch bestens gelungen und wird ebenso gut ausgeleuchtet. Dadurch fallen die fehlenden technischen Möglichkeiten eines konventionellen Theaters kaum ins Gewicht. Alleine Inszenierung und Staging hätten die Sichtverhältnisse im amphitheaterartigen Auditorium etwas besser berücksichtigen sollen. (Die nach wie vor katastrophal unbequeme Bestuhlung ist ein anderes Thema.)
Die Geschichte der etwas verschroben egozentrischen Amelie ist vergleichsweise unspektakulär und ohne stringenten Spannungsbogen. Ebenso entspannt geht Regisseur Christoph Drewitz die Inszenierung an. Tempo wird hauptsächlich durch die große Quirligkeit des kleinen Ensembles erzeugt. Ohne Atempause wuseln die Darsteller über die Spielfläche und zwischen den Zuschauern. Interaktive geht es zu. Zuschauer werden angesprochen und teilweise auch mit kleinen Aufgaben eingebunden. Einfache Mittel und große Kreativität zeichnen Drewitz aus und lassen immer wieder schmunzeln.
Das Musical trägt Amelies Namen. Das scheint Programm und Verpflichtung für den Autoren gewesen zu sein. Amelie ist eigentlich die einzige, die eine konkrete Vergangenheit und einen definierten Charakter hat.
Alle anderen Personen sind bunt exzentrische Vögel, deren Charakterzeichnung gelegentlich doch zu sehr ins cartoonhafte geht. Die Mutter oder der Lauchverkäufer können da schon etwas anstrengend werden. In der Masse, der auftretenden Figuren gleicht es sich aber wieder ganz gut aus.
Die Musik ist Thema, Ort und Zeit absolut angemessen. Zeitgemäßer Chanson-Pop sorgt für authentisches Flair.
Die Besetzung ist durchgehend großartig und typgerecht. Selbst die Erstbesetzung der Amelie, die durch Abwesenheit glänzte, wurde souverän durch eine Zweitbesetzung
ersetzt.
DIE FABELHAFTE WELT DER AMELIE ist ein entspanntes kleines Kammermusical, dass einem eine vergnügliche Zeit bereitet und gut gestimmt das Theater verlassen lässt.
Schön, dass sich die SE traut neue Wege auszuprobieren.
Allerdings scheint sich dieser Wagemut, wie schon bei FUCK YOU GOETHE, nicht (finanziell) auszuzahlen. Das Theater war wohl nur zu einem Drittel ausgelastet und die Reaktionen des Publikums eher zurückhaltend.

kevin (204 Bewertungen, ∅ 3.4 Sterne) 
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Die Kriterien für unsere Kurzbewertungen (Stand: Dezember 2014)
Buch*: Ist die Handlung in sich schlüssig? Kann die Story begeistern? Bleibt der Spannungsbogen erhalten oder kommt Langeweile auf?
NICHT: Besonderheiten der konkreten Inszenierung des Theaters.
Kompositionen*: Fügen die Kompositionen sich gut in das Stück ein? Haben die Songs Ohrwurmcharakter? Passen die gewählten Texte auf die Musik? Transportieren Text und Musik die selbe Botschaft?
NICHT: Orchestrierung, Verständlichkeit des Gesangs der Darsteller in der aktuellen Inszenierung.
* werden nur bei neuartigen Produktionen (z.B. Premiere, deutsche Erstaufführung usw.) vergeben
Inszenierung: Wie gut wurde das Stück auf die Bühne gebracht? Stimmen die Bilder und Charaktere? Bringt der Regisseur originelle neue Ansätze ein?
NICHT: Wie gut ist die Handlung des Stücks an sich oder die mögliche Übersetzung?
Musik: Kann die musikalische Umsetzung überzeugen? Gibt es interessante Arrangements? Ist die Orchesterbegleitung rundum stimmig? Muss man bei Akustik oder Tontechnik Abstriche machen?
NICHT: Sind die Kompositionen eingängig und abwechslungsreich? Gibt es Ohrwürmer? Gefällt der Musikstil?
Besetzung: Bringen die Darsteller die Figuren glaubwürdig auf die Bühne? Stimmen Handwerk (Gesang, Tanz, Schauspiel) und Engagement? Macht es Spaß, den Akteuren zuzuschauen und zuzuhören?
NICHT: Sind bekannte Namen in der Cast zu finden?
Ausstattung: Setzt die Ausstattung (Kostüme, Bühnenbild, Lichtdesign etc.) die Handlung ansprechend in Szene? Wurden die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten optimal genutzt? Bieten Bühne und Kostüme etwas fürs Auge und passen sie zur Inszenierung?
NICHT: Je bunter und opulenter ausgestattet, desto mehr Sterne.
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Leider keine aktuellen Aufführungstermine. |
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