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 Europäische Erstaufführung
Jasper in Deadland Höllenhunde und Dämonen
© Jochen Quast
© Jochen Quast
Als europäische Erstaufführung holt das Theater für Niedersachsen dieses am Off-Broadway entdeckte Musical nach Hildesheim. Die wild-hektische Reise durch die Unterwelt erreicht das Publikum leider nicht wirklich.
(Text: mr) Premiere: | | 19.01.2019 | Dernière: | | 12.04.2019 |
Jasper, der 16-jährige Held des Abends, hat sich mit seiner besten Freundin Agnes verabredet. Sie erscheint jedoch nicht zum Treffpunkt auf einer Klippe. Jasper ist sicher, dass sie von dort oben ins Meer gestürzt ist und springt ohne lang zu zögern hinterher.... Nun ja, pubertierende Jugendliche neigen wohl durchaus zu Übersprungshandlungen – aber so richtig mitfühlen können die Zuschauer nicht mit Jasper angesichts dieser extremen Reaktion. Ganz abgesehen davon, dass der Beginn des Stückes – angereichert mit zahlreichen Hintergrundinformationen über Jaspers schulische und familiäre Situation – so schnell und hektisch vermittelt wird, dass ein Großteil des Publikums schon nach der Eröffnungsszene nicht mehr so recht weiß, worum es auf der Bühne eigentlich gerade geht. Das größte Manko ist dabei die überforderte Tontechnik, der es über den ganzen Abend hinweg nicht gelingt, den Text in den lauteren Passagen – und davon gibt es in dem Rockmusical einige! – verständlich in den Zuschauerraum zu übertragen.
Bart de Clerq, der über die Choreografie nun im Regiefach gelandet ist, sorgt für ein gutes Staging auf der Bühne. Die Ensemblenummern sind ansehnlich choreografiert, doch leider bleibt die ganze Inszenierung zu sehr an der Oberfläche. Außer Jasper und Agnes tauchen die anderen Charaktere zumeist nur für kurze Segmente auf und eignen sich damit kaum als Identifikationsfiguren. Und auch das Schicksal der beiden pubertären Hauptfiguren will nicht wirklich fesseln: Zu uneindeutig ist ihre Freundschaft gezeichnet, die sich vielleicht zu so etwas wie Liebe entwickelt, zu wenig erfahren wir darüber, was die zwei tatsächlich als Menschen ausmacht. Immer wieder geht es nur um die nächste Prüfung im Jenseits, wo die beiden nach dem Sprung von der Klippe gelandet sind. Jasper zögert dank mangelndem Selbstvertrauen wieder und wieder, stürzt sich dann doch beherzt hinein und wächst mehrmals über sich hinaus, um letztlich zu schaffen, was von ihm verlangt wird. Dabei erlebt das Publikum einen abenteuerlichen Ritt durch die verschiedenen Mythologien: Von der ägyptischen Dämonin über nordische Götter bis zu Figuren aus der griechischen Sagenwelt reicht die Vielzahl der Personen, denen Jasper sich beweisen muss, um gemeinsam mit Agnes in das Reich der Lebenden zurückzukehren.
Hauptbestandteil des Bühnenbilds (verantwortlich: Hannes Neumaier) sind vier Podeste mit weißen, halbrund gebogenen, spalierartigen Elementen, die unzählige Male verschoben und zu neuen Arrangements zusammengefügt werden. Manchmal dienen sie als reiner Hintergrund, manchmal klettern Darsteller auf ihnen herum, manchmal begrenzen sie einen bespielbaren Innenraum – sehr flexibel, aber letztlich auch nichtssagend. So gibt das Bühnenbild keinerlei Orientierungshilfe, wo die Handlung in den einzelnen Szenen gerade spielt. Ohne das Programmheft, in dem Jaspers Weg durch das Jenseits als Spiel aufgeführt wird, ist man als Zuschauer schnell raus, was letztendlich auch der akustischen Unverständlichkeit der Songtexte geschuldet ist.
Die sechs-köpfige Band unter Leitung des wie immer zuverlässigen Andreas Unsicker sorgt für ordentlich Drive. Leider kann der Partitur von Ryan Scott Oliver nur eine geringe Ohrwurmdichte bestätigt werden. Zu verschachtelt und hektisch erklingen viele der Melodien, als dass sie sich in den Gehörgängen festsetzen könnten – ein wirkliches Talent für charaktervolle Musik, welche die Handlung vorantreibt statt sie nur zu begleiten, zeigt Oliver mit diesem Stück nicht.
Nicolo Soller, fast ständig auf der Bühne anwesend, gefällt mit Rocktenor-Qualitäten in der Titelrolle und ihren pubertären Gefühlsschwankungen. An seiner Seite punktet Elisabeth Köstner als Agnes bzw. Gretchen mit geradlinigem Spiel. Was hätten das für Parts für die talentierten Darsteller sein können, wenn die Figuren doch nur ein bisschen vielschichtiger gezeichnet wären und die Musik ein wenig mehr Emotion hergeben würde....
Die weiteren Personen haben in der Regel nur eine oder zwei Szenen und es bleibt davon nur wenig nachhaltig in Erinnerung. So gelingt es Alexander Prosek, den schleimig-hinterlistigen Mr. Lethe, der versucht Jasper für seine Geschäftsinteressen einzuspannen, zu einem runden Charakter zu formen, während Sandra Pangl in ihrer Szene als Beatrix Portinari vom Grenzschutz des Elysiums mit einem feinen Sinn für Komik für sich einnehmen kann.
So sehr man sich für die Hildesheimer Musical Company auch gefreut hätte, wenn sie mit diesem neuen Stück einen richtigen Hit nach Niedersachsen geholt hätte – es bleibt zu attestieren, dass "Jasper in Deadland" in der vorliegenden Inszenierung einen zu hektischen und oberflächlichen Eindruck macht.
(Text: Michael Rieper)

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Die Kriterien für unsere Kurzbewertungen (Stand: Dezember 2014)
Buch*: Ist die Handlung in sich schlüssig? Kann die Story begeistern? Bleibt der Spannungsbogen erhalten oder kommt Langeweile auf?
NICHT: Besonderheiten der konkreten Inszenierung des Theaters.
Kompositionen*: Fügen die Kompositionen sich gut in das Stück ein? Haben die Songs Ohrwurmcharakter? Passen die gewählten Texte auf die Musik? Transportieren Text und Musik die selbe Botschaft?
NICHT: Orchestrierung, Verständlichkeit des Gesangs der Darsteller in der aktuellen Inszenierung.
* werden nur bei neuartigen Produktionen (z.B. Premiere, deutsche Erstaufführung usw.) vergeben
Inszenierung: Wie gut wurde das Stück auf die Bühne gebracht? Stimmen die Bilder und Charaktere? Bringt der Regisseur originelle neue Ansätze ein?
NICHT: Wie gut ist die Handlung des Stücks an sich oder die mögliche Übersetzung?
Musik: Kann die musikalische Umsetzung überzeugen? Gibt es interessante Arrangements? Ist die Orchesterbegleitung rundum stimmig? Muss man bei Akustik oder Tontechnik Abstriche machen?
NICHT: Sind die Kompositionen eingängig und abwechslungsreich? Gibt es Ohrwürmer? Gefällt der Musikstil?
Besetzung: Bringen die Darsteller die Figuren glaubwürdig auf die Bühne? Stimmen Handwerk (Gesang, Tanz, Schauspiel) und Engagement? Macht es Spaß, den Akteuren zuzuschauen und zuzuhören?
NICHT: Sind bekannte Namen in der Cast zu finden?
Ausstattung: Setzt die Ausstattung (Kostüme, Bühnenbild, Lichtdesign etc.) die Handlung ansprechend in Szene? Wurden die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten optimal genutzt? Bieten Bühne und Kostüme etwas fürs Auge und passen sie zur Inszenierung?
NICHT: Je bunter und opulenter ausgestattet, desto mehr Sterne.
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