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Casanova (2005 - 2006)
Friedrichstadt-Palast, Berlin

Kreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
 

Mit viel Flitter-Flatter wird in opulenten Bühnenbildern Casanovas Erfolgsgeheimnis bei den Frauen gelüftet. Die spannendste Frage: Wird der Urvater aller Machos die gesamte Girl-Reihe erobern?

Das tröstet alle Männer: Auch Casanova war kein Supermann! Zumindest nicht bei seinem „ersten Mal”. Da hopst er zwar mit gleich zwei Gespielinnen im überdimensionalen Lotterbett umher, mehr passiert zum Bedauern der Damen jedoch nicht. Von da an geht’s aber steil bergauf und viele, viele Damen werden von Casanova beglückt. Adelige Damen jeden Alters sind genauso seine willigen Opfer wie eine Nonne, die unter ihrem verschämt hochgezogenen Rock ein Strumpfband aufblitzen lässt. Das Autorenteam Jürgen Nass und Roland Welke lässt den Titelhelden der neuen Revue in seiner Kutsche, die mehr als nur einmal als Liebesnest herhalten muss, kreuz und quer durch Europa reisen. Auf dem Kutschbock begleitet wird er dabei von der Figur der Zeit, die zu Beginn der Aufführung die Zeiger der Uhr zurückdreht und die Zuschauer so am Leben des Liebhabers aller Liebhaber teilhaben lässt.

An dessen Ende wird er von den feinen Damen der Gesellschaft unter Hohngelächter brutal aus seinem Reisegefährt geworfen. Wie im Fieberwahn erscheinen dem alten, von der Syphilis gezeichneten und finanziell ruinierten Mann noch einmal die Wesen, die sein Leben bestimmt haben: Frauen. Hier schweben sie wie eine überdimensionale, quietschbunte Trophäensammlung auf die Bühne herab und bedrängen Casanova als Armee geklonter Barbie-Puppen. Dieses schöne und eindringliche Bild gipfelt – wie sollte es im Berliner Friedrichstadtpalast anders sein – in der legendären Girl-Reihe. Da werden sechsundsechzig Beine in solch einer Perfektion geschmissen, das es eine wahre Wonne ist, zuzuschauen. In diese Revue passt sich der Choreografie-Klassiker, den das Publikum in jeder Produktion sehnsüchtig erwartet, wirklich nahtlos in den Kontext ein und wirkt nicht wie eine lästige Zugabe. Diesen Charakter hat allerdings das Schlussbild, das noch schnell die eigentlich völlig überflüssige Rahmenhandlung (junge Frau reist im Zug nach Venedig und liest dabei Casanovas Memoiren, die dann vor ihren Augen lebendig werden) auflöst: wir sind zum Kehraus wieder auf dem Markus-Platz des Jahres 2005 angekommen, wo italienischen Straßenkehrer mit ihren Besen schnell noch eine kesse, völlig überflüssige Sohle aufs Parkett legen.

Dies ist leider nicht der einzige Schönheitsfehler der Produktion. Das sehr ambitionierte Buch strotzt in den Liedtexten nur so vor Binsenwahrheiten („Sex ist das, was jeder braucht”) und wirft das ein oder andere Mal Fragen auf. So bleibt beispielsweise völlig unklar, wieso Casanova in die Bleikammern von Venedig eingekerkert worden ist, aus denen er gleich nach der Pause entkommen kann. Im nächsten Bild rollen plötzlich überdimensionale Würfel auf die Bühne – flankiert von drei Las-Vegas-Showgirls. Warum sich die Handlung plötzlich in ein Casino der Gegenwart verirrt hat und der mit einem Handmikrofon bewaffnete Casanova mit den Zuschauerinnen in den ersten Sitzreihen flirtet, bleibt ungeklärt.

Einen Fehlstart legt in der besuchten Premierenvorstellung das Ballettensemble hin. Die fantasievollen und ansprechenden Choreografien von Kim Duddy wurden in der ersten Hälfte sehr unpräzise ausgeführt und selbst vier einzelne Damen schafften es nicht, ihre Bewegungsabläufe synchron aufeinander abgestimmt auszuführen. Später können die Tänzerinnen und Tänzer sich jedoch erheblich steigern. Als Glanzlichter seien neben der bereits erwähnten Girl-Reihe vor allem der Flamenco und der Tango im Spanienbild sowie die Szenenfolge im Petersdom anlässlich Casanovas Ritterschlag durch den Papst genannt. Co-Autor Nass hat hier als Regisseur zum Gaudium des Publikums ganze Arbeit geleistet und zeigt die eigentlich weihevolle Zeremonie als Zerrbild der Riten der katholischen Kirche: da prosten Messdiener Nonnen mit Abendmahlskelchen zu, Bischöfe schwingen ihre Stäbe zu südamerikanischen Klängen und an den von der Decke baumelnden Glocken verrenken sich drei Artistinnen an Ringen. Dies ist der skurrile Höhepunkt einer ansonsten schnörkellosen Inszenierung.

Den passenden Rahmen für das Bühnenspektakel liefert Fred Berndt, der die riesige Bühne innerhalb weniger Sekunden von einer Glücksspielhölle in das Heckentheater von Schloss Fontainebleau verwandelt oder ein ganzes türkisches Badehaus, dessen Wasserbecken von einer goldenen Kobra gespeist wird, aus der Versenkung auftauchen lässt. Videoprojektionen und Laserspielereien vervollständigen die perfekte Illusion. Auch bei den Kostümen ist an nichts gespart worden. Uta Loher hüllt die Damen in rauschende barocke Roben, schneidert den Schülern der Fechtschule ein opulentes Sportoutfit und stattet den venezianischen Karneval entsprechend bunt aus. Sehenswert sind hier auch die Gondeln, die mit lebendigen Galionsfiguren durch die Kanäle schippern. Alles in allem ist die gesamte Ausstattung eine wahre Augenweide, die den Löwenanteil des Produktionsbudgets verschlungen haben dürfte.

Für die akustische Seite ist Niclas Ramdohr zuständig. Er hat zu den einzelnen Lebens- und Reisestationen Casanovas die passende Musik komponiert: Venedig hört sich irgendwie wie „Rondo Veneziano” an, im Badhaus klingt es orientalisch, während im Schlosspark selbstverständlich Menuett à la Mozart getanzt wird. Dazwischen gibt es Discogewummer, aber auch Balladen, Bigband-Sound, eine Samba und Gospelmusik sind zu hören. Alles in allem spielt das Orchester des Friedrichstadtpalastes unter dem Dirigat von Peter Christian Feigel nette, untermalende Gebrauchsmusik, in der sich auch der ein oder andere Ohrwurm finden lässt. So zum Beispiel „Mein Durst nach Leben”, ein Song, mit dem der alternde Casanova sein wildes Treiben erläutert. Adrian Becker verleiht der Titelfigur nicht nur seine in allen Lagen sichere und schöne Stimme, er besitzt auch eine Bühnenpräsenz, die ihn mühelos in das Zentrum der Aufführung rückt. Auch wenn in einigen Szenen ein Tänzer (Oleksandr Khmelnyrskyy) an seiner Stelle die Ballett-Damen becircen und mit den Nixen im türkischen Pool planschen darf, bewältigt Becker auch seine tänzerischen Aufgaben ohne Probleme.

Schon wegen seiner ungewöhnlichen Stimmlage lässt der zweite Sänger der Produktion aufhorchen. Hagen Marzeit ist Counter-Tenor, der als Transvestit Bellino mit mühelos-atemberaubenden Koloraturen die Illusion verleiht, eine Frau zu sein. In seinen beiden anderen Partien, den historischen Figuren Ludwigs XIV. und Papst Clemens’ XIII., gefällt er zusätzlich mit komödiantischem Spiel. Als Zeit hat Maike Katrin Merkel eine ziemlich undankbare Rolle, gefällt aber mit ihrer souligen Stimme. Der jungen Sängerin hätte man gern einen Song mehr gegönnt. Gleiches gilt für die Sopranistin Alicia Emmi Berg (Angela/Madame d’Urfé/eine Geliebte Casanovas), die mit „Setz ein Lächeln auf, schmeiß dich an ihn ran” erklären darf, wie man sich einen Mann wie Casanova angelt.

Die Revue „Casanova” bietet Unterhaltungstheater auf hohem Niveau vor historischem Hintergrund. Dabei werden zwar nur einige wenige Ausschnitte aus dem schillernden Leben in großartigen Show-Tableaus präsentiert, diese könnten jedoch für den Zuschauer die Initialzündung sein, sich näher mit dem Leben des bekanntesten Schwerenöters der Geschichte zu beschäftigen.

 
Kreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
KREATIVTEAM
BuchRoland Welke
Jürgen Nass
MusikNiclas Ramdohr
RegieJürgen Nass
ChoreografieKim Duddy
BühnenbildFred Berndt
KostümeUta Loher
MaskePeter Bänisch
LichtdesignFranz Peter David
 
Kreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
CAST (AKTUELL)
CasanovaAdrian Becker
junger CasanovaOleksandr Khmelnytskyy
Angela / Madame d'Urfé, eine Geliebte CasanovasAlicia Emmi Berg
Die ZeitMaike Katrin Merkel
Bellino / Ludwig XIV., Papst Clemens XIII.Hagen Matzeit
Artistik
Luftdarbietung an Strapaten und Römischen RingenBell Angels
Cretl-Act
(Luftäquilibristik am Fangstuhl)
Duo Milany
Trampolin Akrobatik am Bungee-GerüstCharivari Storm
SynchronschwimmerinnenMermaid
 
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TERMINE
keine aktuellen Termine
 
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TERMINE (HISTORY)
Sa, 03.09.2005 20:00Friedrichstadt-Palast, BerlinPremiere
So, 04.09.2005 16:00Friedrichstadt-Palast, Berlin
So, 04.09.2005 20:00Friedrichstadt-Palast, Berlin
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