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 Musical-Collage
Elegies Lieder für Engel, Punks und Dramaqueens
© Carolin Weinkopf
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Triumphale, deutschsprachige Erstaufführung des Musicals über die Aids-Katastrophe der 1980er und 1990er Jahre mit dem "Who's who" der deutschsprachigen Musicalszene.
(Text: Kai Wulfes) Premiere: | | 10.12.2018 | Rezensierte Vorstellung: | | 10.12.2018 | Letzte bekannte Aufführung: | | 10.12.2018 | Showlänge: | | 165 Minuten (ggf. inkl. Pause) |
Diagnose: HIV positiv. Joanne kompensiert das mit Power-Shopping, Grace nähert sich ihrer Krankheit rein wissenschaftlich und Nick rächt sich, indem er mit möglichst vielen Männern ungeschützten Sex hat und das Virus wahllos weitergibt.
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Das sind nur drei der 32 Geschichten, die Autor Bill Russell schlaglichtartig in "Elegies" vortragen lässt. Sie alle sind inspiriert vom "AIDS Memorial Quilt", einem US-amerikanischen Handarbeits-Kunstwerk, das an Menschen erinnert, die an der Immunschwächekrankheit verstorben sind. Jeder Monolog erzählt die Geschichte eines Menschen, der mit Aids konfrontiert ist, der jemanden durch die Krankheit verloren hat oder selbst daran gestorben ist. Im Stückverlauf wird klar, dass es sich um keine Randgruppen-Seuche handelt, sondern dass das HI-Virus jeden bewusst oder rein zufällig treffen kann: Männer und Frauen jeden Alters und jeglicher sexuellen Orientierung, Drogenjunkies, Krankenschwestern, aber auch ein ungeborenes Kind.
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Ungewohnt schwere Kost für ein Musical. Doch die titelgebenden Elegien (Klagegedichte) sind nicht nur tragisch, sondern vermitteln meist eine versöhnlich-positive Botschaft. Zum Beispiel im Fall von Roscoe. Die Transe wurde ihr ganzes Leben lang verachtet und verkloppt. Durch ihre Aids-Infektion erblüht sie jedoch zur Diva und geht gemeinsam mit der älteren Waschsalonbesitzerin Helen, die sich über eine Bluttransfusion angesteckt hat, die letzten Stationen bis zum Tod.
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Bill Russells Texte bedienen sich in der äußerst gelungenen deutschen Übertragung durch Daniel Witzke einer sehr feinfühligen, recht anschaulicher und bildgewaltiger Sprache. So rechtfertigt zum Beispiel Vietnam-Veteran Paul seinen Drogenkonsum als "Disneyland für die Vene" und "Treibstoff seiner Träume". Witzke, der auch für die Inszenierung verantwortlich ist, lässt immer mehrere Darsteller gleichzeitig auf die über den Köpfen leicht vernebelte Bühne kommen. In einem Lichtkegel stehend, erzählen sie ihre ganz persönliche Geschichte. Im Anschluss setzen sie sich auf ein die gesamte Bühnenbreite einnehmendes Treppengestellt im Hintergrund. Wie in einer antiken Tragödie entsteht so nach und nach ein Chor, der sich in einzelne Szenen kommentierend einmischt.
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In die Monologe eingewoben sind zehn Songs, die der musikalische Leiter Philipp Gras am Flügel und Anne Sophie Keckeis am Cello aufmerksam begleiten. Janet Hoods abwechslungsreiche Partitur macht "Elegies" zum Musical und reicht von gefühlvollen Balladen ("Ich weiß dir nicht zu helfen"), jazzigen Showstoppern ("Jetzt nicht mehr") bis hin zu mitreißenden Gospel-Songs ("Celebrate"). Robin Kulischs deutsche Liedtexte sind sehr gefühlsbetont, strotzen wie im Fall vom komischen "Alles Geld der Welt" aber auch vor Wortwitz.
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Die Soli, Duette und Ensemble-Nummern werden von Sängern vorgetragen, die als Person immer in einem Zusammenhang zum vorherigen Monolog stehen. So erzählt zum Beispiel eine Schwester von der glücklichen schwulen Partnerschaft ihres Bruders, der vorher beklagt hatte, dass er nur dank ihrer juristischen Hartnäckigkeit im Grab seines Partners beerdigt werden konnte.
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Das Besondere an der deutschsprachigen Erstaufführung von "Elegies" ist ihr Benefizcharakter: Passend zur Thematik fließen 75 Prozent der Einnahmen an die Deutsche AIDS-Hilfe. Um möglichst viel Geld sammeln zu können, haben die Produzenten Daniel Witzke und Robin Kulisch eine beispiellose Starbesetzung aus der deutschsprachigen Musicalszene zusammengetrommelt (siehe Liste unterhalb von dieser Rezension). Insgesamt 57 Darsteller und der Chor des Studiengangs Musical/Show an der Universität der Künste (Leitung: Holger Off) lassen die Aufführung zu einem unglaublich beglückenden, hochkarätigen Fest der Schauspiel- und Gesangskunst werden. Da jeder Beteiligte sein eigenes, individuelles Kabinettstückchen abliefert, wäre es ungerecht, einzelne Namen herauszustellen. In diesem Fall zählt der Gesamteindruck – und der ist einfach grandios!
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(Text: kw)

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Die Kriterien für unsere Kurzbewertungen (Stand: Dezember 2014)
Buch*: Ist die Handlung in sich schlüssig? Kann die Story begeistern? Bleibt der Spannungsbogen erhalten oder kommt Langeweile auf?
NICHT: Besonderheiten der konkreten Inszenierung des Theaters.
Kompositionen*: Fügen die Kompositionen sich gut in das Stück ein? Haben die Songs Ohrwurmcharakter? Passen die gewählten Texte auf die Musik? Transportieren Text und Musik die selbe Botschaft?
NICHT: Orchestrierung, Verständlichkeit des Gesangs der Darsteller in der aktuellen Inszenierung.
* werden nur bei neuartigen Produktionen (z.B. Premiere, deutsche Erstaufführung usw.) vergeben
Inszenierung: Wie gut wurde das Stück auf die Bühne gebracht? Stimmen die Bilder und Charaktere? Bringt der Regisseur originelle neue Ansätze ein?
NICHT: Wie gut ist die Handlung des Stücks an sich oder die mögliche Übersetzung?
Musik: Kann die musikalische Umsetzung überzeugen? Gibt es interessante Arrangements? Ist die Orchesterbegleitung rundum stimmig? Muss man bei Akustik oder Tontechnik Abstriche machen?
NICHT: Sind die Kompositionen eingängig und abwechslungsreich? Gibt es Ohrwürmer? Gefällt der Musikstil?
Besetzung: Bringen die Darsteller die Figuren glaubwürdig auf die Bühne? Stimmen Handwerk (Gesang, Tanz, Schauspiel) und Engagement? Macht es Spaß, den Akteuren zuzuschauen und zuzuhören?
NICHT: Sind bekannte Namen in der Cast zu finden?
Ausstattung: Setzt die Ausstattung (Kostüme, Bühnenbild, Lichtdesign etc.) die Handlung ansprechend in Szene? Wurden die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten optimal genutzt? Bieten Bühne und Kostüme etwas fürs Auge und passen sie zur Inszenierung?
NICHT: Je bunter und opulenter ausgestattet, desto mehr Sterne.
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