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 Revueshow
VIVID The Beauty of Things
© Brinkhoff_Moegenburg
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Bombastisches Spektakel mit Botschaft, das optisch und akustisch von der Technik dominiert wird und wenig Raum zum Träumen lässt.
(Text: Kai Wulfes) Premiere: | | 11.10.2018 | Rezensierte Vorstellung: | | 11.10.2018 | Letzte bekannte Aufführung: | | 03.07.2021 | Showlänge: | | 150 Minuten (ggf. inkl. Pause) |
Auf den Hut gekommen: Mal sind es schlagende Schmetterlingsflügel, dann wieder üppige Federbäusche, ein windschiefer weißer Zylinder oder in den Farben des Regenbogens leuchtende Kopfputze. Als Design Director der Revue sorgt Modist Philip Treacy, der unter anderem auch für Queen Elizabeth, Lady Gaga oder Naomi Campbell arbeitet, dafür, dass die Darsteller in "VIVID" stets gut behütet sind. Treacys Kreationen thronen allerdings nicht nur auf menschlichen Köpfen. Gleich nach der Pause bildet ein überdimensionaler, rosa-glitzernder, zweigeschossiger Hut die Kulisse für eine zügellose Party im Funhouse. In diesem tabulosen Raum sind alle Fantasien erlaubt und er steht für die Botschaft der Show: Entdecke und genieße die Vielfalt deines Lebens!
Krista Monson (Buch und Inszenierung) und Oliver Hoppmann (Co-Autor und -Regisseur) lassen dafür ein junges Mädchen, das mit seinem Vater in der Vorstellung sitzt, zu Beginn der Show neugierig auf die Bühne stürmen. Hier wird sie in eine anonyme Androidin verwandelt und muss im von Königin Androidonna (Glacéia Henderson) beherrschten Reich ein tristes, roboterartiges Dasein fristen. Ein Guru (Mehmet Yilmaz) zeigt der Gefangenen einen Ausweg, indem er ihr mit Hilfe der traditionellen türkischen Ebru-Malkunst eine vor Farben schillernde Straße in eine Parallelwelt erschafft. Hier herrscht der Entertainer (Andreas Bieber), der gemeinsam mit Glamour Girl (Sarah Manesse) der jungen Androidin die Vielfalt aber auch die Gefahren des Lebens näherbringt. Ausgestattet mit diesem Erfahrungsschatz wird das junge Mädchen als attraktive Reye (Devi-Ananda Dahm) im Happy-End-Finale wiedergeboren.
Es ist dem Friedrichstadt-Palast hoch anzurechnen, dass nach Jahren der dramaturgischen Durststrecke, endlich wieder eine Geschichte erzählt wird. Um fremdsprachige Touristen nicht abzuschrecken, werden die wenigen Sprechpassagen in einem Mix aus Deutsch und Englisch vorgetragen. Eine sinnvolle Lösung, die niemanden gegen den Kopf stößt. Gleichzeitig gelingt es dem Regie-Team die Handlung stringent und packend zu erzählen. Bühnenbildner Michael Cotten ist dabei das Wagnis eingegangen, die ohnehin schon riesig dimensionierte Bühne des Friedrichstadt-Palastes mit nach links und rechts in den Zuschauerraum ragenden Podesten zu vergrößern. In der Mitte dominiert eine gewaltige, drehbare Treppenkonstruktion, die um Hubpodien und Aufzüge ergänzt wird. Das passt perfekt in die triste Androiden-Welt und lässt sich in Sekundenschnelle mit Hilfe von Videos (Maxin10sity), Beleuchtung und Laser-Effekten (Chris Moylan) in eine bunte Welt verwandeln. Manchmal erschlagen diese Bilder das Publikum und lassen wenig Raum für das eigene Staunen – zu rasant ist der Wechsel und übersättigt fast das Auge des Betrachters.
Etwas verloren in diesem Hightech-Set wirkt das bereits erwähnte Hut-Funhouse. Vielleicht auch deshalb, weil Designer Stefano Canulli hier Fast-Nackte und Party-Volk in funkigen Disco-Outfits auf bayerische Trachten und deutsche Majoretten-Uniformen treffen lässt. Abgesehen davon kreiert er ein grandioses Kostümbild, das vom verschwenderischen Farb- und Paillettenrausch bis hin zu körperbetonten Lack- und Lederkreationen variiert.
© Brinkhoff_Moegenburg
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Die Hauptlast der Auftritte trägt traditionell das Ballett des Hauses, das tänzerisch von fünf Choreografen, einem Akrobatik-Choreografie-Team und einem Stunt-Koordinator mächtig gefordert wird. In der besuchten Premiere waren noch nicht alle Schrittfolgen, Hebefiguren und akrobatischen Verrenkungen in der Luft synchron, das dürfte sich jedoch innerhalb der zweijährigen Spielzeit einschleifen. Etwas langweilig gerät die von Alexandra Georgieva choreografierte, weltbekannte Girl-Reihe, die auch wegen des dunklen Kostümbildes nicht alle Effekte voll ausspielen kann. Großartig sind die in die Handlung integrierten Artisten, vor allem das Flugartisten-Duo Sky Angels, das sich nur mit der Kraft der Zähne gegenseitig hält. Spektakulär auch die Truppe, die an zwei Todesrädern durch die Luft wirbelt und dabei waghalsige Sprünge vorführt.
Comedy ist immer Geschmackssache. Der albern-clowneske Auftritt von Jimmy Slonina spaltet daher die Geister. Als Vater von der entführten Reye entdeckt Slonina für sich die Bühne, schleppt dorthin als Assistentin eine Zuschauerin ab (in der Premiere Moderatorin Inka Bause) und performt zum Vollplayback mit vielen Grimassen "She's Like The Wind". Kurioserweise bleibt dieser Hit aus dem Film "Dirty Dancing" der einzige Song, der sich während der Show in die Gehörgänge einschmeichelt. Dave Kochanski, Jasmin Shakeri und das Komponistenduo Arne Schumann/Josef Bach haben sich einen belanglosen Musikmix aus sphärischen Klängen und Techno-Gewummer ausgedacht, der gerade mal als Hintergrundmusik taugt. Songs wie "The Binary World", "Danger Boys" oder "Beauty of The Breakdown" verpuffen als harmlose Melodienbögen. Allenfalls die "Jungle Extravaganza" hat dank dauernder Wiederholung der Titelzeile Wiedererkennungswert. Die kleine, am hinteren Bühnenende postierte Band ist nur in wenigen Szenen sichtbar und es schleicht sich bei den computergenerierten Tonfolgen der Verdacht ein, dass nicht mehr alles live eingespielt wird. Zumal passt ein mit Taktstock leitender Dirigent im Frack (in der Premiere: Daniel Behrens) optisch nicht zu dem, was aus den Boxen wummert.
Cedric Beatty hat ganze Arbeit geleistet und beschallt mit glasklarem Sound und allerlei technischen Spielereien den riesigen Theatersaal. Auch die Solistenstimmen glänzen akustisch vor Perfektion, alles hört sich recht glattgebügelt und mit den Reglern perfekt austariert an. Darunter leidet insbesondere Andreas Bieber, dessen Stimme sich in der Premiere extrem fern und blechern anhört. Glacéia Hendersons soulig angeraute Tiefen wirken ebenso gebremst wie die Koloraturen von Sarah Manesse. Einzig Devi-Ananda Dahm darf im Finale nach ihrer Wiedergeburt so richtig losrocken. Ein Jammer, dass ihr nur der eine Song vergönnt ist.
Seit einigen Jahren predigt der Friedrichstadt-Palast, dass eine Revue kein Musical sei, da keine Geschichte erzählt werde. Mit "VIVID" bewegt sich das Haus erfreulicherweise jedoch wieder in diese Richtung, liefert aber trotz immensem technischen und ausstatterischen Aufwand eine Show ab, die zwar gut behütet ist, aber in einigen Bereichen zu perfekt sein will.
(Text: kw)

Kreativteam
Besetzung
Frühere Besetzungen? Hier klicken bis 09/2019
Reye - Devi-Ananda Dahm
Reye als junges Mädchen - Deborah Ciuraru, Friederike Cordes, Amily Fetter, Marieza Kuhnke, Janell Matuschek, Maria Nurewa, Ino Thanou-Koletsi, Uliana Voronova, Sofia Zukova, Amelie Klein, Maya Kornev, Mieke Makatsch
Reyes Vater/The Explorer - Jimmy Slonina
MJ - Mikael Johansson
The Guru (Ebru Malerei) - Mehmet Yilmaz, (Mikael Johansson)
Androidonna - Glacéia Henderson, (Amber Shoop)
The Entertainer - Andreas Bieber, (Mikael Johansson)
Glamour Girl - Sarah Manesse, (Amber Shoop)
Aerial Pole Act - Artem Lyubanevych
Contortion Act - Troupe Ayasgalan
Iron Jaw Act - Duo Sky Angels
Double Wheels of Steel Act - The Navas Troupe
Ballettsolisten - Adriana Bernic, Nina Makogonova, Arielle Martin, Anudari Nyamsuren, Sofia Schabus
Akrobatische Tänzer - David Aparecido Santos, Nicholas Anthony Frey, Christian Sanchez
Ballett des Palastes
Show-Band des Palastes
Zuschauer-Rezensionen
Die hier wiedergegebenen Bewertungen sind Meinungen einzelner Zuschauer und entsprechen nicht unbedingt den Ansichten der Musicalzentrale.
 3 Zuschauer haben eine Wertung abgegeben:

    31978 Gut, aber...
17.02.2019 - Zum ersten Mal seit vielen Jahren kann mich eine Show im Friedrichstadtpalast nicht restlos begeistern und überzeugen.
Das liegt nicht etwa daran, dass VIVID schlecht wäre. VIVID ist einfach nur nicht so gut wie seine Vorgänger der letzten Jahre.
Bühnen- und Kostümbild sind wie immer eindrucksvoll. Hier wurde an nichts gespart, weshalb der Produktionsetat auch eine neue Rekordhöhe für den Friedrichstadt Palast darstellt.
Weltklasseniveau haben auch die einzelnen artistischen Acts, die organisch in die Show integriert wurden.
Die Musik spaltet da schon eher meinen Eindruck. Die sphärischen Klänge für die Artistik sind stimmungsvoll und passend.
Die Lieder für die Gesangssolisten sind überwiegend reizloses und langweiliges Techno- und Up-Tempo-Gewummer mit peinlich naiven Texten.
Die Chorografien holen leider nicht das aus dem Corps de Ballet heraus, was dieses Weltklasse-Ensemble leisten könnte. Da fehlen einfach die Glanzlichter, die das Markenzeichen dieses Hauses sind.
Der Regie von Krista Monson sind deutlich Fehler anzulasten.
Da wird die durchaus interessante Nummer mit der integrierten Ebru Malerei viele zu lange und zu langsam inszeniert. Das potenzielle Show-Highlight "Jungle Extravaganza" wird zu einem vollkommen unübersichtlichen Wimmelbild ohne jeden Fokus.
Der "Funhouse"-Opener des zweiten Aktes gerät zu einer verklemmt peinlichen Erotik-Persiflage, die in keinem verständlichen Kontext zu den vorherigen oder nachfolgenden Szenen steht.
Unangenehm albern und provinziell wird es, wenn Klamottenkomiker sich eine Ananas auf den Kopf setzen oder ihren nackten Hintern ins Publikum halten.
Das Finale enttäuscht besonders, da optisch, choreografisch und musikalisch nur Versatzstück anderer Szenen aufgewärmt und mit etwas Konfettiregen garniert werden.
Insgesamt gibt es also einiges zu bewundern und zu bestaunen. Die Probleme liegen in den Details und sorgen dafür, dass sich meine Begeisterung in Grenzen hält.
VIVID ist nicht mehr und nicht weniger als guter Durchschnitt.

kevin (191 Bewertungen, ∅ 3.3 Sterne)
    31899 VIVID - Poetisch, farbenreich und atemberaubend
27.10.2018 - VIVID ist die nun vierte Grand Show, welche ich sehen konnte. Und eine der besten.
Klar vermisse ich sehr die Nutzung aller technischen Möglichkeiten des Hauses (Wasser, Eis ...). Und dennoch ist VIVID ein Highlight.
Erstmals seit langem erlebt man eine Show mit dünnem Handlungsstrang der sich durch die gut 2,5 h zieht.
Die Musik ist dabei bis auf wenige Ausnahmen das schwächste. Von Ballade, Funk und Rap ist alles dabei. Die instrumtalen Passagen sind sphärische Klänge und Techno-Pop.
Die Bühne ist noch größer und um seitliche Spielfächen erweitert. Viele Szenen im Saal lassen die Grenzen verschwimmen. Mit einer genialen Lichtshow und Projektionen entstehen tolle Bilder. Vieles in klaren Grenzen, anderes überbordend farbenfroh.
Die Kostüme und Hüte insbesondere in der Dschungelszene sind ein Genuss.
Im Vordergrund aber diesmal die Poesie. Grazile Akrobatik, Ebru Malerei und viel Flugakrobatik in unterschiedlichen Dimensionen lassen teils den Atem stocken. Insbesondere Double Wheel of Steel beeindrucken mit ihrer Darbietung.
Aufgelockert durch eine witzige “Shes like the Wind“ Persiflage wurde diesmal auch der Spass nicht übersehen und das Publikum eingebunden.
Die Solisten sind gut aber zumeist unauffällig, aufgrund der eher banalen Kompositionen unterfordert.
Fazit: Trotz einger Schwächen ist VIVID eine gute Show die zum Staunen einlädt.

mrmusical (87 Bewertungen, ∅ 3.8 Sterne)
    31891 VIVID, ein muss für den einmal Berlin Besucher!
12.10.2018 - … wer VIVID gesehen hat der kommt eh nicht wieder, denn das ist eine Show, für das einfache Publikum, auch wenn die Premierengäste etwas anderes sagen.
… wo ist das Geld, nur geblieben?
Ein Brei von Musik, bis auf das Ende! Da war der Lichtblick und der erlosch im Finale!
Wummernde Musik und wir saßen Reihe 21,
Berlin ist laut und stinkig, an einigen Ecken!
… willkommen im 21 Jahrhundert und der Friedrich Stadt Palast, hinkt wie immer hinterher. Mon Dieu!
Vor 15 Jahren, bei Casanova ward Ihr der Welt einen Sprung voraus!

chef de cuisine (14 Bewertungen, ∅ 3.5 Sterne) 
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Die Kriterien für unsere Kurzbewertungen (Stand: Dezember 2014)
Buch*: Ist die Handlung in sich schlüssig? Kann die Story begeistern? Bleibt der Spannungsbogen erhalten oder kommt Langeweile auf?
NICHT: Besonderheiten der konkreten Inszenierung des Theaters.
Kompositionen*: Fügen die Kompositionen sich gut in das Stück ein? Haben die Songs Ohrwurmcharakter? Passen die gewählten Texte auf die Musik? Transportieren Text und Musik die selbe Botschaft?
NICHT: Orchestrierung, Verständlichkeit des Gesangs der Darsteller in der aktuellen Inszenierung.
* werden nur bei neuartigen Produktionen (z.B. Premiere, deutsche Erstaufführung usw.) vergeben
Inszenierung: Wie gut wurde das Stück auf die Bühne gebracht? Stimmen die Bilder und Charaktere? Bringt der Regisseur originelle neue Ansätze ein?
NICHT: Wie gut ist die Handlung des Stücks an sich oder die mögliche Übersetzung?
Musik: Kann die musikalische Umsetzung überzeugen? Gibt es interessante Arrangements? Ist die Orchesterbegleitung rundum stimmig? Muss man bei Akustik oder Tontechnik Abstriche machen?
NICHT: Sind die Kompositionen eingängig und abwechslungsreich? Gibt es Ohrwürmer? Gefällt der Musikstil?
Besetzung: Bringen die Darsteller die Figuren glaubwürdig auf die Bühne? Stimmen Handwerk (Gesang, Tanz, Schauspiel) und Engagement? Macht es Spaß, den Akteuren zuzuschauen und zuzuhören?
NICHT: Sind bekannte Namen in der Cast zu finden?
Ausstattung: Setzt die Ausstattung (Kostüme, Bühnenbild, Lichtdesign etc.) die Handlung ansprechend in Szene? Wurden die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten optimal genutzt? Bieten Bühne und Kostüme etwas fürs Auge und passen sie zur Inszenierung?
NICHT: Je bunter und opulenter ausgestattet, desto mehr Sterne.
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Leider keine aktuellen Aufführungstermine. |
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