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 Komödie
La Cage aux Folles I Am What I Am
©Andreas Etter
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In Zeiten, in denen rechtskonservative Kräfte wieder Zulauf bekommen, besitzt Jerry Hermans 34 Jahre altes Musical wieder überraschende Aktualität. Christopher Tölle verzichtet in seiner Inszenierung auf eine Politisierung der Geschichte, findet aber die perfekte Balance zwischen schrillem Klamauk und leisen Tönen.
(Text: ig) Premiere: | | 14.10.2017 | Rezensierte Vorstellung: | | 14.10.2017 | Letzte bekannte Aufführung: | | 16.06.2018 |
Die Ouvertüre gibt das Tempo des Abends vor. Paul-Johannes Kirchner bringt das Philharmonische Staatsorchester zu Schwung und Leichtigkeit, die auf der Bühne szenisch ihre Entsprechung finden. Gegen den satten Klang der Instrumentierung haben es die Solisten trotz Mikrofonen allerdings manchmal schwer, gehört zu werden. Die Optik, für die sich Bühnendesignerin Lena Brexendorff verantwortlich zeichnet, passt: Die Auftritte im Club finden auf einer mit leuchtenden Flamingos gesäumten Stahl-Showtreppe statt, die beim späteren Show-Act "La Cage aux Folles" kalt angestrahlt und mit den entsprechenden Kostümen von Heike Seidler zu einer Lack-und-Leder-Nummer wird. Durch die durch Bob Fosse inspirierte Choreographie von Regisseur Tölle ergibt sich eine reizvolle Nähe zum Kit Kat Club aus "Cabaret" oder zu "Chicago". Ein guter Kontrast zur bunten Eröffnungsnummer "Wir sind was wir sind" und ein Schritt weg von der Dragqueen-Klamotte.
© Andreas Etter
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Sehr gut gelungen ist auch das eher spartanisch eingerichtete Designer-Apartment von Georges und Albin, das nach der Umdekorierung für die zukünftigen Schwiegereltern überladener und schwülstiger aussieht als vorher. Die Tänzer des Clubs, die Cagelles, funktionieren als Gruppe hervorragend und werden in ihren Soli und den Szenen hinter der Showbühne als Individuen mit Macken und Eigenheiten charakterisiert. Rollenentsprechend extrovertiert, aber ohne den Bogen zu sehr zu überspannen, spielt Fausto Israel die "Zofe" Jacob. Bei ihm sitzt jede Pointe, jede Slapstick-Bewegung.
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Georges' Sohn Jean-Michel, dessen geplante Heirat mit der Tochter des konservativen Politikers Dindon die Handlung in Gang setzt, hat es normalerweise schwer, im Zusammenspiel mit den anderen, sehr präsenten und bunten Charakteren nicht zu verblassen. Johannes Mayer ist mit seinem leichten Tenor eine gute Wahl. Er gibt der Rolle auch darstellerisch Gewicht, wenn er beispielweise erzählt, dass es als Kind mit zwei Vätern in der Schule nicht gerade leicht war. Seine zukünftige Braut Anne findet in Alexandra Samouilidou eine quirlige, sehr sympathische Verkörperung. Armin Dillenberger als ihr Vater tanzt im Finale wunderbar falsch im Fummel. Ellen Kärcher gibt Madame Dindon mit pointierter Mimik die nötige Strenge einer konservativen Politikergattin, die dann sichtlich den rettenden Nachtclub-Auftritt – und mehrere heimliche alkoholische Getränke –genießt.
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Stephan Bootz und Alin Deleanu sind ungewöhnlich jung für die Hauptrollen. Während man Bootz‘ Georges gerade so abnehmen kann, dass er einen 24jährigen Sohn hat, ist es unglaubwürdig, dass sich Deleanu als Albin / Zaza 20 Jahren lang um Jean-Michel gekümmert hat. Auch der Aspekt des gemeinsam Älterwerdens oder Albins Angst, gegen einen Jüngeren ausgetauscht zu werden, gehen dadurch verloren. Darstellerisch passen die beiden aber perfekt zusammen und sind sehr glaubwürdig. Man nimmt ihnen die Gefühle füreinander bedenkenlos ab. Bootz‘ geschmeidiger Bass lässt bei "Wir spazieren am Strand" nicht nur Albin dahinschmelzen. Alin Deleanu verzichtet darauf, Albins feminine Seite zu sehr zu betonen. Bootz und Deleanu spielen erfolgreich gegen das im Stück vorhandene Klischee, dass es in homosexuellen Beziehungen "den Mann" und "die Frau" gibt, an. Einzig Deleanus Auftritte als Zaza könnten noch etwas divenhafter sein. Sein heller Tenor (eigentlich ist er Countertenor und wie Bootz Mitglied des Mainzer Opernensembles) lässt seine Soli weniger nach großer Show als nach Chanson klingen. "Ich bin was ich bin" ist bei ihm mehr ein Sprechgesang. Eine ungewohnte, aber gelungene Interpretation. Dadurch wird aus dem Song ein introvertierter Monolog, bevor am Ende der Ausbruch folgt. Ein Kompliment auch an die Maskenbildner des Theaters, die aus Deleanu bei seinem Auftritt als Jean-Michels falsche Mutter eine sehr attraktive Frau machen.
Wenn bei "Die schönste Zeit ist heut" das Ensemble die Bühne verlässt und durchs Parkett zieht, gibt es für die ohnehin mitklatsch-freudigen Mainzer kein Halten mehr. Hätte nicht jemand beim frenetischen Schlussapplaus unbarmherzig den Vorhang fallenlassen und das Saallicht eingeschaltet, man hätte noch länger gejubelt.
(Text: Ingo Göllner) 
Kreativteam
Besetzung
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Zuschauer-Rezensionen
Die hier wiedergegebenen Bewertungen sind Meinungen einzelner Zuschauer und entsprechen nicht unbedingt den Ansichten der Musicalzentrale.
 1 Zuschauer hat eine Wertung abgegeben:

    31744 Altbekannt und doch neu
05.02.2018 - Das Staatstheater Mainz hat aktuell den Jerry Herman Klassiker LA CAGE AUX FOLLES auf seinem Spielplan.
Bühnenbild, Choreografie, Lichtdesign und Kostüme fallen gut bis sehr gut aus und lassen keine Wünsche offen.
Interessante Akzente setzt man in Mainz mit der Inszenierung und der Besetzung.
Das Musical ist 35 Jahre alt und hat zu seiner Premierenzeit ein nachhaltiges Statement zum Thema Toleranz und Akzeptanz gegenüber Menschen, die nicht zwangsläufig in ein konventionelles Gesellschaftsbild passen, gesetzt.
Die Zeiten haben sich seit dem geändert (und ändern sich immer wieder).
Auch wenn heute irgendwelche Lolas auf ausgetretenen Pfaden, mehr schlecht als recht, hinterherstöckeln, bleibt LA CAGE der unerreichte "Prototyp".
Regisseur Christopher Tölle hat etwaige Patina schonend entfernt.
Der Typus von Georges und Albin, sowie ihre Beziehung, werden fein nuanciert neu definiert.
Dadurch, dass die beiden wesentlich jünger besetzt wurden als sonst üblich, wirkt das Stück wesentlich zeitgemäßer. Die beiden verklären nicht irgendeine Vergangenheit, sondern sind fest im Hier und Jetzt verortet und haben Zukunftsperspektiven.
Insbesondere der Charakter von Albin hat sich verändert. Er ist nicht mehr die schrille, alte Tucke. In der wunderbaren Interpretation von Alin Deleanu ist er vielmehr eine mondän, elegante Dragqueen, die durchaus zwischen Bühnenshow und Privatleben unterscheiden kann und Rollen an- und ablegt. Dadurch zündet vielleicht nicht mehr jeder Gag, der auf Klischees basiert, es bringt aber verstärkt Emotionalität und Glaubwürdigkeit in das Stück. (Ich habe noch nie eine so intensive und wahrhafte Interpretation von "Ich bin was ich bin" gehört.)
Dadurch wird auch insgesamt die Haltung von Georges nachvollziehbarer. Man versteht, was ihn zu diesem Mann(!) hinzieht.
Auch Stephan Bootz umgeht in seiner gelungenen Darstellung weitgehend alle Stereotypen.
Der Spass bleibt, die Message kommt an. Lautstarker Szenenapplaus bei der finale Kußszene zwischen den beiden Männern.
Zum Schluß noch ein Kompliment an das große Orchester des Staatstheaters. Hermans wunderbare Partitur, die so reich an Melodien und Stimmungen ist, wird temperamentvoll, leidenschaftlich und auch sensibel umgesetzt.
Zum Entreacte gibt es dafür begeisterte Bravo-Rufe aus dem Publikum.
(Stell dir das einmal in einem STAGE-Theater vor?!)

kevin (174 Bewertungen, ∅ 3.3 Sterne) 
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| Handlung | "La Cage Aux Folles" ist die Geschichte des homosexuellen Albin, der als Drag Queen Zasa im titelgebenden Nachtclub seines Lebensgefährten George auftritt. mehr Als Georges Sohn Jean-Michel die junge Tochter des konservativen Politikers Edouard Dindon heiraten und seinen zukünftigen Schwiegereltern eine seriöse Familie präsentieren will, kommt es zu einigen komischen Verwicklungen. Albin spielt, trotz einer tiefen Kränkung durch den Ziehsohn, seine Mutter, die kurzfristig abgesagt hat. Das Schauspiel wird letztendlich von Dindon enttarnt, doch durch eine geschickte Erpressung steht der Hochzeit des Sohnes Jean-Michel mit der Diplomatentochter Anna nichts mehr im Wege.
| Weitere Infos | Deutschlandpremiere war am 1985 am Berliner Theater des Westens
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Die Kriterien für unsere Kurzbewertungen (Stand: Dezember 2014)
Buch*: Ist die Handlung in sich schlüssig? Kann die Story begeistern? Bleibt der Spannungsbogen erhalten oder kommt Langeweile auf?
NICHT: Besonderheiten der konkreten Inszenierung des Theaters.
Kompositionen*: Fügen die Kompositionen sich gut in das Stück ein? Haben die Songs Ohrwurmcharakter? Passen die gewählten Texte auf die Musik? Transportieren Text und Musik die selbe Botschaft?
NICHT: Orchestrierung, Verständlichkeit des Gesangs der Darsteller in der aktuellen Inszenierung.
* werden nur bei neuartigen Produktionen (z.B. Premiere, deutsche Erstaufführung usw.) vergeben
Inszenierung: Wie gut wurde das Stück auf die Bühne gebracht? Stimmen die Bilder und Charaktere? Bringt der Regisseur originelle neue Ansätze ein?
NICHT: Wie gut ist die Handlung des Stücks an sich oder die mögliche Übersetzung?
Musik: Kann die musikalische Umsetzung überzeugen? Gibt es interessante Arrangements? Ist die Orchesterbegleitung rundum stimmig? Muss man bei Akustik oder Tontechnik Abstriche machen?
NICHT: Sind die Kompositionen eingängig und abwechslungsreich? Gibt es Ohrwürmer? Gefällt der Musikstil?
Besetzung: Bringen die Darsteller die Figuren glaubwürdig auf die Bühne? Stimmen Handwerk (Gesang, Tanz, Schauspiel) und Engagement? Macht es Spaß, den Akteuren zuzuschauen und zuzuhören?
NICHT: Sind bekannte Namen in der Cast zu finden?
Ausstattung: Setzt die Ausstattung (Kostüme, Bühnenbild, Lichtdesign etc.) die Handlung ansprechend in Szene? Wurden die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten optimal genutzt? Bieten Bühne und Kostüme etwas fürs Auge und passen sie zur Inszenierung?
NICHT: Je bunter und opulenter ausgestattet, desto mehr Sterne.
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Leider keine aktuellen Aufführungstermine. |
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