 Think Different
Der Mann von La Mancha Don Quixote 2005 Mutiger Ritter - Mutige Produzenten: Eine kleine Produktion lässt den Ritter von der traurigen Gestalt wieder reiten, und das im ganz großen Stil.
(Text: Jan-M. Studt) Premiere: | | 13.04.2005 | Letzte bekannte Aufführung: | | 23.04.2005 |
Was geht vor in diesem Don Quixote? Er singt von Heldentaten und zieht gegen die berühmten Windmühlen zu Felde - der selbsternannte Edelmann lebt in seiner eigenen Fantasiewelt. Das Publikum ist in dieser Welt nicht zu Gast, sondern sieht belustigt von außen - aus der Sichtweise eines Sancho Pansa oder der Magd Aldonsa - einem spleenigen, älteren Herren dabei zu, wie er sich lächerlich macht.
Mitnichten eine Identifikationsfigur.
Zunächst.
Später im Stück, leider etwas zu spät, kann man den einen oder anderen Einblick in das Seelenleben des Quichote-Autors Cervantes erhaschen und verstehen, warum er sich vor der Härte seiner Realität in die Traumwelt einer von ihm erdachten Romanfigur flieht. In der zweiten Stunde gewinnt das ganze Stück eine Intensität und Größe, die im ersten Teil leider gefehlt hat - mit Schuld daran sicher auch die etwas wirre Rahmenhandlung, in der Cervantes in die Gewalt einer merkwürdigen "Bande" fällt, bei der man nicht einmal zuordnen kann, aus welchem Jahrhundert sie eigentlich kommen soll. Diese "Gang" scheint einzig dem Zweck zu dienen, die ständige Anwesenheit der beinahe vierzig Darsteller zu erklären, die nebenbei noch als Chor fungieren und bei Bedarf Umbauten am Bühnebild durchführen.
Das große Ensemble nutzt die riesige Bühne dabei gut aus: Mit Hilfe vom pointiert eingesetzten Lichtwechseln (Licht: Stefan Rutkowski u.a.), adäquatem Staging, guten Einfällen und sogar Videoeinsatz wird es für das Auge nie langweilig, obwohl das Stück ohne spektakuläre Umbauten auskommt.
Die diffuse Rahmenhandlung bleibt leider nicht der einzige Schwachpunkt der Inszenierung: So laufen direkt nach einer unangemessen hart inszenierten Vergewaltigungsszene plötzlich zwanzig Mädchen in blonden Perücken auf die Bühne, um zehn Minuten lang ohne erkennbaren Grund Disco-Choreografien zu tanzen (zu Popmusik die nichts mit dem Stück zu tun hat). Das schmälert die emotionale Bedeutung der vorigen Szenen natürlich enorm und wirkt einfach befremdlich (viel Stirnrunzeln im Publikum). Gegen Ende sind diese Irrungen und Wirrungen aber vergessen und das Ensemble läuft zu Höchstform auf. Wenn die bis dato unheilbar pragmatische Aldonsa den sterbenden Quixote nicht mehr als naiven Wirrkopf sondern als bewundernswerten Idealisten begreift, und jeder im Publikum nachfühlen kann was da gerade in ihr vorgehen muss, dann merkt man die Kraft, die in dieser Inszenierung steckt.
Viel Erfreuliches gibt es von der Musik zu berichten. Das Studioorchester der Hochschule für Musik und Theater (Leitung Wolf Kerschek), obwohl nur etwa 15 Mann stark, klingt "groß" und einfach richtig gut - was sicher auch der Tontechnik zu danken ist, die behutsam und ausgewogen Orchester und Ensemble verstärkt. Davon könnten sich auch wesentlich teurere Produktionen eine Scheibe abschneiden. Die Chorstücke klingen dank des großen, mit vielen guten Stimmen gesegneten Ensembles grandios - schade, dass der Chor nur so selten zum Zuge kommt.
Hauptdarsteller Nikolaus Meer spielt Cervantes wie Quixote ohne große Unterschiede zwischen den beiden Figuren - weil im Laufe des Stückes klar wird, das Cervantes und Quixote letztlich ein und dieselbe Person sind. Diese Unschärfe funktioniert gegen Ende auf beeindruckende Weise, macht es aber im ersten Teil noch schwieriger, die ohnehin sperrige Figur emotional zu greifen und zu verstehen.
Überraschung des Abends ist Sancho Pansa (Enrico De Pieri): Nach seinem quäkigen Eröffnungspart hatte ihn wohl das gesamte Publikum schon innerlich abgehakt - und plötzlich zeigt sich: er kann ja doch singen. Und wie. Ob er sich am Anfang zurückhalten musste, um Nikolaus Meer (dem es in den Tiefen hier und da an Volumen fehlte) nicht die Show zu stehlen? Wie dem auch sei, De Pieri gibt einen liebenswerten Sancho, der die Inszenierung auch an den etwas wirreren Punkten erdet: Egal in welchem Jahrhundert eine Szene nun gerade spielen soll, Sancho bleibt Sancho.
Die hier genannten Kritikpunkte sollen aber die Leistung der durchweg soliden bis hervorragenden Cast und des Teams um Regisseur Axel Heil in keiner Weise schmälern. Immerhin ist es hier gelungen, eine Musicalproduktion von respektabler Größe aus dem Boden zu stampfen, die den Vergleich mit anderen Produktionen nicht zu scheuen braucht - und das bei einem Bruchteil des Kartenpreises. Respekt.
(Text: js) 
Kreativteam
Besetzung
Zuschauer-Rezensionen
Die hier wiedergegebenen Bewertungen sind Meinungen einzelner Zuschauer und entsprechen nicht unbedingt den Ansichten der Musicalzentrale.
 7 Zuschauer haben eine Wertung abgegeben:

    5474 verständlich erstaunlich erfreulich schön
31.12.2009 - Ganz erstaunlich war die Dynamik des Ablaufes und die klare Führung durch die Geschichte. Die Stimmen gefallen sehr gut und das Schauspiel überzeugt immer wieder. Wunderbar dieser Chor.

Helmut Braun
    5504 einfach, genial
31.12.2009 - Absolut Sehenswert !
Werd mir das Stück heute nochmel ansehen.

sancho
    5447 tolle Show, mit kleinen Schwächen
18.04.2005 -

Bonnie
    5444 frisch & genial
18.04.2005 - Ich kenne sie fast alle, die grossen Ausstattungsmusical.
Diese Produktion jedoch lebt von der Kreativität und Professionalität aller Beteiligten, ist erfrischend anders und unbedingt sehenswert. Der Abend bietet geniale Stimmen und erstaunliche Einfälle der Regie. Das sehe ich mir unbedingt ein zweites Mal an.

Graf-Zahl
    5404 Grandios
15.04.2005 - es ist also doch möglich in hamburg gutes musical theater zu erschwingbaren preisen zu erleben.die regie zeichnet sich durch eine aktuelle klare bildsprache aus.mit der besetzung der titelfigur sowie des sancho liegt der regiesseur genau richtig.
insgesamt:ich hatte schon lange nicht mehr so gute unterhaltung in einem Hamburger theater.Bravo!Bitte mehr davon!

gisela
    5383 die Jungen Wilden
14.04.2005 - Mal wieder richten es in der aktuell verlangweilten und desolaten Theaterlandschaft die jungen Kreativen und präsentieren hier eine Arbeit, die musikalisch ein Hochgenuß ist, und szenisch spannungsvoll und mit toller Personenführung bis zum Ende dem Zuschauer einen bewegten Abend bereitet.
Allen voran, der junge Axel Heil, der es vermag einen Tross von ca. 50 Leuten auf der Bühne hervorragend in Szene zu setzen. Kreative Einfälle in puncto Bühnenbild und Kostüme perfektionieren dieses Stück.
Don Quixote wartet mit stimmlichem Kern und ritterlich-attraktivem Erscheinungsbild auf.
Sancho ist ein quicklebendiger und spielerisch witziger und liebenswerter Darsteller und Sänger.
Der heimliche Star des Abends ist wohl Aldonza, die stimmlich alle Facetten aufbietet, die diese Partie fordert, von derb-rauher Tiefe bis zu sanfter rührernder Höhe, wenn Sie am Ende den "Dulcinea"-Song vom Anfang aufnimmt. Sie überzeugt darstellerisch mit schier beeindruckender Präsenz in Wort und Spiel.
Die kleineren Rollen, wie Wirt, Padre, Dr. Carrasco waren ebenfalls toll besetzt und überzeugten.
Musik (sehr souverän Mathias Weibrich), und Chor (mit vielen tollen Einzelaktionen) machten den Abend zu einem Glanzpunkt in Hamburg.
So etwas wünscht man sich öfter!

don giovannihh
    5374 rundrum gelungen
13.04.2005 - Großer Applaus für Protagonisten, Ensemble, Orchester und Inszenierung. Tontechnik und Licht setzen das Ganze gekonnt in Szene. Ein stimmgewaltiger Don Quichote, ein niedlicher Sancho und eine wundervolle Dulchinea (die ruhig etwas derber sein könnte) wurden unterstützt von einem jungen, motivierten und chorisch brilliaten Ensemble. Viele gute Regie-Ideen machten den Abend trotz fehlender Pause kurzweilig. Einzig die Disco-Nummer blondperückter Mädels war überflüssig.
Prädikat: absolut empfehlenswert

Janet 
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