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 Punk-Glam-Country-Rock-Musical
Hedwig & The Angry Inch The Origin Of Love
© Agnes Wiener / Niklas Wagner
© Agnes Wiener / Niklas Wagner
Die Musical-Szene der Main-Metropole ist sehr überschaubar. Darum hat sich Off-Musical Frankfurt zum Ziel gesetzt, anspruchsvolle Musicals abseits des Mainstreams auf die Bühne zu bringen. Mit "Hedwig and the Angry Inch" ist ein guter Start gelungen und die Frankfurter Kulturszene um eine Attraktion reicher.
(Text: Ingo Göllner) Premiere: | | 22.09.2017 | Rezensierte Vorstellung: | | 22.09.2017 | Letzte bekannte Aufführung: | | 12.08.2018 |
Die talentierte, doch international ignorierte Rock-Chanteuse Hedwig wird auf ihrer Welttournee mit der eigenen tragikomischen Vergangenheit konfrontiert: Als Hansel Schmidt in Ost-Berlin aufgewachsen, überredet sie ein amerikanischer GI zur Übersiedlung in die USA und zur Geschlechtsumwandlung. Leider geht diese katastrophal schief und von ihrer Männlichkeit bleibt ein "Angry Inch" zurück. Verlassen und ausgenutzt – weder Mann, noch Frau – führt sie ihr Weg nun zu einem Konzert in die Frankfurter Brotfabrik.
© Agnes Wiener / Niklas Wagner
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Michael Kargus als Hedwig macht ab dem ersten Schritt auf die Bühne klar, wer hier der Star ist. Doch die derbe, divenhafte Arroganz bröckelt und hinter der Maske werden Wut auf den Ex-Lover, der mit ihren Songs eine Weltkarriere gestartet hat, und emotionale Verletzungen sichtbar. Stimmungsschwankungen und Sprünge in den Erzählungen macht Kargus immer nachvollziehbar. Durch seine helle Stimme und seinen maskulinen Körper ist er der perfekte Darsteller für diese Rolle. Er lässt aber auch Kathrin Hanak als Yitzhak und der exzellenten Band unter (Leitung von: Dean Wilmington), die ins Spiel einbezogen wird, genug Luft, um nicht bloßes Beiwerk zu sein.
© Agnes Wiener / Niklas Wagner
© Agnes Wiener / Niklas Wagner
Hedwig unterdrückt Yitzhak, ihren Ehemann und ehemalige Drag Queen aus Zagreb. Hanak strahlt in dieser Rolle eine Mischung aus Aggression und Verletzlichkeit aus. Er ist Roadie und verlässlicher Backgroundsänger, der das Potenzial hat, den Star der Show in den Schatten zu stellen – und als es ihm versehentlich passiert, straft sie ihn mit Beschimpfungen. Trotzdem vergöttert er Hedwig. Wenn sie singt, hängt er an ihren Lippen. Als Hedwig nach einem Zusammenbruch am Ende zu sich selbst findet und Yitzhak ihre Perücke aufsetzt, gehören die letzten Song-Momente im Spot ihm und er wächst vor Glück über sich hinaus. Kathrin Hanak gibt ihrer Figur eine starke, vielseitige Stimme. Zurückhaltend, wenn sie nur unterstützt – Raum einnehmend in ihren Soli. Großartig!
© Agnes Wiener / Niklas Wagner
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Regisseur Thomas Helmut Heep hält die Balance, um aus der Aufführung keine "One Woman with an Angry Inch-Show" werden zu lassen. Den Text haben Kargus und Heep mundgerecht und mit viel Lokalkolorit bearbeitet.
Die Brotfabrik, eine in Frankfurt bekannte Konzert- und Party-Location, ist der perfekte Aufführungsort für dieses Stück. Der Saal ist nicht zu groß und kommt dem intimen Stück sehr entgegen. Die Musik ist dagegen alles andere als intim. Hier wird ordentlich und laut gerockt.
Bei "Hedwig" kann man keine Ausstattungsorgie erwarten. Hedwigs Kostüm ist eher bedeckt als paradiesvogelartig. Nichts Unnötiges stört die Konzertsituation. Ein Garderobenspiegel im Hintergrund wird sehr einfallsreich für (Selbst-)Reflexionen genutzt.
© Agnes Wiener / Niklas Wagner
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"Hedwig" ist laut, schmutzig, derb, emotional packend und herausragend gespielt. Mit der ersten Produktion hat Off-Musical Frankfurt die Latte hoch gehängt.
(Text: Ingo Göllner) 
Verwandte Themen: Hintergrund: Interview mit Kathrin Hanak (21.01.2018) Hintergrund: Ein Tag mit Michael Kargus (Hedwig and the Angry Inch, Frankfurt) (11.11.2017)
Kreativteam
Besetzung
Zuschauer-Rezensionen
Die hier wiedergegebenen Bewertungen sind Meinungen einzelner Zuschauer und entsprechen nicht unbedingt den Ansichten der Musicalzentrale.
 1 Zuschauer hat eine Wertung abgegeben:

    31720 Es lebe das Off-Musical-Frankfurt!
21.01.2018 - Hedwig ist eine meiner Lieblingsshows; ganz einfach, weil niemand sonst ist wie sie: Roh, böse, punkig, nackt, zärtlich und doch so verletzlich.
Da offenbart sich in einer zweistündigen Tour de Force die Lebensgeschichte eines Menschen auf der Suche nach Liebe und Macht - und der Macht der Liebe.
Und da es sich hierbei fast um eine One (Wo-)man Show handelt, ist einfach ausschlaggebend, wen man in der Titelrolle sieht und ob man mit ihr/ihm "connected".
Ich muss gestehen, seit ich Andreas Bieber als Hedwig erleben durfte, liegt die Messlatte für andere Darsteller fast unerreichbar hoch.
Und so war ich nach dem Sehen dieser kleinen aber feinen Produktion in Frankfurt im letzten Jahr doch etwas enttäuscht; fehlte mir bei der Erstbesetzung der Titelrolle einfach die Tiefe und die Verletzlichkeit. Für mich wurde da einfach sehr Vieles oberflächlich behauptet, was ich nicht sah.
Umso größer war meine Freude, als ich tatsächlich erneut ein Ticket gewann und diesmal die alternierende Besetzung als Hedwig sehen durfte:
Lukas Witzel gibt gleich zu Anfang eine etwas weichere Hedwig, die nicht ganz von oben herab abfällig-arrogant mit dem Publikum kommuniziert. Ich hatte das Gefühl, er braucht ein paar Minuten, um auf der Bühne warm zu werden, aber dann hat seine Hedwig all das, was ich in dieser Rolle suche:
Die Diva, der kleine Junge, die verletzte Frau.
Und all das, was Witzel aufgrund seines jungen Alters vielleicht an Lebenserfahrung für das letzte i-Tüpfelchen auf dieser Rolle fehlt, macht er durch Talent wett.
Er singt die Punkrock-Songs hervorragend dreckig und die Balladen zart-berührend.
Diese Hedwig mag man von Anfang an und schließt sie in sein Herz, auch wenn sie einen manchmal vor den Kopf stößt und verletzt.
Am Ende weint man mit diesem geschundenen Menschen.
Im Zusammenspiel mit der wunderbaren Kathrin Hanak als Yitzhak geht dies ganz fantastisch auf.
Auch einige Regieideen, die sich mir als Erstseher nicht erklärten, gehen, wenn sie von Lukas Witzel dargeboten werden, viel besser auf.
Für einen massiven Regiefehler halte ich weiterhin, dass Hedwig in der Show viel zu früh ohne Perücke zu sehen ist, nämlich noch im ersten Teil vor dem Song "Wig in a Box".
Die Demaskierung darf erst am Ende erfolgen, darauf arbeitet ja schließlich der gesamte Erzählstrang hin.
Schade, dass ist nun schon vorbei ist:
Die aller erste Produktion des "Off-Musicals Frankfurt" war schon ein sehr guter Einstieg, den sie mit der deutschen Erstaufführung von "American Idiot" bereits übertroffen haben.
Ich freue mich wie Bolle auf weitere, abgefahrene, eher unbekannte Stücke in Frankfurt.
Möge die Off-Musical-Szene blühen und gedeihen!

AdamPascal (67 Bewertungen, ∅ 4.2 Sterne) 
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| Handlung | Die Rock-'n'-Roll-Drag-Queen Hedwig beschreibt neben einigen bizarren Ereignissen ihre Verwandlung vom ostdeutschen Jungen Hänsel in die skurile Kunstfigur Hedwig, der nach einer missglückten Geschlechtsumwandlung nur noch ein "Angry Inch" blieb. mehr
| Weitere Infos | Die Uraufführung war am 14. Februar 1998 am Jane Street Theater (Off-Broadway) mit John Cameron Mitchell (Hedwig) und Miriam Shor (Yitzak). 2002 spielten Drew Sarich (Hedwig) und Irina Alex/Vera Bolten (Yitzhak) erstmals die deutsche Übersetzung von Rüdiger Bering und Wolfgang Böhmer.
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Die Kriterien für unsere Kurzbewertungen (Stand: Dezember 2014)
Buch*: Ist die Handlung in sich schlüssig? Kann die Story begeistern? Bleibt der Spannungsbogen erhalten oder kommt Langeweile auf?
NICHT: Besonderheiten der konkreten Inszenierung des Theaters.
Kompositionen*: Fügen die Kompositionen sich gut in das Stück ein? Haben die Songs Ohrwurmcharakter? Passen die gewählten Texte auf die Musik? Transportieren Text und Musik die selbe Botschaft?
NICHT: Orchestrierung, Verständlichkeit des Gesangs der Darsteller in der aktuellen Inszenierung.
* werden nur bei neuartigen Produktionen (z.B. Premiere, deutsche Erstaufführung usw.) vergeben
Inszenierung: Wie gut wurde das Stück auf die Bühne gebracht? Stimmen die Bilder und Charaktere? Bringt der Regisseur originelle neue Ansätze ein?
NICHT: Wie gut ist die Handlung des Stücks an sich oder die mögliche Übersetzung?
Musik: Kann die musikalische Umsetzung überzeugen? Gibt es interessante Arrangements? Ist die Orchesterbegleitung rundum stimmig? Muss man bei Akustik oder Tontechnik Abstriche machen?
NICHT: Sind die Kompositionen eingängig und abwechslungsreich? Gibt es Ohrwürmer? Gefällt der Musikstil?
Besetzung: Bringen die Darsteller die Figuren glaubwürdig auf die Bühne? Stimmen Handwerk (Gesang, Tanz, Schauspiel) und Engagement? Macht es Spaß, den Akteuren zuzuschauen und zuzuhören?
NICHT: Sind bekannte Namen in der Cast zu finden?
Ausstattung: Setzt die Ausstattung (Kostüme, Bühnenbild, Lichtdesign etc.) die Handlung ansprechend in Szene? Wurden die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten optimal genutzt? Bieten Bühne und Kostüme etwas fürs Auge und passen sie zur Inszenierung?
NICHT: Je bunter und opulenter ausgestattet, desto mehr Sterne.
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Leider keine aktuellen Aufführungstermine. |
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