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 Tanzmusical
Footloose Holding Out For A Hero
© Wolfgang Runkel
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Nach dem Unfalltod seines Sohnes bringt der Pfarrer einer US-amerikanischen Kleinstadt den Stadtrat dazu, ein Tanzverbot zu verhängen. Als der junge Ren McCormack mit seiner Mutter nach Bomont zieht, mischt er das Leben dort auf, kann das Verbot kippen und erobert das Pfarrers Tochter. Klischeehafte Charaktere, uneinheitliche Songs, holprige Dramaturgie – in Darmstadt wird trotzdem eine einigermaßen runde Aufführung daraus.
(Text: ig) Premiere: | | 30.09.2017 | Rezensierte Vorstellung: | | 03.10.2017 | Letzte bekannte Aufführung: | | 30.06.2019 |
Der Film "Footloose" steht im Schatten anderer 80er-Jahre-Tanzfilme. "Flashdance" war seinerzeit stilprägender und "Dirty Dancing" hat auch heute noch eine größere Anhängerschar. Neben drei großen Chart-Hits ("Footloose", "Let’s Hear It for the Boys" und "Holding Out for a Hero") enthält der Soundtrack viel belangloses Fülsel. In der Bühnenversion sind diese Songs mal mehr, mal weniger elegant in die Handlung eingebettet. Zusätzlich gibt es neue Lieder, die das Innenleben der Figuren beleuchten, aber keines davon bleibt im Gedächtnis. Es sind klassische Musical-Nummern mit einem Hauch Sondheim, die sich stilistisch sehr von den Filmsongs unterscheiden und wie Fremdkörper wirken. Die Songtexte sind im Original belassen. Leider wurde auf eine Übertitelung verzichtet. Auch wer des Englischen einigermaßen mächtig ist, versteht dank schlechter Akustik so gut wie nichts. Zwar bessert sich der Ton im Lauf des Abends, aber wirklich gut wird er nie.
© Wolfgang Runkel
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Die Dramaturgie des Stücks knirscht gewaltig. Ariel, die Tochter des Pfarrers, hat einen gewalttätigen Freund und ihr Vater, der die ganze Stadt kontrolliert, unternimmt nichts. Im Song "Somebody's Eyes" ist von Stasi-artiger Bespitzelung in Bomont die Rede, die danach nicht mehr thematisiert wird. Und warum muss erst ein Neuer in die Stadt kommen, damit die Landei-Jugend mal auf die Idee kommt, zum Tanzen einfach in die Nachbarstadt zu fahren?
Regisseur Erik Petersen ignoriert das. Er hält das Tempo hoch, doch bei der Personenführung hapert es. Wenn viele Charaktere auf der Bühne sind, agieren die Darsteller, auf denen gerade nicht der Fokus liegt, mit pantomimisch überdeutlichen Gesten und übertriebener Mimik. Das ist nicht nur ein Bruch zum ansonsten glaubhaften Spiel der Akteure, sondern lenkt auch vom Hauptgeschehen ab. Dafür gelingt ihm die Einbindung des flexiblen Bühnenbilds von Dirk Hofacker in die Aktion sehr gut. Es besteht aus drehbaren Hausfassaden, die sich durch Projektionen immer wieder in völlig andere Orte verwandeln lassen. So laufen die Szenenwechsel schnell und reibungslos ab. Bei den Fassaden-Drehungen ergeben sich reizvolle Blicke in Häuserschluchten, die auch manchmal bespielt werden. Doch nicht an allen Stellen ist das Bühnenbild so gut durchdacht: Dass in der Kirche der Stadtrat tagt und der Schulball zum Finale dort stattfindet, mag man hinnehmen, aber dass sie auch als Turnhalle genutzt wird, ist äußerst unglaubwürdig. Der Gefahr einer Retro-Ausstattungs-Revue entgeht Petersen, indem er die Handlung aus den 80er Jahren der Filmvorlage in die Jetztzeit verlegt. Verena Polkowski hat praktisch-dezente Alltags-Kostüme entworfen. In der Szene in der Country Dance Hall darf dann jedes Cowboy-Klischee bedient werden. Für den nötigen Pep sorgen die Choreographien von Sabine Arnold, die die Energie der ausgezeichneten Band (Leitung: Michael Nündel) aufnehmen.
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Das Ensemble schafft es, ihren Holzschnitt-Charaktere Leben einzuhauchen. Besonders Sybille Lambrich als Ariel und Lucas Baier als Ren nehmen durch Natürlichkeit und harmonisches Zusammenspiel für sich ein. Lambrichs Ariel ist einerseits selbstbewusst, andererseits ist sie mit dem Unsympath Chuck (gnadenlos unausstehlich: Jan Rekeszus) zusammen und buhlt hilflos um die Zuneigung ihres Vaters. Sie hat mit "Holding Out for a Hero" den Kracher des Abends zu singen. Sie beginnt erst still und verträumt, um dann ordentlich aufzudrehen.
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Lucas Baier legt Ren sehr brav an. Er ist kein wilder, aufmüpfiger Teenager, eher der Junge von nebenan, dem Mütter ohne Bedenken ihre Töchter anvertrauen. Er muss schlussendlich auch nicht mehr auf große Konfrontation mit Reverend Moore gehen, um ihn zu überzeugen, das Tanzverbot fallenzulassen. Stimmlich und tänzerisch passt er sehr gut in die Rolle, auch wenn seine akrobatischen Tanzeinlagen noch etwas gehemmt wirken. Reverend Shaw Moore ist mit Michael Pegher aus dem Opernensemble besetzt. Sein klassischer Tenor unterscheidet ihn passend von den Stimmen der Jugendlichen. Auf den ersten Blick ist er ein etwas unscheinbarer Beamtentyp. Er zieht seine Strippen eher im Verborgenen. Von Anfang an wird deutlich, dass ihn mehr bewegt als er sagen kann. Die Trauer um den Tod seines Sohnes konnte er bislang mit niemandem teilen. Auch nicht mit seiner Frau Vi, der Jessica Kessler starke Präsenz verleiht. Sie berührt durch die Darstellung einer Frau, die nicht mehr an ihren Mann herankommt, und mit ihrem gefühlvollen Gesang.
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Lustige Sidekicks dürfen natürlich nicht fehlen. Beatrice Reece geht souverän über einige peinlich schlechte Pointen ihres Textes hinweg und spielt die etwas naive Rusty mit großer Herzlichkeit. Bei "Let’s Hear It for the Boys" kann sie auch gesanglich glänzen. Ihr Gegenpart Willard wird von Benjamin Sommerfeld übertrieben exaltiert gespielt. Dennoch: Sommerfeld verwandelt jeden noch so flauen Gag in einen Lacher und legt mit "Mama Says" eine altmodische, schön inszenierte Shownummer hin.
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"Footloose" erzählt von Jugendlichen, die sich ihre Freiheit – hier in Form des Tanzens – erkämpfen müssen. Doch das tut man zahm und brav, ohne wildes Aufbegehren. So bleibt am Ende ein Theaterabend, der drei Stunden lang unterhält, aber danach relativ schnell aus dem Gedächtnis verschwinden wird.
(Text: Ingo Göllner)

Kreativteam
Besetzung
Zuschauer-Rezensionen
Die hier wiedergegebenen Bewertungen sind Meinungen einzelner Zuschauer und entsprechen nicht unbedingt den Ansichten der Musicalzentrale.
 3 Zuschauer haben eine Wertung abgegeben:

    31792 Fußlahm!
11.04.2018 - Einer der zahlreichen populären Tanzfilme der 80er Jahre ist FOOTLOOSE.
Die Musicaladaption davon ist im Staatstheater Darmstadt zu sehen.
Leider gibt dieses Stück nicht viel her. Obwohl vage auf einer tatsächlichen Begebenheit basierend, wirkt die Geschichte konstruiert und die Charaktere unterentwickelt und klischeehaft.
Musikalisch kann das Stück auch nur die drei, vier Hits der Vorlage aufbieten und wird ansonsten von recht belanglosem Füllmaterial von Tom Snow ergänzt.
Was dieser Inszenierung aber vollends das Genick bricht, ist die unsagbar langsame und langatmige Inszenierung von Erik Petersen und die vollkommen uninspirierte, temperamentlose, fast nicht vorhandene Choreografie von Sabine Arthold. Das muss man auch erstmal leisten: Eine schmissige Uptempo-Nummer wie "Holding out for a Hero", die eigentlich der Showstopper des Abends sein müsste, verkommt zu einem gelangweilten, improvisiert wirkenden Hin- und Hergelaufe einer Handvoll Mädels.
Viel besser wird es nicht mehr, bis zum allenfalls mittelmäßigen Finale.
Dieses erhält allerdings wieder seinen K.O.-Schlag durch die peinlich schlechten Kostüme. Die sehen so aus, als hätte man für das weibliche Ensemble altbackene, hässliche Vorhänge zu notdürftigen Kleidern zusammengetackert.
Die Darsteller können auch nur noch bedingt etwas retten. Einige liefern solide ab, anderen fehlt es deutlich an Präsenz und Strahlkraft.
Im Darmstädter Staatstheater hat das Genre Musical seit Jahren einen festen Platz und wird gepflegt.
Die Inszenierung von FOOTLOOSE hinterlässt aber einen freudlosen und schwerfälligen Eindruck. So als hätten die verantwortlichen Kreativen keine Ahnung oder keine Lust gehabt.

kevin (205 Bewertungen, ∅ 3.3 Sterne)
    31789 Fast perfekt - Grandiose Cast
02.04.2018 - Am 01.04 habe ich Footloose im Staatstheater in Darmstadt gesehen und bin noch heute sehr begeistert davon.
Zu den Tonproblemen kann ich sagen das es diese noch stellenweise gibt aber man hat das ganze scheinbar gut in den Griff bekommen.
Das Bühnenbild fand ich sehr raffiniert gemacht und hat mir sehr gut gefallen, einzig das die Kirche auch die Sporthalle ist fand ich nicht gut gelöst, das auch der Tanzabend dort stattfand, fand ich in Ordnung.
Jetzt zum ganz großen Pluspunkt der Show, die überragende Cast.
Ich habe schon einige Musicals gesehen, aber ich hatte glaube ich noch nie eine so durch die Bank bis in die kleinste Rolle perfekt besetzte Cast.
Auf vier Darsteller möchte ich kurz mehr eingehen da diese vier mir besonders gut gefallen haben.
Für mich persönlich war das Highlight des Abends der Hauptdarsteller des Ren - Lucas Baier. Selten hat mich ein Darsteller so umgehauen, Stimme Tanz und Schauspiel waren grossartig ich hoffe daß man von ihm noch einiges hört.
Sybille Lambrich als Ariel Moore war ebenso perfekt besetzte.
Benjamin Sommerfeld als Willard und Beatrice Reece als Rusty standen den beiden Hauptdarstellern in nichts nach und sorgten für die Lacher des Abends. Vor allem Beatrice Reece hat dazu noch eine grandiose Stimme und Ausstrahlung.
Ich hoffe daß das Staatstheater Darmstadt sich dazu entschließt Footloose in der nächsten Spielzeit nochmals aufzunehmen da ich es gerne noch ein weiteres Mal sehen würde.
Für mich war dieser Abend mehr als Perfekt! Das Staatstheater Darmstadt hat ein grandioses Musical auf die Beine gestellt man bekommt für einen guten Preis einen für mich perfekten Musicalabend geboten.

Musicalfan86 (40 Bewertungen, ∅ 4.5 Sterne)
    31629 Starke Show, furchtbare Tonabmischung
05.11.2017 - Es hätte so schön werden können.
Es hätte sogar nahezu ein perfekter Theaterabend werden können, denn "Footloose" entpuppt sich als erstaunlich unterhaltsames Musical.
Hätte, hätte, Fahrradkette.
In diesem Fall heißt die Fahrradkette wie so oft "Tonabmischung": Sie ist schlichtweg skandalös miserabel.
Da stehen auf der Bühne mitunter die besten (Pop-)Sänger, die die Branche gerade zu bieten hat, da hat man eine 9-köpfige Band (inklusive Geiger), die im Gegensatz zu Stage-Produktionen auch im Programmheft als "Band" benannt ist und nicht als Orchester verkauft wird und dann vergeigt der Tontechniker (sorry für das plumpe Wortspiel) den gesamten Abend (sogar so sehr, dass der Geiger, der sich in einer Szene auf der Bühne die Seele aus dem Leib geigt, nicht einmal zu hören ist).
Schon der Beginn der Show mit dem titelgebenden Song lässt den geneigten Zuhörer aufgrund des furchtbaren Sounds verwundert zurück und bietet so einen gänzlich verunglückten Einsteig in eine ansonsten gefällige Show, die vor Bühnentalenten nur so strotzt.
Es wird sogar, entgegen aller Klischees, richtig gutes Schauspiel geboten, was aber hinfällig ist, wenn der Tontechniker über Minuten einfach einmal ALLE Mikrofone offen lässt, da im unklar zu sein scheint, wer gerade das Sagen hat.
Hits wie "Holding out for a hero" und "Let's hear it for the boy" werden stimmlich herausragend dargeboten, was jedoch aus benannten Gründen immer in unerträglichem Lärm-Brei endet.
Wie schade, dass man in einem Pop-Musical sehnsüchtig auf die nächste Ballade warten muss, um wieder differenziert Stimmen und einzelne Instrumente hören zu dürfen.
Es bleibt nach diesem Abend ein bitterer Beigeschmack der vertanen Chance zurück. Wann werden die Stadttheater endlich das Potential nutzen, welches ihnen zur Verfügung steht und aus ihren immer gleichen Fehlern lernen?

AdamPascal (67 Bewertungen, ∅ 4.2 Sterne) 
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Die Kriterien für unsere Kurzbewertungen (Stand: Dezember 2014)
Buch*: Ist die Handlung in sich schlüssig? Kann die Story begeistern? Bleibt der Spannungsbogen erhalten oder kommt Langeweile auf?
NICHT: Besonderheiten der konkreten Inszenierung des Theaters.
Kompositionen*: Fügen die Kompositionen sich gut in das Stück ein? Haben die Songs Ohrwurmcharakter? Passen die gewählten Texte auf die Musik? Transportieren Text und Musik die selbe Botschaft?
NICHT: Orchestrierung, Verständlichkeit des Gesangs der Darsteller in der aktuellen Inszenierung.
* werden nur bei neuartigen Produktionen (z.B. Premiere, deutsche Erstaufführung usw.) vergeben
Inszenierung: Wie gut wurde das Stück auf die Bühne gebracht? Stimmen die Bilder und Charaktere? Bringt der Regisseur originelle neue Ansätze ein?
NICHT: Wie gut ist die Handlung des Stücks an sich oder die mögliche Übersetzung?
Musik: Kann die musikalische Umsetzung überzeugen? Gibt es interessante Arrangements? Ist die Orchesterbegleitung rundum stimmig? Muss man bei Akustik oder Tontechnik Abstriche machen?
NICHT: Sind die Kompositionen eingängig und abwechslungsreich? Gibt es Ohrwürmer? Gefällt der Musikstil?
Besetzung: Bringen die Darsteller die Figuren glaubwürdig auf die Bühne? Stimmen Handwerk (Gesang, Tanz, Schauspiel) und Engagement? Macht es Spaß, den Akteuren zuzuschauen und zuzuhören?
NICHT: Sind bekannte Namen in der Cast zu finden?
Ausstattung: Setzt die Ausstattung (Kostüme, Bühnenbild, Lichtdesign etc.) die Handlung ansprechend in Szene? Wurden die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten optimal genutzt? Bieten Bühne und Kostüme etwas fürs Auge und passen sie zur Inszenierung?
NICHT: Je bunter und opulenter ausgestattet, desto mehr Sterne.
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Leider keine aktuellen Aufführungstermine. |
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