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 Abenteuer-Musical
Zorro Doppelleben in Maske und Umhang
© Manja Herrmann
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Wer kennt nicht "Bamboleo", "Baila me" und Co? Alles Welthits der Pop-Flamenco-Formation "Gipsy Kings". Hierzu hat Stephen Clark ein Mantel-und-Degen-Musical geschrieben, das in Ulrich Mokruschs anti-folkloristischem Inszenierungsansatz dem Superhelden Zorro mit einem tollen Cast frisches Leben einhaucht.
(Text: Kai Wulfes) Premiere: | | 23.09.2017 | Rezensierte Vorstellung: | | 23.09.2017 | Dernière: | | 23.06.2018 |
Zwischen wabernden Nebelschwaden treibt der Wind Strohbälle durch die leere Dorf-Gasse. Zu den melancholisch-klagenden Klängen der für den Prolog aus dem Orchestergraben steigenden Gitarristen und Trompeter erhebt sich langsam ein am hinteren Bühnenrand liegendes, überdimensionales Skelett. Wie ein bedrohlicher Totenvogel schwebt der grinsende Knochenmann langsam in den Schnürboden hinauf. In diesem Pueblo im spanischen Vizekönigreich auf dem Boden des heutigen Kaliforniens scheint der Tod allgegenwärtig…
Der gespenstisch anmutende Beginn ist der Auftakt zu Ulrich Mokruschs "Zorro"-Inszenierung, die den Stoff um den degenschwingenden Helden mit Umhang und Maske optisch von jeglicher Folklore-Süßlichkeit befreit. In der von Dorit Lievenbrück entworfenen, Szenerie mit hellen Holzfassaden an den Seiten ist die Bestattungsnische im Bühnenvordergrund mit ihren roten Grablichtern und Kunstblumen der einzige Farbtupfer. Mit wenigen Versatzstücken verwandelt sich dieses Einheitsbühnenbild geschwind in eine Taverne, eine Kirche oder andere Innenräume. Einzig der unterirdische Verschlag, in dem der rechtmäßige Bürgermeister von seinem machtgierigen Sohn gefangenengehalten wird, fährt spektakulär aus dem Bühnenboden heraus.
© Manja Herrmann
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Der hellen Farbgebung der Bühne folgt auch Lievenbrücks geschmackvolles Kostümbild, das sich an lateinamerikanisch-spanischen Vorbildern orientiert und bei den Damen mit Blumenranken und bunten Oberkleidern für knallige Hingucker sorgt. Zusätzliches Flamenco-Flair schaffen die rasanten Choreografien von Andrea Danae Kingston, die nicht nur das Ballett-Ensemble in rassige Neu-Spanierinnen und -Spanier verwandeln, sondern auch den sehr beweglichen Chor geschickt ins tänzerische Geschehen integrieren. Bereits zum schwungvoll choreografierten "Baila me" im ersten Akt gibt es im Zuschauerraum kein Halten mehr. Auch der jugendlich-coole Dirigent Ektoras Tartanis hüpft voller Energie in seinem schwarzen T-Shirt wie elektrisiert vor seinen Musikern im Orchestergraben herum. Und was er aus seiner Band herauskitzelt, ist einfach klasse. Da vibrieren elegant-ekstatisch die Gitarrensaiten, da tupfen die Trompeten pfeffrige Triolen und das Schlagwerk ist so rassig, dass kaum jemand im Publikum zu den poppigen Flamenco-Hits der "Gipsy Kings" die Füße stillhalten mag.
Regisseur Ulrich Mokrusch gelingt das Kunststück, die Inszenierung punktgenau zwischen Drama und Flamenco-Party zu positionieren. Gleichzeitig zeichnet er pointierte Personen-Portraits abseits von Klischee-Typen. Damit entsteht eine rundum gelungene Musical-Interpretation, die sowohl prächtig unterhält, aber auch tragische Momente sehr drastisch auf die Bühne bringt. Eines schafft diese Inszenierung jedoch nicht: Das dramaturgische dünne Buch von Stephen Clark offenbart auch weiterhin seine Schwächen. Ganze Handlungsstränge wie das Anheuern von Diego de la Vega als Diener bei seinem tyrannischen Bruder oder die von Luisa angeführte Revolution der Dorfbewohner laufen ins Leere und verpuffen effektlos.
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Rein vorlagenbedingt steht der Darsteller des Diego de la Vega, der in die Rolle des Rächers Zorro schlüpft, im Zentrum der Aufführung. Vikrant Subramanian aus dem hauseigenen Musiktheater-Ensemble wirkt zunächst etwas plump und hölzern, steigert seine Interpretation im Laufe der Aufführung jedoch zu einer verschmitzt-heldenhaften Darstellung. Wirkt er schon optisch wegen seiner dunklen Hautfarbe und den langen schwarzen Haaren wie der draufgängerische Zorro, so bezaubert er zusätzlich mit leichtem und rundem Bariton in seinen vielfältigen Gesangsaufgaben. Kaum zu glauben, dass Subramaniams Zuhause eigentlich das klassische Opernfach ist. Er gibt eine wirklich tolle Rolleninterpretation.
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Als Diegos diabolischer Bruder gibt Nicky Wuchinger als Ramon einen psychopathisch-verbrämten Schurken, der sein tief verletztes Ego mit Terror, Hass und Gewalt gegen Dritte kompensiert. "Mein Leben – Luisa ", sein großes Solo im ersten Akt, singt er mit knorriger Tiefe und eleganter Höhe. Es ist schade, dass Wuchinger kaum mehr Gesangsparts vergönnt sind. In den abwechslungsreichen, oft überraschenden Fechtchoreografien von Jean-Loup Fourure glänzt er ebenso wie als fies-ränkelnder Despot.
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Zwei weitere auf den Punkt besetzte Musical-Profis bereichern in Bremerhaven den "Zorro"-Cast: Mit zart-sinnlichem Sopran ist Filipina Henoch als Luisa Pulido sowohl eine unglücklich Liebende als auch eine zupackende Frau, die beherzt den Säbel zur Rettung ihrer Liebe schwingt. Dorothea Maria Müller ist die propere, resolute Straßenmusikerin Inez, die mit ihrem erdigerem Sopran die Hitsongs "Baila me" und "Bamboleo" souverän anführt. Henoch und Müller begeistern dabei in vielen Szenen als zackige Tänzerinnen.
"Zorro" gehört nicht unbedingt zu den dramaturgisch ausgefeiltesten Musicals. Andererseits unterhält die Show schon wegen der mitreißenden Musik. Und wenn dann Inszenierung, Ausstattung, Choreografie, musikalische Umsetzung und Cast stimmig sind, dann steht einem gelungenen Musical-Abend nichts mehr im Wege.
(Text: Kai Wulfes)

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Die Kriterien für unsere Kurzbewertungen (Stand: Dezember 2014)
Buch*: Ist die Handlung in sich schlüssig? Kann die Story begeistern? Bleibt der Spannungsbogen erhalten oder kommt Langeweile auf?
NICHT: Besonderheiten der konkreten Inszenierung des Theaters.
Kompositionen*: Fügen die Kompositionen sich gut in das Stück ein? Haben die Songs Ohrwurmcharakter? Passen die gewählten Texte auf die Musik? Transportieren Text und Musik die selbe Botschaft?
NICHT: Orchestrierung, Verständlichkeit des Gesangs der Darsteller in der aktuellen Inszenierung.
* werden nur bei neuartigen Produktionen (z.B. Premiere, deutsche Erstaufführung usw.) vergeben
Inszenierung: Wie gut wurde das Stück auf die Bühne gebracht? Stimmen die Bilder und Charaktere? Bringt der Regisseur originelle neue Ansätze ein?
NICHT: Wie gut ist die Handlung des Stücks an sich oder die mögliche Übersetzung?
Musik: Kann die musikalische Umsetzung überzeugen? Gibt es interessante Arrangements? Ist die Orchesterbegleitung rundum stimmig? Muss man bei Akustik oder Tontechnik Abstriche machen?
NICHT: Sind die Kompositionen eingängig und abwechslungsreich? Gibt es Ohrwürmer? Gefällt der Musikstil?
Besetzung: Bringen die Darsteller die Figuren glaubwürdig auf die Bühne? Stimmen Handwerk (Gesang, Tanz, Schauspiel) und Engagement? Macht es Spaß, den Akteuren zuzuschauen und zuzuhören?
NICHT: Sind bekannte Namen in der Cast zu finden?
Ausstattung: Setzt die Ausstattung (Kostüme, Bühnenbild, Lichtdesign etc.) die Handlung ansprechend in Szene? Wurden die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten optimal genutzt? Bieten Bühne und Kostüme etwas fürs Auge und passen sie zur Inszenierung?
NICHT: Je bunter und opulenter ausgestattet, desto mehr Sterne.
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