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 Satire
The Producers Springtime for Hitler
© Pawel Sosnowski
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"The Producers" - das Musical über einen kalkulierten Flop, der keiner wird, ist in Görlitz alles andere als ein Flop. Hut ab vor dieser aberwitzigen Inszenierung (Sebastian Ritschel), bei der zwei Gäste (Adrian Becker, Daniel Eckert) tolle, hauseigene Solisten des Musiktheater-Ensembles kongenial ergänzen. Absolut empfehlenswert!
(Text: Kai Wulfes) Premiere: | | 20.05.2017 | Rezensierte Vorstellung: | | 25.05.2017 | Letzte bekannte Aufführung: | | 30.12.2017 |
Mit strahlendem Tenor skandiert ein dunkelhäutiger Sturmtruppenmann mit blondiertem Haupthaar und farblich harmonierendem Oberlippenbärtchen "Frühling für Hitler und Vaterland". Allein dieser Mini-Auftritt von Thembi Nkosi führt das Dritte Reich mit seiner kruden Rassen-Ideologie ad absurdum. Doch Regisseur Sebastian Ritschel toppt dies mit dem im Song angekündigten Erscheinen DER Lichtgestalt, die Deutschland, und perspektivisch die ganze Welt, glücklich machen soll: Mit elegantem Hüftschwung schält sich aus dem schlichten Ledermantel eine tuntig-tänzelnde Führer-Parodie in lila Glitzeruniform, die allein der zackige Stechschritt ins Straucheln bringt. Im übergeworfenen weißen Schwanenmantel huldigt dieser "Adolf Elisabeth Hitler" mit rollendem Marlene Dietrich-R sich selbst, während sich seine schwarzuniformierten Mannen und SS-Mädels in Hotpants als Hakenkreuz-Formation drehen. Damit gewährt Ritschel dem Publikum einen fulminant-bitterbös inszenierten Einblick in die Neonazi-Revue, mit der die beiden Broadway-Produzenten Bialystock und Bloom alles andere als einen Flop landen. Ihr Traum vom Ruhestand in Rio platzt, ein optisch an Donald Trump erinnernder Richter schickt beide stattdessen ins Staatsgefängnis Sing Sing.
© Pawel Sosnowski
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Mit seiner temporeichen Inszenierung orientiert sich Ritschel sowohl an der filmischen Vorlage als auch an der deutschsprachigen Erstaufführung der Musicalfassung. Das ist nachvollziehbar, da Figuren wie Franz Liebknecht oder Roger de Bris in ihrer überspitzten Klischeehaftigkeit nur wenig Spielraum für gänzlich neue Charakterisierungen lassen. Er geht allerdings mit frischen Ideen auch eigene Wege. Wenn zum Beispiel bei Max Bialystocks Solo "Der König vom Broadway" Protagonisten wie das Phantom der Oper, Elphaba, Mary Poppins oder Tarzan den nicht mehr ganz so erfolgreichen Broadway-Produzenten umschmeicheln, dann bekommt er vor Augen geführt, welche Ideen seinen Niedergang hätten aufhalten können.
Auch optisch kann sich die Produktion sehen lassen. Gemeinsam mit Barbara Blaschke hat Ritschel ein zweckmäßiges, durch einschwebende Rückwände, Vorhänge und wenige Versatzstücke schnell wandelbares Bühnenbild entworfen. Besonders stimmungsvoll ist dabei Roger de Bris‘ Residenz, die mit ihren den Raum nach hinten begrenzendem Kunstrosen-Meer in Orange und Rosa gehörig schwul-tuffiges Ambiente verströmt. Den Löwenanteil ihres Etats haben beide Ausstatter jedoch in die vielen, sehr schmucken und aufwändigen Kostüme gesteckt, die in der Revue-Sequenz mit Brezel, Bratwurst und Bierkrug das Deutschland-Bild karikieren. Hier liefern auch Dan Pelleg und Marko E. Weigert ihr Meisterstück ab, die als Choreografen Solisten, Opernchor, Tanzcompany und Statisterie geschickt in Aufmärschen und Tableaus arrangieren. Das agile und sehr synchron tanzende Ballett glänzt zudem bei seinen vielen weiteren Auftritten, insbesondere auch im Stepptanz.
Aus dem Orchestergraben erklingt Mel Brooks' Partitur dank der Neuen Lausitzer Philharmonie im satten, launigen Broadway-Sound alter Schule. In der besuchten zweiten Vorstellung hat Dirigent Albert Seidl allerdings mehrfach Mühe, Musiker und Sänger bei den Tempi in Einklang zu bringen. Als Chordirektor hätte er zudem bei der Einstudierung seinen Sängern etwas stärker ihren klassischen Pathos abgewöhnen können. Sowohl die Mitarbeiter im Steuerprüfer-Büro ("Verzweifelt") als auch die Häftlinge im Finale singen ihre Gesangspassagen sehr opernhaft.
© Pawel Sosnowski
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Die sechs ausnahmslos großartig agierenden und singenden Darsteller der Hauptpartien sind der große Trumpf der Görlitzer Produktion. Als erfahrener wie geschäftstüchtiger und mit allen Wassern gewaschener Max Bialystock trifft Stefan Bley auf seinen Produzenten-Partner Leo Bloom, den Daniel Eckert zunächst als weltfremden, völlig verschüchterten Buchprüfer mit hysterischen Angstattacken gibt. Beide sind darstellerisch hervorragend aufeinander eingespielt und mit rundem Bariton beziehungsweise schlankem Tenor nicht nur in "Wir gemeinsam" auch gesanglich eine gute Wahl. Sein großes Solo "Verrat", in dem an Bialystock zum Ende des zweiten Aktes noch einmal das bisherige Geschehen in einzelnen Song-Ausschnitten vorbeizieht, meistert Bley großartig. In der sich unmittelbar anschließenden Ballade "Nur er" glänzt Eckert mit einem brillant ausgesungenen Spitzenton am Schluss.
Mit kühlem skandinavischen Charme, etwas Blondchen-Begriffsstutzigkeit und ihrem feinen Sopran ("Was du hast, das zeig auch") bringt Alison Scherzer als sexy Schwedenhappen Ulla Svaden-Svanson den Hormonhaushalt beider Produzenten gehörig in Wallungen, begeistert aber auch als aufreizende Adlerschönheit in der Nazi-Revue. Scherzers Sopran gleitet dabei mit gewollt schwedischem Akzent mühelos bis in die höchsten Höhen und harmoniert ganz hervorragend im Duett "Ihr Charme" mit Daniel Eckerts Tenor.
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Bayerisch grantelnd und tumb-plump – so gibt Hans-Peter Struppe den taubenzüchtenden Alt-Nazi Franz Liebkind in Lederhosen. Seine beiden Soli, den volkstümelnden "Grüßi-Gott-Plitsch-Platsch" und die flotte Uptempo-Nummer "Horch, da spielt von Fern die Blasmusik", kostet er mit viel Sinn für Komik und seinem großartigen Bartion aus. Komödiantisch richtig Gas geben dürfen auch Adrian Becker und Michael Berner in ihren Rollen als übertrieben exaltierte Regie-Schwuchtel Roger de Bries und dessen gallig-giftiger Lebensabschnitts-Assistent Carmen Ghia. Einen Glanzpunkt setzt Adrian Becker mit de Bris‘ Auftritt als tuntiger Hitler. Hier und in "Mach es warm" singt er mit sicher geführter Baritonstimme.
Darf man sich in Deutschland über die Nazi-Vergangenheit lustig machen, oder ist das geschmack- oder gar pietätlos? In der besuchten Vorstellung sorgte diese Problematik bei einigen Zuschauern zunächst für Irritation, die letztendlich dank des übertrieben satirischen Ansatzes und der tollen Darstellerleistungen in Begeisterung umgeschlagen ist. Das Publikum feiert zu Recht alle Beteiligten.
(Text: Kai Wulfes)

Kreativteam
Besetzung
Produktionsgalerie (weitere Bilder)
Zuschauer-Rezensionen
Die hier wiedergegebenen Bewertungen sind Meinungen einzelner Zuschauer und entsprechen nicht unbedingt den Ansichten der Musicalzentrale.
 1 Zuschauer hat eine Wertung abgegeben:

    31439 Berlin war Top, Schwerin ein Flop! Görlitz wieder ein Top!
31.05.2017 - Frühling für Hitler und Germany!
Ist ein Muss für das Neue Leben der Vergangenheit!
Wir können über Chaplins Hitler lachen, wir müssen nicht die Lager missachten!
In diesem Stück wird Adolf Hitler und Co, verarscht!
Das ist auch gut so!
Leute schaut Vorwärts!
Es ist 70 Jahre her!
Wir sind Deutsche, also seid Deutsche! Schaut in die Zukunft!
Genießt das schöne des Tages!
Heil Dir Selbst!

chef de cuisine (14 Bewertungen, ∅ 3.5 Sterne)

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| Handlung | Als erfolgloser Produzent gewinnt Max Bialystock den schüchternen Buchhalter Leo Bloom für seine Idee, wissentlich einen Misserfolg auf die Bühne zu bringen, um daraus Kapital zu schlagen. mehr Die beiden finden die schlechteste jemals geschriebene Bühnenshow, den schlechtesten Regisseur und die schlechtesten Schauspieler – soweit scheint der Plan zu funktionieren.
Doch die Zuschauer lieben das Stück, der illegale Plan fliegt auf, Max Bialystock wird verhaftet und Leo Bloom setzt sich nach Rio ab. Das schlechte Gewissen und die tiefe Verbindung zwischen Max und Leo bringen den Buchhalter schließlich dazu, sich ebenfalls zu stellen, und die beiden werden für fünf Jahre eingesperrt.
| Weitere Infos | Vom 15. Mai 2009 an war die Produktion des Ronachers im Berliner Admiralspalast zu sehen.
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Die Kriterien für unsere Kurzbewertungen (Stand: Dezember 2014)
Buch*: Ist die Handlung in sich schlüssig? Kann die Story begeistern? Bleibt der Spannungsbogen erhalten oder kommt Langeweile auf?
NICHT: Besonderheiten der konkreten Inszenierung des Theaters.
Kompositionen*: Fügen die Kompositionen sich gut in das Stück ein? Haben die Songs Ohrwurmcharakter? Passen die gewählten Texte auf die Musik? Transportieren Text und Musik die selbe Botschaft?
NICHT: Orchestrierung, Verständlichkeit des Gesangs der Darsteller in der aktuellen Inszenierung.
* werden nur bei neuartigen Produktionen (z.B. Premiere, deutsche Erstaufführung usw.) vergeben
Inszenierung: Wie gut wurde das Stück auf die Bühne gebracht? Stimmen die Bilder und Charaktere? Bringt der Regisseur originelle neue Ansätze ein?
NICHT: Wie gut ist die Handlung des Stücks an sich oder die mögliche Übersetzung?
Musik: Kann die musikalische Umsetzung überzeugen? Gibt es interessante Arrangements? Ist die Orchesterbegleitung rundum stimmig? Muss man bei Akustik oder Tontechnik Abstriche machen?
NICHT: Sind die Kompositionen eingängig und abwechslungsreich? Gibt es Ohrwürmer? Gefällt der Musikstil?
Besetzung: Bringen die Darsteller die Figuren glaubwürdig auf die Bühne? Stimmen Handwerk (Gesang, Tanz, Schauspiel) und Engagement? Macht es Spaß, den Akteuren zuzuschauen und zuzuhören?
NICHT: Sind bekannte Namen in der Cast zu finden?
Ausstattung: Setzt die Ausstattung (Kostüme, Bühnenbild, Lichtdesign etc.) die Handlung ansprechend in Szene? Wurden die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten optimal genutzt? Bieten Bühne und Kostüme etwas fürs Auge und passen sie zur Inszenierung?
NICHT: Je bunter und opulenter ausgestattet, desto mehr Sterne.
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Leider keine aktuellen Aufführungstermine. |
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