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 Filmadaption
Sugar - Manche mögen's heiß Flucht im Fummel
© Sabine Haymann
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Billy Wilders Film "Manche mögen‘s heiß" auf die Bühne zu bringen, ist nicht die schlechteste Idee, schließlich bietet er eine witzige Geschichte und tolle Dialoge. Auch wenn die Musicalversion schon bei der Premiere 1972 musikalisch ziemlich altmodisch daherkam, bietet sie bis in die Nebenrollen Schauspielerfutter vom Feinsten. Klingt nach einer Garantie für einen unterhaltsamen Abend – aber nur, wenn man ein passendes Ensemble und einen Regisseur mit Gefühl für Tempo hat.
(Text: ig) Premiere: | | 30.09.2016 | Rezensierte Vorstellung: | | 16.10.2016 | Letzte bekannte Aufführung: | | 16.04.2017 |
Ein überdimensionaler, liegender Kontrabass füllt den Bühnenraum. Das Innere des drehbaren Korpus' wird je nach Szene als Nachtclub, Zug oder Hotelzimmer benutzt. Das Griffbrett wird zur Rampe, über die man die Oberseite des Korpus' erreichen kann, die noch mehr wechselnde Spielorte erlaubt. Der Bass ist ein ziemlicher Klotz, der sich auf einer ansonsten schwarzen Bühne breit macht. Doch bunte Requisiten und die in allen erdenklichen 20er-Jahre-Klischees des Showbusiness und der Gangsterwelt schwelgenden Kostüme, wie das Bühnenbild entworfen von Thomas Mogendorf, lockern dieser Wuchtigkeit auf.
© Sabine Haymann
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Ganze vier Choreographen – Johannes Blattner, Guido Markowitz, Thomas Münstermann und Janne Geest für den Steptanz – sind an der Produktion beteiligt. Vielleicht wirken die Tänze auch deshalb wenig einheitlich und homogen. Die Asynchronität der Tänzer bei Armbewegungen und Sprüngen scheint nicht gewollt zu sein und die vielen Instrumentalparts werden mit uninspirierten Schrittfolgen mühsam gefüllt. Das Ballett der arbeitslosen Musiker mit als Kontrabässe verkleideten Tänzerinnen ist bizarr und ungelenk, das Gehhilfen-Ballett der alten Millionäre dagegen eine schöne Idee. Aber die Tänzer sehen weder alt aus, noch bewegen sie sich entsprechend gebrechlich.
© Sabine Haymann
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Der Pforzheimer Intendant Thomas Münstermann inszeniert mit viel Aufwand, aber wenig Gespür für Timing und benutzt lieber den Holzhammer als den feinen Pinsel. Manche Szenen ziehen sich unnötig – etwa, wenn Josephine und Daphne versuchen, in ihrem engen Zugbett ihre Nachthemden anzuziehen – und einige Gags werden gnadenlos zu Tode geritten, wie die Verwendung des Kontrabasses als Phallussymbol. Es liegt aber nicht nur am Regisseur, dass die Verwechslungskomödie nicht so recht zünden will. Die Vorlage besteht aus belanglosen Songs, die die Handlung mehr ausbremsen als voranbringen. Ein paar beherzte Kürzungen im Dialog hätten nicht geschadet. Auch das unnötige Einfügen des Beatles-Songs "Octopus's Garden" nach der Pause – noch dazu albern szenisch umgesetzt und von Bienstock-Darsteller Fredi Noël gesungen ohne auch nur eine Note zu treffen – und des Filmsongs "I Wanna Be Loved By You" machen den Abend nicht gerade knackiger.
Jula Zangger darf als Sugar nicht mehr als ein optischer Marilyn-Monroe-Klon sein. Wenigstens versucht sie gar nicht erst, wie das Original zu klingen. Doch sie ist eine – wenn auch sympathische – Fehlbesetzung. Zu keusch, ohne herzliche Naivität oder verspielte Erotik, und den Hang zum Alkoholismus will man ihr auch nicht abnehmen. Ihre leichte Singstimme ist wie ihr ganzes Auftreten: zu brav und wenig prägnant. Die Titelfigur wird so zur blassen Nebenrolle.
© Sabine Haymann
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Allerdings beanspruchen auch zwei sehr dominante Platzhirsche die Bühne für sich: Julian Culemann (Joe / Josephine) und Robert Besta (Jerry / Daphne). Sie sind ein gutes Team, hervorragend aufeinander eingespielt und ergänzen sich in ihrer Unterschiedlichkeit. Julian Culemann darf den smarten Verführer mit dem einschmeichelnden Tenor geben, während Robert Besta die meisten Gags des Stücks abbekommen hat, die er perfekt serviert. Er harmoniert auch sehr gut mit Klaus Geber, der Osgood Fielding ziemlich steif, aber mit spürbarem Spaß verkörpert. Nur sein operngeschulter Bariton ist mit Mikrofonverstärkung zu donnernd-übertrieben und ein akustischer Fremdkörper im Ensemble. Johannes Blattner als Gangsterboss Spats Palazzo spricht einen aufgesetzten und unverständlichen italienischen Akzent, kann aber mit einer eleganten Tanzeinlage beeindrucken. Seine sehr unharmonische Gang besteht aus ständig zappelnden Tänzern und träge schlurfenden Choristen, die mal mit echten, mal mit aufblasbaren Gewehren ausgestattet sind. Ziemlich enervierend sind Lilian Huynen als schlecht gelaunte, ständig "Bienstock!!!" schreiende Bandleaderin Sweet Sue und Fredi Noël als eben dieser Bandmanager Bienstock, der seine Pointen mit zu viel Gestik und übertriebenem Tonfall im Keim erstickt. Zumindest Lilian Huynen kann aber im Gegensatz zu ihrem Bühnenpartner mit einem starken Gesangsauftritt punkten.
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Der Star dieser Produktion sitzt im Orchestergraben: Unter der Leitung von Tobias Leppert bringt die Badische Philharmonie Pforzheim die Partitur mit sattem Bigband-Sound auf den Punkt. Leppert hält ein flottes Tempo ohne hektisch zu werden. In den Gangsterszenen erreichen die Schlagzeuger eine Coolness, die der "West Side Story" Ehre machen würde. Jule Styne hatte bei "Sugar" zwar seinen kreativen Zenit schon überschritten – die Partitur ist eine Wiederholung seiner früheren Erfolge wie "Gypsy" oder "Funny Girl", aber hier klingt sie frisch und energiegeladen. Die Musiker finden den richtigen Tonfall, der Swing geht sofort in die Beine und das alles mit großer Leichtigkeit. Einfach hervorragend!
"Sugar" ist kein Highlight der Musicalgeschichte, aber würde die Pforzheimer Produktion auf der Bühne genauso viel Energie zeigen, wie aus dem Orchestergraben kommt, dann wäre es wenigstens veredelte Konfektionsware.
(Text: Ingo Göllner)

Kreativteam
Besetzung

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Die Kriterien für unsere Kurzbewertungen (Stand: Dezember 2014)
Buch*: Ist die Handlung in sich schlüssig? Kann die Story begeistern? Bleibt der Spannungsbogen erhalten oder kommt Langeweile auf?
NICHT: Besonderheiten der konkreten Inszenierung des Theaters.
Kompositionen*: Fügen die Kompositionen sich gut in das Stück ein? Haben die Songs Ohrwurmcharakter? Passen die gewählten Texte auf die Musik? Transportieren Text und Musik die selbe Botschaft?
NICHT: Orchestrierung, Verständlichkeit des Gesangs der Darsteller in der aktuellen Inszenierung.
* werden nur bei neuartigen Produktionen (z.B. Premiere, deutsche Erstaufführung usw.) vergeben
Inszenierung: Wie gut wurde das Stück auf die Bühne gebracht? Stimmen die Bilder und Charaktere? Bringt der Regisseur originelle neue Ansätze ein?
NICHT: Wie gut ist die Handlung des Stücks an sich oder die mögliche Übersetzung?
Musik: Kann die musikalische Umsetzung überzeugen? Gibt es interessante Arrangements? Ist die Orchesterbegleitung rundum stimmig? Muss man bei Akustik oder Tontechnik Abstriche machen?
NICHT: Sind die Kompositionen eingängig und abwechslungsreich? Gibt es Ohrwürmer? Gefällt der Musikstil?
Besetzung: Bringen die Darsteller die Figuren glaubwürdig auf die Bühne? Stimmen Handwerk (Gesang, Tanz, Schauspiel) und Engagement? Macht es Spaß, den Akteuren zuzuschauen und zuzuhören?
NICHT: Sind bekannte Namen in der Cast zu finden?
Ausstattung: Setzt die Ausstattung (Kostüme, Bühnenbild, Lichtdesign etc.) die Handlung ansprechend in Szene? Wurden die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten optimal genutzt? Bieten Bühne und Kostüme etwas fürs Auge und passen sie zur Inszenierung?
NICHT: Je bunter und opulenter ausgestattet, desto mehr Sterne.
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Leider keine aktuellen Aufführungstermine. |
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