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 Grusical
Der kleine Horrorladen Essenszeit
© Eugen Sommer
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"Im Grünen irgendwo" im Hof der Wasserburg Bad Vilbel geht die fleischfressende Pflanze Audrey 2 in ihrem Horrrorladen in dieser Saison auf Menschenjagd. Dies tut sie erfreulicherweise mit einigen neuen Regieeinfällen, so dass dem häufig gezeigten Stück eine Prise frischer Wind eingehaucht wird. Vieles davon gefällt – auch darstellerisch – jedoch touchieren manche der doch sehr derben, unter dem Tarnmantel des schwarzen Humors eingestreuten Späße die Grenze des guten Geschmacks eines Familien- und Festspielpublikums.
(Text: Jens Alsbach) Premiere: | | 30.06.2016 | Rezensierte Vorstellung: | | 02.07.2016 | Dernière: | | 28.08.2016 |
Die singenden und tanzenden Soulgirls (hier frisch, energiegeladen und erfrischenderweise nicht standardmäßig "amerikanisiert" dargestellt von Janice Rudelsberger, Stefanie Smailes und Anja Backus) leiten durchs Programm und erläutern mit viel guter Laune, was in Mr. Mushniks Laden an der Skid Row vor sich geht. Da machen selbst kleine Details – wie ein Plakat, auf dem Selfies mit Audrey 2 feilgeboten werden – eine Menge Freude.
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Auch die beiden Protagonisten Seymour und Audrey bieten viel Raum, komödiantisches Talent auszuleben, was beide Darsteller im genau richtigen Maße tun. Krisha Dalke mimt den tollpatschigen Nachwuchsblumenhändler tapsig, romantisch-verklärt, aber nicht allzu Slapstick-lastig. Anfangs etwas ungewöhnlich, da man Seymour sonst sehr viel überdrehter und überzogener kennt, aber diese Art der Darstellung schenkt der Rolle mehr Glaubwürdigkeit, was wiederum die Verbindung von Seymour und Audrey stärkt.
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Audrey hätte man sich von Julia-Elena Heinrich allerdings noch etwas knalliger und frecher gewünscht, aber auch Heinrich gefällt mit einer soliden Performance und mit einer angenehmen Gesangsstimme, die auf ausschweifende Phrasierungen verzichtet und die Songs sauber und präzise darbietet. Das "Häuschen im Grünen" überzeugt dabei trotz fehlender untermalender Kulisse.
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Theodor Reichardt als Blumenladenbesitzer Mr. Mushnik hat die undankbarste Rolle des Stückes inne, da sie nicht viel Entfaltungsmöglichkeiten bietet, sehr eindimensional ist und eher langatmige Songs mit sich bringt. Reichardt jedoch spielt seinen Mushnik mit viel Herzblut und gefällt - ähnlich wie Dalke - durch seine eher zurückhaltende Darstellung, die nicht nur auf "Hau drauf"-Humor setzt und so beispielsweise die angebahnte Vater-Sohn-Beziehung bei "Mushnik und Sohn" spannend erscheinen lässt.
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Gleichzeitig hervorragend gespielt, aber auch schwierig von Seiten der Inszenierung erweist sich Raphael Köb als Sadomaso-Zahnarzt Orin Scrivello. Der Darsteller wirkt mit Langhaarperücke wie eine verruchte Version von Udo Lindenberg und tritt von Anfang an schnippisch, frech und bitterböse auf. Darstellerisch stark und pointiert liefert er Audreys Freund als sadistischen Macho ab. Allerdings schießen manche der inszenatorischen Ideen von Christian H. Voss ein wenig über das Ziel hinaus. Obwohl das Stück mit schwarzem Humor gespickt ist und auch sein sollte, sind textliche Variationen wie "Nun schluck!" anstelle von "Nun spuck!" am Ende von "Zahnarzt" unnötig krude und vulgär – gerade wenn der Darsteller bei diesen Zeilen die Köpfe der drei Girls in seinen Schritt drückt. Auch die Fetisch-Kostüme mit Auspolsterungen an diversen Stellen sind nicht unbedingt passend für das Festpielpublikum, das auch aus Familien mit Kindern besteht. Abgesehen davon hätten sie auch gar nicht sein müssen, da die Darstellung von Köb auch ohne diese Untermalung überzeugt.
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Sonja Herrmann als die Stimme von Audrey 2 ist während des ersten Aktes ein wenig flach. Erst im zweiten Teil gewinnt ihre Stimme an Power – es kommt das Gefühl auf, sie habe sich anfangs erst warmsingen müssen. Bei "Gib's mir" und auch im Finale überzeugt ihre rockig-soulige Stimme. Spannend beim "Horrorladen" ist immer die Pflanze als Teil der Kulisse. In Bad Vilbel ist sie anfangs ferngesteuert und bewegt Mund und Hals - eine schöne Alternative zur sonst häufig gewählten Handpuppe. Die große Pflanze ist dann allerdings recht klobig und unbeweglich, bleibt jedoch immer "lippensynchron", was gemessen an der Größe der ausgewachsenen Audrey 2 schon beachtlich ist.
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Am Ende der Show verteilen die Girls kleine Grünpflanzen als "Ableger" von Audrey 2 im Publikum - das Ende einer originellen, teils etwas übertriebenen, aber immer abwechslungsreichen Inszenierung des schwarzhumorigen Musicals.
(Text: Jens Alsbach)

Kreativteam
Besetzung

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| Handlung | Seymour Krelborn, Angestellter in einem Blumenladen in der heruntergekommenen New Yorker Skid Row, züchtet eine eigenartige fleischfressende Pflanze, die sich ausschließlich von Menschenblut ernährt. mehr Je mehr sie wächst, desto größer wird auch ihr Durst, so dass der sadistische Freund von Seymours heimlicher Liebe Audrey und sogar der Ladenbesitzer Mr. Mushnik dran glauben müssen. Schließlich verschlingt die Pflanze auch Audrey und Seymour. Am Ende werden Sprösslinge der Pflanze an alle Blumenläden der Welt verkauft und das Grünzeug übernimmt die Weltherrschaft.
| Weitere Infos | Abgesehen vom Ende ist die Handlung des bekannten Films von 1986 mit der Musicalversion identisch. Aufgrund von negativen Zuschauerreaktionen bei den Filmpreviews ließ Produzent Frank Oz den Schluss nachträglich umschreiben: Seymour besiegt die Pflanze, indem er sie mit Stromschlägen traktiert und schließlich den Laden in die Luft jagt. Anschließend verwirklicht er Audreys Traum und zieht mit ihr in ein Häuschen im Grünen - in der letzten Einstellung ist im Vorgarten des Häuschens eine kleine Audrey II zu sehen, ein Hinweis auf einen möglichen zweiten Teil, der bisher aber nicht realisiert wurde.
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Die Kriterien für unsere Kurzbewertungen (Stand: Dezember 2014)
Buch*: Ist die Handlung in sich schlüssig? Kann die Story begeistern? Bleibt der Spannungsbogen erhalten oder kommt Langeweile auf?
NICHT: Besonderheiten der konkreten Inszenierung des Theaters.
Kompositionen*: Fügen die Kompositionen sich gut in das Stück ein? Haben die Songs Ohrwurmcharakter? Passen die gewählten Texte auf die Musik? Transportieren Text und Musik die selbe Botschaft?
NICHT: Orchestrierung, Verständlichkeit des Gesangs der Darsteller in der aktuellen Inszenierung.
* werden nur bei neuartigen Produktionen (z.B. Premiere, deutsche Erstaufführung usw.) vergeben
Inszenierung: Wie gut wurde das Stück auf die Bühne gebracht? Stimmen die Bilder und Charaktere? Bringt der Regisseur originelle neue Ansätze ein?
NICHT: Wie gut ist die Handlung des Stücks an sich oder die mögliche Übersetzung?
Musik: Kann die musikalische Umsetzung überzeugen? Gibt es interessante Arrangements? Ist die Orchesterbegleitung rundum stimmig? Muss man bei Akustik oder Tontechnik Abstriche machen?
NICHT: Sind die Kompositionen eingängig und abwechslungsreich? Gibt es Ohrwürmer? Gefällt der Musikstil?
Besetzung: Bringen die Darsteller die Figuren glaubwürdig auf die Bühne? Stimmen Handwerk (Gesang, Tanz, Schauspiel) und Engagement? Macht es Spaß, den Akteuren zuzuschauen und zuzuhören?
NICHT: Sind bekannte Namen in der Cast zu finden?
Ausstattung: Setzt die Ausstattung (Kostüme, Bühnenbild, Lichtdesign etc.) die Handlung ansprechend in Szene? Wurden die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten optimal genutzt? Bieten Bühne und Kostüme etwas fürs Auge und passen sie zur Inszenierung?
NICHT: Je bunter und opulenter ausgestattet, desto mehr Sterne.
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Leider keine aktuellen Aufführungstermine. |
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