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 Kultical
The Rocky Horror Show Das ausschweifende Gelage eines außerirdischen Wissenschaftlers
© P. Malianowski
© P. Malianowski
Richard O’Briens abgedrehtes Travestie-Spektakel ist nach seinem letzten Besuch im Jahre 1993 wieder im Kleinen Haus des Gelsenkirchener Musiktheaters im Revier angekommen und wird dem Haus sicherlich wieder einen großen Erfolg bescheren. Vor über 20 Jahren war der Andrang auf die Tickets so groß, dass die Hommage an die Gruselschocker der 1930er Jahre ins Große Haus verlegt wurde. Diesmal steht das Stück mutige 35-mal auf dem Spielplan und erfreut sich schon im Vorfeld guter Auslastungszahlen.
(Text: Thorsten Wulf) Premiere: | | 20.02.2016 | Rezensierte Vorstellung: | | 20.02.2016 | Letzte bekannte Aufführung: | | 10.07.2016 |
Um es kurz zu machen: Auch die 2016er Variante der "Rocky Horror Show" kann rundum begeistern. Fans des schrillen Kult-Musicals kommen in Gelsenkirchen auf ihre Kosten, dürfen singen, tanzen, mitsprechen, alle Rituale ausleben (allerdings ohne echte Lebensmittel) und einfach gruseligen Spaß haben.
Die Kostüme von Andreas Meyer sind fantasievoll und zuweilen erotisch, das Bühnenbild erinnert an eine Industriebrache und lässt erahnen, dass das abgelegene Schloss in Wirklichkeit ein Raumschiff ist. Es ist zwar ein Einheitsbühnenbild - aber mit vielen ansprechenden Details, die immer wieder für Variationen sorgen. Liebevoll ist auch bereits das Foyer dekoriert. Stühle, die wie High Heels aussehen oder alte Filmplakate versetzten das Publikum von Anfang an in die richtige Stimmung.
Die Inszenierung von Johannes Reitmeier ist schnell, schrill, laut und trashig: Wenn Frank’n’Furter Eddie mit einer Motorsäge in seine Einzelteile zerlegt, tut er das mitten auf der Bühne – zwar in einer hereingefahrenen Lore, doch mit viel Blut und herumfliegenden Eingeweiden. Und wenn Janet und Brad nacheinander vom Wissenschaftler verführt werden, geschieht dies zwar hinter der üblichen Schattenwand, doch sind die Gesten sehr eindeutig und ausdauernd. Geht man davon aus, dass das Premierenpublikum hauptsächlich aus geladenen Gästen und (älteren) Abonnenten besteht, mag dies ein Gratmesser für die kommenden Shows sein: Am Premierenabend rastet das Publikum an vielen Stellen förmlich aus, langweilt sich köstlich bei den Ausführungen des Erzählers und tanzt beim Time Warp ausgelassen mit.
Abstriche gibt es an diesem Abend für den Ton. Mikrofone werden zu spät hochgefahren oder bleiben ganz aus, einige Stellen sind übersteuert, zuweilen übertönt die Band die Sängerinnen und Sänger deutlich. Gleichwohl spielt die Fünf-Mann-Band unter der Leitung von Wolfgang Wilger bestens auf, legt ordentliche Tempi hin und beherrscht die Partitur bestens.
Das Ensemble führt der in dieser Rolle erfahrene Henrik Wager an. Ein Volltreffer! Dass er seine Songs einwandfrei beherrscht und mit seiner markanten Stimme sehr hörenswert macht, war ohnehin keine Frage. Doch ist auch sein wunderbar übertriebenes Schauspiel eine wahre Freude, irgendwie widerlich und doch so, dass man hingucken muss.
Rüdiger Frank steht im als Riff-Raff zur Seite. Der Kleinwüchsige setzt bereits in seiner ersten Szene, wenn er Brad und Janet hereinbittet, ein Ausrufungszeichen! Finster und geheimnisvoll jagt er den Zuschauern ein Schauer über den Rücken. Auch Brad und Janet sind kurz davor, wieder umzudrehen, doch das verlobte Pärchen will ja nicht auf sein Bauchgefühl hören...
Gewohnt eröffnet Magenta die Show mit "Science Fiction Double Feature". Hier vorgeschaltet ist eine Szene, in der die Außerirdischen in Raumanzügen auf der Erde landen. So macht Regisseur Johannes Reitmeier gleich von Anfang an auch dem letzten "Rocky Horror"-Neuling im Zuschauersaal klar, dass wir es hier mit einer besonderen Spezies zu tun haben. Christa Platzer, die seit 2008 festes Ensemblemitglied ist, füllt die Rolle der Magenta wunderbar aus und zeigt wieder einmal ihre Wandelbarkeit. Wer sie beispielsweise in der Spielzeit 2013/14 in der herausragenden Gelsenkirchener "Cabaret"-Inszenierung als Frl. Schneider gesehen hat, der weiß, wie weit der Weg von der älteren Dame hin zur abgespacten, flippigen Magenta ist. Ebenfalls ein Volltreffer!
Erwähnenswert ist sicherlich auch Joachim G. Maaß als Erzähler. In jeder Szene trägt er ein anderes Kostüm und springt so in viele kleine Rollen. Mal als Ruhrpott-Opa, der aus dem Fenster schauend die Szene kommentiert, mal als Arzt und mal in feinem Zwirn mit einem Martini in der Hand. Stets erträgt Maaß die nicht enden wollenden Kommentare des Publikums tapfer und hat sichtlich Spaß daran.
Bele Kumberger und Tim Al-Windawe sind das schüchterne Paar auf der Suche nach einem Telefon. Beide sind rollendeckend besetzt, auch wenn Al-Wandawe die Wandlung vom schüchternen Nerd hin zum feierfreudigen Strapsträger besser gelingt. Rocky ist gewohnt wenig bekleidet, golden bemalt und entwickelt sich in kürzester Zeit von einer verstörten Kreatur hin zu einem Mann mit sexuellen Bedürfnissen. Christian Funk erfüllt alle Anforderungen an diese Rolle – nicht nur den einwandfrei gestählten Körper. Auch alle weiteren Rollen – und es stehen zwanzig Leute auf der Bühne – sind einfach gut besetzt. Abgerundet wird das Bild durch Seân Stephens geschmeidige Choreografien, die sich unaufdringlich und doch betrachtenswert in die Gesamtszenerie einfügen.
Gelsenkirchen macht mal wieder alles richtig: Oft wird für "Cabaret" oder die "Rocky Horror Show" ausschließlich das Schauspielensemble bemüht. Das ist für die Ohren selten erfreulich. Hier besetzt man aus dem Gesangsensemble und castet Gäste aus dem Bereich Musical hinzu. So geht das!
(Text: Thorsten Wulf)

Kreativteam
Besetzung

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| Handlung | Nach einer Reifenpanne landet das prüde Pärchen Brad Majors und Janet Weiss auf dem Schloss des exzentrischen Wissenschaftlers Dr. mehr Frank 'n' Furter. Dieser nutzt die Gewitternacht, um seinen Traumliebhaber aus allerlei Zutaten (unter anderem Körperteilen seines Ex-Gelieben) zu erschaffen. Faszniert und angewidert zugleich lassen sich Brad und Janet in die kuriose Welt ziehen und schrecken schließlich auch nicht vor sexuellen Abenteuern zurück. Die Dienerschaft hat jedoch genug von diesem rücksichtslosen Verhalten und strengt noch in derselben Nacht eine Revolte gegen den Schlossherrn an, um zum Heimatplaneten Transylvania zurückkehren zu können.
Musik und Songtexte stammen von Richard O'Brien, der häufig auch in die Rolle des Dieners Riff Raff schlüpfte. Die Premiere fand am 16. Juni 1973 im The Royal Court Theatre Upstairs, der Studiobühne des Royal Court Theatres in London, statt. 1975 wurde die Verfilmung als "The Rocky Horror Picture Show" in die Kinos gebracht.
Berühmte Darsteller der Uraufführung waren unter anderem Tim Curry als Frank 'n' Furter, Richard O'Brien als Riff Raff und Little Nell als Columbia.
In der Filmversion übernahmen diese drei ebenfalls die gleichen Rollen und verhalten dem Film zu Kultstatus. Curry und O'Brien sind heute noch das Urbild von Frank 'n' Furter und Riff Raff. Neben diesen Darstellern waren zusätzlich Meat Loaf als Eddie und Susan Sarandon als Janet zu sehen.
Die "Rocky Horror Show" wie auch "The Rocky Horror Picture Show" leben ihren Kultstatus vor allem durch die Interaktion des Publikums. Fliegender Reis, der Einsatz von Wasserpistolen, Gummihandschuhen, Zeitungshüten und rollenspezifische Kostüme sind keine Seltenheit. Ein Versuch von Richard O'Brien, die Show wieder zu einem normalen Theaterstück zu machen, scheiterte aufgrund es Widerstands des Publikums im Jahr 2007 kläglich.
Ergänzend ein kleiner Mitmach-Guide zur Bühnenversion. Bitte darauf achten, dass z.B. Wasserpistolen und vor allem offenes Feuer in Theatern ungerne gesehen sind, OpenAir sind sie meist kein Problem. Toastbrotscheiben sind meist aus hygienischen Gründen verboten.
Reis: Brad und Janet besuchen zu Beginn des Stücks die Hochzeit von Ralph und Betty. Wenn die beiden aus der Kirche kommen, darf ordentlich Reis geworfen werden.
Wasserpistolen/Zeitungen: Brad und Janet machen sich auf den Weg zu Ihrem ehemaligen Professor Dr. Scott. Dabei geraten sie in ein Gewitter. Zeit für die Wasserpistolen und Hüte aus Zeitungen.
Taschenlampe/Wunderkerzen: ... und schon wenige Sekunden später sehen sie das Schloss von Frank'N'Further. Im Song erklingt "There's a light" und Taschenlampen/Wunderkerzen unterstützen das Bild.
Tröten: Einige Zeit später hält Frank'N'Further seine Schicksalsrede und endet mit (z.B. "Ich halte den Schlüssel des Lebens in meinen Händen"). Wir nehmen sie nicht so ganz ernst und tröten los.
Gummihandschuh: Im Labor angekommen zieht sich Frank seine Handschuhe an/aus. In dem Moment, in dem er damit schnalzt, darf auch das Publikum es ihm gleich tun.
Klopapier: Frank'N'Further hat mit Rocky den für sich perfekten Mann geschaffen. Meist erscheint er wie eine Mumie und wird ausgewickelt. Was liegt näher, als mit Klopapier zu werfen? Tipp: Das Papier zunächst etwa 2 Meter abwickeln, das Ende festhalten und dann die Rolle werfen. Macht natürlich von hinten nach vorne bzw. vom Rang am meisten Spaß.
Reis/Konfetti: Wohl dem, der nicht den ganzen Reis bereits in der ersten Szene geworfen oder noch Konfetti dabei hat. Wenn Frank und Rocky in die Hochzeitsnacht entschwinden, bricht der zweite Reis/Konfettisturm los.
Glöckchen: In "Planet Schmanet" heißt es genau hinhören. Ein einziges Mal im Song kommt die Stelle "When we made it, did you hear a bell ring?". Wer das Glöckchen schnell genug gezückt hat, bimmelt los.
Spielkarten: Die Geschichte entwickelt sich nicht zu Franks Vorteil und er stimmt "I'm Going Home" an. Darin singt er auch von "Cards of Sorrow, Cards of Pain". Mit zwei Fingern wie eine Frisbee geschnippte Spielkarten fliegen besonders gut.
Mitmachspielchen im Text:
Der Erzähler unterbricht die Handlung des Stücks regelmäßig und deutet sie. Die Texte sind manchmal etwas langatmig. Da kommt ein beherztes "BORING!" (Langweilig!) gerade recht. Wann entscheidet jeder Zuschauer für sich. Unser Tipp ist, den Erzähler zunächst ein paar Sätze erzählen zu lassen, dann passt's besser als wenn er schon beim Betreten der Bühne mit "BORING!" übertönt wird.
Eddy hat kein wirkliches Glück im Stück und scheidet so viel zu früh dahin. Aber darüber spricht man nicht. Immer wenn irgendwo im Text der Name "Eddy" fällt, machen wir "Schhhhhhh...." oder "Psssssst".
Der richtige Name "Dr. von Scott" ist den wenigsten bekannt. So wird er immer nur "Dr. Scott" genannt. Den kennen wir allerdings nicht. Daher rufen wir immer, wenn "Dr. Scott" in einem Text aufkommt "Who?!" ("Huu'?").
Im Laufe der Geschichte gibt es eine Szene, die die Konzentration des Publikums auf die Probe stellt. Nämlich genau dann, wenn Dr. Scott, Eddy, Brad und Janet aufeinandertreffen.
Echte Fans kommen gerne verkleidet. Dabei stehen vor allem die Charaktere Frank'N'Further, Magenta, RiffRaff und Rocky hoch im Kurs. Eher selten sieht man einen Brad oder eine Janet. Wer sich nicht enscheiden kann, kann immer auch als Transilvanian kommen. Dabei ist fast alles erlaubt, das schräg ist. Am Besten einfach einen Blick in den Film oder die Bildersuche bei Google werfen. Geschminkte Lippen und Augen sind bei Männern keine Seltenheit und es darf auch (passend zur Rolle) Haut gezeigt werden.
Der Einsatz der Requisiten ist je nach Publikum und Theater unterschiedlich. Echte Fans haben (fast) alles dabei, andere nur Klopapier und Reis. Die meisten Theater wissen was auf sie zukommt und nehmen die Einlasskontrollen daher weniger ernst, es gab schon Aufführungen, in denen die Taschen verkleideter Zuschauer nicht durchsucht wurden, aber die der Anzugträger. Wichtig ist, die Regeln des Theaters (z.B. kein Feuer) einzuhalten. Spannend sind vor allem die Momente, in denen unwissende Zuschauer von den Ritualen überrascht werden. Die meisten nehmen es mit Humor. Beim Einsatz der Mitbringsel gillt: Gemeinsam Spaß haben steht ganz oben. Also keinen Wasserstrahl direkt in den Nacken des Vordermanns richten, nicht mit Taschenlampen in die Augen blenden usw. Wer das beherzigt, wird schnell Teil der Show und verbringt einen sehr interaktiven Theaterabend.
(Im Lexikon findet sich neben weiteren Infos auch ein Mitmach-Guide mit allen wichtigen Mitbringseln zur Show)
| Weitere Infos | (Im Lexikon findet sich neben weiteren Infos auch ein Mitmach-Guide mit allen wichtigen Mitbringseln zur Show)
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Die Kriterien für unsere Kurzbewertungen (Stand: Dezember 2014)
Buch*: Ist die Handlung in sich schlüssig? Kann die Story begeistern? Bleibt der Spannungsbogen erhalten oder kommt Langeweile auf?
NICHT: Besonderheiten der konkreten Inszenierung des Theaters.
Kompositionen*: Fügen die Kompositionen sich gut in das Stück ein? Haben die Songs Ohrwurmcharakter? Passen die gewählten Texte auf die Musik? Transportieren Text und Musik die selbe Botschaft?
NICHT: Orchestrierung, Verständlichkeit des Gesangs der Darsteller in der aktuellen Inszenierung.
* werden nur bei neuartigen Produktionen (z.B. Premiere, deutsche Erstaufführung usw.) vergeben
Inszenierung: Wie gut wurde das Stück auf die Bühne gebracht? Stimmen die Bilder und Charaktere? Bringt der Regisseur originelle neue Ansätze ein?
NICHT: Wie gut ist die Handlung des Stücks an sich oder die mögliche Übersetzung?
Musik: Kann die musikalische Umsetzung überzeugen? Gibt es interessante Arrangements? Ist die Orchesterbegleitung rundum stimmig? Muss man bei Akustik oder Tontechnik Abstriche machen?
NICHT: Sind die Kompositionen eingängig und abwechslungsreich? Gibt es Ohrwürmer? Gefällt der Musikstil?
Besetzung: Bringen die Darsteller die Figuren glaubwürdig auf die Bühne? Stimmen Handwerk (Gesang, Tanz, Schauspiel) und Engagement? Macht es Spaß, den Akteuren zuzuschauen und zuzuhören?
NICHT: Sind bekannte Namen in der Cast zu finden?
Ausstattung: Setzt die Ausstattung (Kostüme, Bühnenbild, Lichtdesign etc.) die Handlung ansprechend in Szene? Wurden die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten optimal genutzt? Bieten Bühne und Kostüme etwas fürs Auge und passen sie zur Inszenierung?
NICHT: Je bunter und opulenter ausgestattet, desto mehr Sterne.
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Leider keine aktuellen Aufführungstermine. |
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