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 Musical-Komödie
Zwei hoffnungslos verdorbene Schurken Dirty Rotten Scoundrels
© Andreas Etter
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Das Junge Staatsmusical Wiesbaden stemmt mit "Zwei hoffnungslos verdorbene Schurken" erneut eine deutschsprachige Erstaufführung und setzt damit den dortigen Trend fort, neue und selten gespielte Stücke zu zeigen. Die dynamische Produktion unter der versierten Regie von Iris Limbarth punktet dabei in vielen Bereichen und erreicht ein hohes Niveau.
(Text: Hardy Heise) Premiere: | | 12.09.2015 | Rezensierte Vorstellung: | | 12.09.2015 | Letzte bekannte Aufführung: | | 03.07.2016 |
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Die an der mondänen französischen Südküste spielende Geschichte zweier reiche Frauen ausnehmender Hochstapler aus dem Jahr 2004 hatte sowohl am Broadway als auch im West End keinen durchschlagenden Erfolg. Warum eigentlich? Schließlich bietet das Stück aus der Feder von David Yazbek und Jeffrey Lane doch eine amüsante, abwechslungsreiche Geschichte mit schwungvoller Musik im Jazz- und Swing-Sound. Allerdings hat diese wenig Ohrwurmcharakter und das Buch weist mitunter Längen auf. Ein Beispiel hierfür ist die Szene Mitte des ersten Aktes, in der die heiratswillige Jolene mit Hilfe des beschränkten Bruders Ruprecht erfolgreich in die Flucht geschlagen wird. Diese ist zwar – in Wiesbaden ausgestattet mit WC und Gefängnisbett - belustigend, jedoch bremst sie durch ihre enorme Dauer die Handlung. Der zweite Teil ist inhaltlich wesentlich dichter als der erste.
Die Inszenierung füllt mit dem 25-köpfigen Ensemble die Bühne des Kleinen Hause im Hessischen Staatstheater gut aus. Hervorragende Szenen entstehen, wenn die gut eingespielte Company gemeinsam singt und tanzt. Dies ist auch den mit Hebefiguren gespickten Choreografien Myriam Lifkas zu verdanken, die geschickt alle Mitwirkenden in Szene setzt. Dazu kommen die vornehmen Kostüme von Heike Korn mit den eindrucksvollen wallenden, eleganten Kleidern und großen Hüten mancher Damen, die teilweise durch große Federn ergänzt werden.
Auf der leicht erhöhten Hinterbühne, die von links und rechts durch Treppen mit breiten Stufen zu erreichen ist, nehmen die Musiker unter der Leitung von Frank Bangert in einer Art beleuchteten Bilderrahmen Platz. Die 10-köpfige Band spielt schmissig und präzise. Dem sensiblen Zuhörer fehlt dennoch vereinzelt der akustische Sound-Feinschliff.
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Das multifunktionale Bühnenbild von Britta Lammers lebt davon, dass die Akteure diverse Bühnenteile wie Sofas, Palmen, Schreibtische oder die Hotel-Rezeption selbst hinein- und herausfahren. Dazu öffnen und schließen sich verschiedene Vorhänge. Die Umbaupausen überbrücken im ersten Akt geschickt Zwischenszenen im vorderen Bühnenbereich, worauf zum Ende hin bedauerlicherweise verzichtet wird.
Die Hauptrollen verlangen durch viele witzige Dialoge Vollblutkomiker mit sehr gutem Timing. In der zentralen Figur des Lawrence Jameson überzeugt Norman Hofmann gesanglich mit sicherer Stimme. Schauspielerisch agiert er mit den stets gleichen Gesten recht aufgesetzt tuntig, was kaum zur Figur passen will. Es fehlt ihm schlichtweg die notwendige Reife für die Rolle des cleveren und routinierten Heiratsschwindlers. Einige der besten Pointen werden hierdurch verschenkt. Rainer Maaß gelingt die Darstellung seines Schülers und später Gegenspielers Freddy Benson wesentlich subtiler. Seine feine Mimik passt perfekt, vor allem bei den Szenen im Rollstuhl. Fantastisch wie er den Mund verzieht, wenn Lawrence ihn mit einem Stock auf seine vermeintlich gefühllosen Beine schlägt. Dazu singt er mit angenehmer voller Tenorstimme und spielt seinen Charakter am Anfang herrlich ordinär.
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Nina Links profitiert von ihrer Musicalausbildung. Die große, schlanke Darstellerin gibt eine wunderbar naive US-Seifenkönigin Christine Colgate mit leicht gehauchter Popstimme. Den Wandel ihrer Rolle am Ende stellt sie überzeugend dar. Als dem angeblichen Prinz verfallene, verführerische Muriel Eubanks ist das langjährige Ensemblemitglied Felicitas Geipel jedoch der Star des Abends. Bei jedem ihrer stets in schicker Robe ausgestatteten Auftritte gehört ihr dank ausdrucksstarkem Spiel und vielschichtigem Humor die Bühne voll und ganz. Daneben muss sich ihr Partner Peter Emig als André Thibault ganz schön strecken. Er neigt zum Overacting, was der Rolle von Lawrences Butler allerdings gut steht. Ihre gemeinsamen köstlichen Auftritte im zweiten Akt gehören zu den Highlights der Show. In diversen Nebenrollen wie dem Ansager im Zug, der Spieluhr und dem Schuhplattler-Tänzer ist David Rothe, einer der jüngsten der Gruppe, sehr präsent und avanciert zum Publikumsliebling.
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Iris Limbarth holt aus diesem Ensemble alles heraus und hebt somit diese Aufführung auf das Niveau professioneller Inszenierungen. Die Spielfreude der Darsteller dabei überträgt sich ausnahmslos auf die Zuschauer.
Zum Ende jubeln Betrachter, Akteure und Kreative. Das Junge Staatsmusical hat einen neuen Erfolg auf dem Spielplan. Ein Besuch des Stückes im prunkvollen Hessischen Staatstheater ist trotz kleiner Schwächen in der Vorlage und in wenigen Komponenten der Umsetzung alles andere als hoffnungslos. Auch Schurken haben ihren Reiz – diese jedenfalls. Chapeau.
(Text: Hardy Heise)

Verwandte Themen: Hintergrund: Interview mit Iris Limbarth (06.10.2015)
Kreativteam
Besetzung
Produktionsgalerie (weitere Bilder)
Zuschauer-Rezensionen
Die hier wiedergegebenen Bewertungen sind Meinungen einzelner Zuschauer und entsprechen nicht unbedingt den Ansichten der Musicalzentrale.
 1 Zuschauer hat eine Wertung abgegeben:

    31139 Alles top, außer das Musical
04.07.2016 - Es ist sicher anerkennenswert, dass das Junge Staatsmusical des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden mit ZWEI HOFFNUNGSLOS VERDORBENE SCHURKEN eine Deutschlandpremiere präsentiert.
Allerdings wäre es auch kein all zu großer Verlust, wenn dieses sehr leichte - eigentlich schon flache - Stück Musiktheater auf keiner deutschen Bühne zu sehen wäre.
Dem zu Grunde liegenden Material mangelt es an eingängiger, mitreißender Musik und an Texten und Pointen mit Tempo, Witz und Esprit.
Für dieses Stück spricht aber die sorgfältige, liebevolle und professionelle Inszenierung des Jungen Staatsmusicals.
Das schnell wandelbare, bonbonbunte Bühnenbild und die vielen mondänen Kostüme bieten etwas fürs Auge.
Die Choreografie, die mit nicht sonderlich komplexen Schrittfolgen, dass große Ensemble bühnenfüllend, synchron und temperamentvoll auf Trab hält, gefällt auch bestens.
Die einzelnen Rollen sind auch ausnahmslos treffend und kompetent besetzt.
In kleineren Rollen und im Ensemble brillieren verlässliche Größen wie Nina Links, Benjamin Geipel, Rainer Maaß und Peter Emig.
Die tragenden Säulen des dieser Gauner-gegen-Gauner-Geschichte werden von Tim Speckhardt und Johannes Kastl herausragend gut gesungen und nach Möglichkeiten gut gespielt. (Das Problem liegt, wie bereits geschrieben, an Buch und Text, die oftmals kaum über schwerfälligen Klamauk herauskommen.)
Auch Anna Heldmaier macht aus ihrer Rolle als Christine Colgate, das beste, ist charmant und auf den Punkt.
Ein ganz großes Kompliment an den wunderbaren David Rothe, der in einem irrwitzigen Tempo durch eine Vielzahl von Nebenrollen tanzt, schuhplattelt, jodelt,musiziert und dafür verdienten Szenenapplaus erhält.
Insgesamt sind es dann die gelungenen Aspekte dieser Inszenierung und das talentierte, mit ansteckender Spielfreude agierende Ensemble auf der Bühne, die den Abend tragen und in positiver Erinnerung bleiben.

kevin (199 Bewertungen, ∅ 3.3 Sterne) 
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Die Kriterien für unsere Kurzbewertungen (Stand: Dezember 2014)
Buch*: Ist die Handlung in sich schlüssig? Kann die Story begeistern? Bleibt der Spannungsbogen erhalten oder kommt Langeweile auf?
NICHT: Besonderheiten der konkreten Inszenierung des Theaters.
Kompositionen*: Fügen die Kompositionen sich gut in das Stück ein? Haben die Songs Ohrwurmcharakter? Passen die gewählten Texte auf die Musik? Transportieren Text und Musik die selbe Botschaft?
NICHT: Orchestrierung, Verständlichkeit des Gesangs der Darsteller in der aktuellen Inszenierung.
* werden nur bei neuartigen Produktionen (z.B. Premiere, deutsche Erstaufführung usw.) vergeben
Inszenierung: Wie gut wurde das Stück auf die Bühne gebracht? Stimmen die Bilder und Charaktere? Bringt der Regisseur originelle neue Ansätze ein?
NICHT: Wie gut ist die Handlung des Stücks an sich oder die mögliche Übersetzung?
Musik: Kann die musikalische Umsetzung überzeugen? Gibt es interessante Arrangements? Ist die Orchesterbegleitung rundum stimmig? Muss man bei Akustik oder Tontechnik Abstriche machen?
NICHT: Sind die Kompositionen eingängig und abwechslungsreich? Gibt es Ohrwürmer? Gefällt der Musikstil?
Besetzung: Bringen die Darsteller die Figuren glaubwürdig auf die Bühne? Stimmen Handwerk (Gesang, Tanz, Schauspiel) und Engagement? Macht es Spaß, den Akteuren zuzuschauen und zuzuhören?
NICHT: Sind bekannte Namen in der Cast zu finden?
Ausstattung: Setzt die Ausstattung (Kostüme, Bühnenbild, Lichtdesign etc.) die Handlung ansprechend in Szene? Wurden die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten optimal genutzt? Bieten Bühne und Kostüme etwas fürs Auge und passen sie zur Inszenierung?
NICHT: Je bunter und opulenter ausgestattet, desto mehr Sterne.
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