 Klassiker
West Side Story One Hand, One Heart
© Sabine Haymann
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"West Side Story" – ein moderner Klassiker und als solcher gern gesehener Publikumsmagnet auf deutschen Bühnen. In seiner gekonnt inszenierten Fassung besetzt das Theater Pforzheim talentierte Jungdarsteller und weist sich einmal mehr als feste Größe in der deutschen Musicallandschaft aus.
(Text: krd) Premiere: | | 03.10.2015 | Rezensierte Vorstellung: | | 27.10.2015 | Letzte bekannte Aufführung: | | 07.04.2017 |
Was wäre, wenn "Romeo und Julia" in der Gegenwart spielte? Für Jerome Robbins stand diese Frage am Anfang dessen, was einmal "West Side Story" werden würde: Die tragische Liebesgeschichte erwächst fernab der Renaissance-Paläste von Verona, in der Kälte und Anonymität des New Yorks der 1950er-Jahre. Eben diese soziale Kälte und Härte der Großstadt steht im Fokus der Neuinszenierung am Theater Pforzheim.
© Sabine Haymann
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Es ist schwer, einem vielgespielten Klassiker wie der "West Side Story" neue Facetten abzugewinnen. Darauf legt es Regisseur Thomas Münstermann auch gar nicht an. Seine Interpretation dreht sich, einfach und ehrlich, um die aufkeimende Liebe zweier Jugendlicher inmitten hasserfüllter Bandenkriege. Die Bühne von Dirk Steffen Göpert arbeitet mit ratternden Baugittern und Halfpipes, zwischen Autowracks und Sportkäfigen. Damit trifft Göpert nicht nur die Tristesse des Asphaltdschungels, seine Bühne passt sich auch exzellent in die verwinkelte Struktur des Pforzheimer Theaterbaus ein. Durch seine Hebetechnik wird der Orchestergraben zum fahrbaren Bühnenelement, während das beachtliche Orchester der Badischen Philharmonie Pforzheim unter der Leitung von Markus Huber halb-verdeckt im hinteren Bereich der Bühne Platz findet. Während des Stückes bleibt es präsent und macht durch seinen vollen und beschwingten Klang der Partitur Bernsteins alle Ehre, in den swingenden Passagen ("Cool") wie auch in den großen sinfonischen Kompositionen ("Tonight").
© Sabine Haymann
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Choreograf Guido Markowitz distanziert sich deutlich von den Ballettsprüngen und Pirouetten von Jerome Robbins‘ Originalfassung. Stattdessen nutzt er Streetdance-Elemente, lässt beide Straßenbanden sich an der Halfpipe hochrangeln und über den Boden rutschen. Markowitz‘ Choreografien wirken damit nicht nur frisch und modern, sie werden auch den Möglichkeiten des Ensembles gerecht, in dem sich Chorsänger und Tänzer mischen.
In seiner Besetzungsliste baut das Theater Pforzheim auf junge und noch recht unbekannte, aber nicht weniger exzellente Darsteller. Den Tony spielte in der besuchten Vorstellung Julian Culemann (alternierende Besetzung: Johannes Strauß). Auch wenn man Culemanns Stimme zeitweise noch die Aufregung und fehlende Erfahrung anmerkt (sein "Something‘s Coming" ist etwas brüchig), so bringt er die unschuldige Stürmigkeit Tonys überzeugend auf die Bühne. Bereits im zweiten Solo "Maria" meistert er auch die schwierigen Sprünge ins Falsett.
Natasha Young, als klassischer Sopran ausgebildet, spielt eine exzellente Maria mit neckischer Verspieltheit und großen Gefühlen im zweiten Akt. Vor allem ihr "I Have a Love" ist herzzerreißend schön. Culemann und Young harmonieren sehr gut und wirken zu keiner Zeit unglaubwürdig. Das gemeinsame "Tonight" ist erwartungsgemäß eines der großen Highlights des Abends.
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Mit Lilian Huynen besetzt Pforzheim eine seiner Stammschauspielerinnen in der Rolle der Anita. Huynen legt ihre Rolle gesanglich überraschend tief an und erwirkt dadurch spannende Akzente im Zusammenklang mit Maria in "A Boy Like That" und Rosalia (Danielle Rohr) in "America". Etwas steif bleibt Tobias Bode als Jets-Anführer Riff.
Selbst wenn die Pforzheimer "West Side Story" dem Publikum an manchen Stellen mehr zumuten könnte – so gerät die Vergewaltigungsszene ungewollt comichaft und der Bandenkampf etwas schwach – ist das Gesamtbild doch mehr als überzeugend. Mit dieser gelungenen Inszenierung beweist das Theater Pforzheim einmal mehr, dass es in Sachen Musical eine feste Größe im Südwesten Deutschlands geworden ist.
(Text: Dominic Konrad) 
Kreativteam
Besetzung
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