Konstantin Zander, Cheryl Lichter, Rob Pelzer, Daniela Dett © Barbara Palffy
Konstantin Zander, Cheryl Lichter, Rob Pelzer, Daniela Dett © Barbara Palffy

Into the Woods (2016)
Landestheater, Linz

Kreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
 

Unter der Regie von Matthias Davids, künstlerischer Leiter der Musical-Sparte, zeigt das Landestheaters Linz eine gelungene Aufführung von Stephen Sondheims Märchen-Musical. Das Ensemblestück ohne klassische Hauptrollen eignet sich wunderbar für die eingespielte Company, die hervorragend agiert.

Das Theater Linz ist eines der wenigen Häuser im deutschsprachigen Raum, die mit einer eigenen Musical-Company aufwarten können. Das zahlt sich aus: Dem sehr homogenen, spielfreudigen und auf hohem Niveau agierenden Ensemble ist deutlich anzumerken, dass die meisten Mitglieder seit längerem zusammen auf der Bühne stehen. Das vor drei Jahren neu erbaute Musiktheater Volksgarten wartet nicht nur mit exzellenter Akustik auf, sondern hält auch ein spannendes Extra bereit: Über kleine Touchscreen-Bildschirme an den Vordersitzen, die Informationen über das Stück liefern und die auf Wunsch während der Aufführung die kompletten Texte in Deutsch und Englisch anzeigen, erlebt der Zuschauer ein ganz neues, nahezu sich selbst konfiguriertes und interaktives Theatererlebnis.

Mit “Company” wagte sich das Haus 2015 erstmals an ein Sondheim-Stück und präsentiert nun sein “Into the Woods”, das verschiedene Märchen über die Rahmenhandlung eines kinderlosen Bäcker-Ehepaares geschickt zusammengeführt und weitererzählt. Spätestens seit der 2014er Verfilmung mit Meryl Streep und Johnny Depp hat das Stück seinen Bekanntheitsgrad auch hierzulande gesteigert. Gespielt wird die deutschen Übersetzung von Michael Kunze, bei der erfreulicherweise viele von Sondheims genialen Wortspielen gekonnt übertragen wurden.

Das Kreativ-Team um Matthias Davids hat das Stück bereits in der Spielzeit 2010/11 am Staatstheater Kassel erfolgreich auf die Bühne gebracht und wiederholt dies nun in Linz mit anderen Darstellern und geringfügig geänderten Kostümen. Davids Inszenierung betont die komische Seite des Stückes. Dass das hohe Tempo des ersten Teils im zweiten Teil gebremst wird, ist der Vorlage geschuldet: Hier ist die Musik düster und es wird mehr Wert auf die Dynamik und Beziehungen der Charaktere gelegt.

Musikalisch ist die anspruchsvolle Partitur, die typisch Sondheim oft disharmonisch und damit eher musicaluntypisch ist, bei Daniel Spaw und dem Bruckner Orchester Linz in besten Händen. Es wird bei optimaler Abmischung von Gesang und Musik ein voller Klang erreicht, der ein Hörgenuss ist. Sound-Effekte wie das Schmatzen der Kuh und das Pferdegetrappel werden ebenfalls von den Musikers live statt per steriler Computer-Technik eingefügt, was für Authentizität und Dynamik im Klang sorgt.

Simon Eichenbergers Choreografien fügen sich mit wenigen Schritten und ein paar Sprüngen sehr gut in die einzelnen Szenen und damit in die Handlungsstränge ein. Die beiden Prinzen erfreuen hierbei in ihren amüsanten Szenen mit vielen übertriebenen synchronen Theatergesten.

Überdimensionale, bewegliche Streichhölzer, deren Köpfe bis in den Bühnenhimmel hineinragen, bilden die symbolträchtige Basis für das Bühnenbild von Mathias Fischer-Dieskau. Damit werden in dem nur aus Streichhölzern dargestellten Wald immer wieder neue Spielorte geschaffen. In Gänze zu sehen ist nur das rechts vor der Bühne platzierte Streichholz, dessen Kopf im zweiten Teil rot glüht. Auf diesem wird das Gesicht von Aschenputtels Mutter in den Szenen an ihrem Grab projiziert. Einige der Streichhölzer sind im Verlauf der Aufführung umgeknickt. Die Projektionen im Hintergrund führen den Wald logisch fort und erreichen so eine große Tiefe. Sehr gut gelungen sind dabei die Erschütterungen der Projektionen durch das nicht sichtbare Voranschreiten der Riesin, begleitet von tiefem Bass-Sound und synchronem Schwanken der Darsteller. Die drei Häuschen der Dorfbewohner sind zudem aus hochwertig gearbeiteten Streichholzschachteln dargestellt. Ein großes abgebranntes Streichholz im zweiten Akt und ein gewaltiger Zigarettenstummel, den die Riesin bedrohlich von der Bühnendecke fallen lässt, ergänzen das Bühnenbild in der Darstellung des Waldes. Amüsant ist die kleine Blumenwiese in der Szene mit den Wölfen, die von den Akteuren verschoben und mitgenommen wird. Mit wenigen Mitteln wird viel erreicht.

Im titelgebenden Wald wird die Beleuchtung durch ein unauffälliges Licht-Design von Michael Grundner dunkel gehalten. Judith Peters fantasievolle Kostüme orientieren sich an den bekannten Märchenbildern und sind mit Ausnahme der Hexe und der Wölfe meist in hellen Farben gehalten. Kleine Einfälle wie die Haarbrezel der Bäckersfrau, die nach ihrem Seitensprung mit dem Prinz geöffnet ist, fallen positiv auf. Besonders gelungen ist die Kuh Milchweiß von Hagen Tilp, die mit ihren großen Kulleraugen an ein Kuscheltier erinnert und mit Szenenapplaus bedacht wird, wenn sie sich nach der Fütterung mit der Zunge leckt.

Alle Rollen sind auf den Punkt besetzt – sei es mit Mitgliedern der hauseigenen Musical-Company oder mit Gastdarstellern. Davids hat mit seinen Akteuren die komplexen Charaktere und deren immer stärker aufkommende Ängste im zweiten Teil sehr gut herausgearbeitet. Als Hexe hinterlässt die nach einer Babypause zurückgekehrte Kristin Hölck durch ihr nuanciertes Spiel und ihren ausdrucksvollen Mezzosopran den nachhaltigsten Eindruck. Sie hält die Fäden in der Hand, gibt Anweisungen und opfert sogar den neutralen Erzähler. Bemerkenswert ist ihre uneingeschränkte Textverständlichkeit bei den schnellen Sprechgesangs-Passagen. Daneben sind es die amüsanten Prinzen von Alen Hodzovic und Riccardo Greco, die durch ihre angenehmen Stimmen und ihre witzigen Gesten zu Publikumslieblingen avancieren. Ihre Auftritte gehören zu den Highlights der Aufführung.

Zusammengehalten wird die Geschichte durch das stets präsente und sympathische Bäcker-Ehepaar Daniela Dett und Rob Pelzer. Anaïs Lueken agiert als liebenswertes Aschenputtel brav und zurückhaltend. Besonders bei den hohen Tönen fehlt es ihr an Stimmvolumen. An Lisa Antonis Darstellung in der Kasseler Produktion kommt sie nicht heran. In den jungen Rollen Rotkäppchen und Hans überzeugen Ariana Schirasi-Fard und Konstantin Zander trotz atypischer Besetzung. Obwohl er alle anderen an Körpergröße überragt, gelingt es Zander, kindlich naiv zu spielen und zu singen. In Punkto Timing und Witz gelingt es Schirasi-Fard nicht, aus der Rolle des Rotkäppchens das Maximum herauszuholen.

Mit “Into the Woods” zeigt das Landestheater Linz eine qualitativ sehr hochwertige Produktion und beweist, dass es auch Altmeister Sondheim stemmen kann. Das Publikum braucht nach der dreistündigen Vorstellung ein wenig länger, spendet dann jedoch warmen und anerkennenden Applaus. Sondheim ist und bleibt eben keine leichte Kost – es ist jedoch eine Freude, sein Stück in solch hoher Qualität in allen Bereichen zu genießen.

Musical von Stephen Sondheim (Musik und Gesangstexte) und James Lapine (Buch)
Original Broadway-Produktion inszeniert von James Lapine
Deutsch von Michael Kunze

 
Kreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
KREATIVTEAM
Musikalische LeitungDaniel Spaw
Borys Sitarski
RegieMatthias Davids
ChoreografieSimon Eichenberger
BühneMathias Fischer-Dieskau
KostümeJudith Peter
LichtMichael Grundner
DramaturgieArne Beeker
 
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CAST (AKTUELL)
Erzähler / Geheimnisvoller MannGünter Rainer
BäckerRob Pelzer
Frau des BäckersDaniela Dett
HexeKristin Hölck
HansKonstantin Zander
Hans' MutterCheryl Lichter
RotkäppchenAriana Schirasi-Fard
Wolf / Aschenputtels PrinzAlen Hodzovic
Wolf / Rapunzels PrinzRiccardo Greco
AschenputtelAnaïs Lueken
Aschenputtels StiefmutterKristina Da Costa
Aschenputtels Stiefschwester FlorindaCindy Walther
Aschenputtels Stiefschwester LucindaTina Schöltzke
RapunzelKatrin Merkl
Aschenputtels VaterHans-Günther Müller
KammerdienerPhilip Ranson
  
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TERMINE
keine aktuellen Termine
 
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TERMINE (HISTORY)
Fr, 08.04.2016 19:30Musiktheater Volksgarten, Linzgeschlossene Vorstellung
Sa, 09.04.2016 19:30Musiktheater Volksgarten, LinzPremiere
Di, 12.04.2016 19:30Musiktheater Volksgarten, Linz
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